Wahlausgang im Iran so offen wie selten - Hat der Reformkandidat eine Chance - und wie groß wäre sein Einfluss?

Massud Peseschkian (M), Präsidentschaftskandidat des Reformlagers, kommt zu einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt. Am 28. Juni wählt der Iran einen neuen Regierungschef.<span class="copyright">dpa</span>
Massud Peseschkian (M), Präsidentschaftskandidat des Reformlagers, kommt zu einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt. Am 28. Juni wählt der Iran einen neuen Regierungschef.dpa

Der Iran wählt einen neuen Präsidenten. Das Ergebnis ist ungewiss. Ob ein Reformkandidat wirklich für Veränderungen sorgen könnte, bleibt abzuwarten.

Die iranische Präsidentschaftswahl ist nach dem tödlichen Hubschrauberabsturz von Präsident Raisi eröffnet. Der Ausgang des Urnengangs ist so ungewiss wie selten zuvor. Als reformorientierte Alternative hat sich Massud Peseschkian, ein erfahrener Herzchirurg und ehemaliger Gesundheitsminister, positioniert. Das berichtet „BBC“. Für den Fall seiner Wahl hat er eine Abkehr von der strengen Durchsetzung des Dresscodes für Frauen durch die Sittenpolizei des Landes angekündigt. „Wenn das Tragen bestimmter Kleidung eine Sünde ist, dann ist das Verhalten gegenüber Frauen und Mädchen 100 Mal schlimmer“, erklärte der 69-Jährige laut „BBC“ seine Kritik an der repressiven Bekleidungspolitik.

Polarisierte Wählerschaft

Die lange Tradition der sorgfältigen Auswahl von Kandidaten durch einen einflussreichen Ausschuss von Klerikern bestimmt auch diese Wahl. Aber mit Peseschkian könnte etwas frischer Wind einziehen. Der Reformist verspricht, die Beziehungen mit dem Westen zu verbessern und die Atomgespräche wiederzubeleben, um die das Land lähmenden Sanktionen zu beenden.

Er wird vom ehemaligen Außenminister Mohammad Jawad Zarif sowie zwei früheren reformorientierten Präsidenten, Hassan Rohani und Mohammad Khatami, unterstützt. Seine Wahlkampfveranstaltungen lockten wachsende Massen an, und im Vorfeld der Wahl zogen sich bereits zwei Gegenkandidaten zurück, was laut „BBC“ darauf hindeutet, dass das klerikale Establishment eine Aufsplitterung der konservativen Stimmen verhindern möchte.

Die jüngsten Umfragen sehen dennoch Peseschkian in Führung gegenüber Mohammad Bagher Ghalibaf, einem ehemaligen Kommandeur der Revolutionsgarden und derzeitigen Parlamentssprecher, und Said Dschalili, einem Hardliner und früheren Atomunterhändler. Die konservative Seite, die Beziehungen mit dem Westen ablehnt, behauptet, dass der Iran auch trotz Sanktionen Erfolg haben kann.

Kluft zwischen Führung und Volk

Der Ausgang der Wahl wird als entscheidender Test für die Legitimität der Islamischen Republik betrachtet, insbesondere nachdem die Beteiligung bei früheren Wahlen auf ein Rekordtief gefallen war. Gerade junge und gebildete Iraner zeigen sich tief desillusioniert und sehnen sich nach dem Ende von 45 Jahren klerikaler Herrschaft. Die brutale Niederschlagung von Protesten und Inhaftierung von Aktivisten haben den Glauben vieler Iraner an einen Wandel durch die Wahlurne erschüttert.

In der finalen Fernsehdebatte warnte der konservative Kandidat Ghalibaf laut „AP“, dass der nächste Präsident möglicherweise gezwungen sein könnte, „den Iran an Trump zu verkaufen oder gefährliche Spannungen im Land auszulösen“, sollten die wirtschaftlichen Probleme nicht gelöst werden. Trotz der herben Kritik am „Großen Satan“, wie die USA seit der Islamischen Revolution von 1979 bezeichnet werden, spielten die Vereinigten Staaten eine wiederkehrende Rolle im Wahlkampf.

Wie groß wäre Peseschkians Einfluss?

Sollte der reformorientierte Peseschkian siegen, bleibt die Frage, welche Handlungsspielräume ihm bleiben. Laut Sanam Vakil vom Think-Tank „Chatham House“, der von „BBC“ zitiert wird, sei Peseschkian zwar ein Reformist, unterstütze aber die Islamische Republik und sei dem obersten Führer treu ergeben.

Kritiker stellen die Frage, ob Peseschkians Kandidatur lediglich dazu dient, die Wahlbeteiligung zu steigern – ein „Spiel“, das vom Regime bereits in der Vergangenheit inszeniert wurde. Dennoch könnte er für liberal gesinnte Iraner einen Hoffnungsschimmer darstellen, eine positive Veränderung von innen herbeizuführen.