"Ich war sehr besorgt": Trump-Vertrauter schildert in ARD-Doku beinahen Nato-Super-GAU
Der Ukraine-Krieg auf der einen, Drohungen aus der USA auf der anderen Seite: Die Nato befindet sich seit geraumer Zeit im Krisenmodus. Ob eine europäische Armee Abhilfe schaffen könnte und was eine Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus bedeuten würde, beleuchtete nun eine ARD-Doku.
Wenn am 5. November 2024 der künftige US-Präsident gewählt wird, könnte ein Ruck die Nato erschüttern. Gelingt Donald Trump eine Rückkehr ins Weiße Haus, droht der Konflikt zwischen den USA und dem Verteidigungsbündnis erneut aufzukochen. Zur Erinnerung: 2018 hatte sich Trump samt "America First"-Parole mit Generalsekretär Jens Stoltenberg angelegt. Zankapfel damals waren die in Trumps Augen laschen Bemühungen europäischer Länder, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Wie ernst der Republikaner es damals mit einem US-Austritt aus der Nato meinte, machen nun Äußerungen in der ARD-Dokumentation "Nato - Wer wird Europa schützen?" deutlich.
"Ich war sehr besorgt"
"Ich war sehr besorgt, dass er tatsächlich den Rückzug ankündigen würde", schildert Trumps damaliger Sicherheitsberater John Bolton. Zuvor seien derartige Bestrebungen im Nationalen Sicherheitsrat nie Thema gewesen. Doch Trump habe öfter Alleingänge unternommen, erinnert sich Bolton: "Irgendwann sagte Trump mir, dass er mich durch jemanden ersetzen würde, der einfach zustimmt, wenn er Dinge sagt wie: 'Ich will aus der Nato aussteigen."
Historiker: Bei Nato-Austritt der USA "wäre das Bündnis ein Schatten seiner selbst"
"Ohne den US-Präsidenten und die militärische und nukleare Macht der USA wäre das Bündnis ein Schatten seiner selbst", warnt der Historiker Timothy Andrews Sayle. Politikwissenschaftler Christian Mölling sieht es differenzierter: "Es ist total egal, ob Trump oder Biden Präsident wird."
Schließlich sei die USA zunehmend mit dem richtigen Umgang mit China beschäftigt. Für Europa sei laut Mölling eine neue Ausrichtung wichtig: "Wenn wir es ernst meinen, mehr Verantwortung für uns zu übernehmen, werden wir in beiden Fällen mehr tun müssen."
Doch was sind die Alternativen? Eine europäische Armee samt zentraler Entscheidungsstelle in Brüssel jedenfalls sehen viele Experten als kaum umsetzbar. Gleichwohl prognostiziert nicht nur Politikwissenschaftlerin Liana Fix ein "komplettes Chaos" bei nicht-einheitlicher Regelung europäischer Streitkräfte. "Für die jetzige Situation ist es ein Wunschdenken", stellt die Expertin fest und spricht von einem "Projekt für 20, 30, 40 Jahre". Dennoch plädieren sie und andere Kenner für eine gemeinsame Ausrichtung und einheitliche Standards bei den Armeen europäischer Staaten.
"Sehr mühsam": US-General klagt über deutsche Bürokratie
Warum das nötig ist, verdeutlicht der Film von Friederike Rohmann und David Holland anhand eines Panzertransports aus Bayern an die Nato-Ostflanke nach Litauen. Eine funktionierende Logistik über Ländergrenzen hinweg, geeignete zivile Strukturen und bürokratische Kraftakte erweisen sich als Hemmschuhe für effizientes Handeln. "Sich durch diese Prozesse zu arbeiten, ist sehr mühsam, es ist nicht sexy", bestätigt US-General F. Ben Hodges, warnt aber auch: "Die Fähigkeit, in Friedenszeiten Munition und Menschen zu bewegen, um einen Konflikt zu verhindern, ist wichtig."
Beide Punkte machten dem deutschen Militär in den letzten Jahren Schwierigkeiten. Wegen der ausgesetzten Wehrpflicht fehlt es an Personal, dazu hapert es an einsatzfähiger Ausstattung. "Es ist nicht die Bevölkerung, die den Wandel nicht nachvollzieht, sondern größtenteils Politiker, die in ihren alten Welten und Versprechen gefangen sind", benennt Christian Mölling das Problem. Zwar habe Verteidigungsminister Boris Pistorius seit seinem Amtsantritt mehrfach auf die Bedeutung der Kriegstüchtigkeit hingewiesen, aber er wisse laut Mölling auch, "dass er einen weiten Weg zu gehen hat".
Das gilt auch für die Herstellung von Panzern, wie der Besuch bei einer Rüstungsfirma zeigt. Wo früher ein Panzer täglich vom Band rollte, sind es heute 40 bis 50 jährlich. Rechtliche Limitationen, komplexe Lieferketten und aufwendige Genehmigungsverfahren bremsen eine schnellere Herstellung. Zwei Jahre dauert es in der Regel vom Auftrag bis zur Auslieferung von Kampfpanzern, 2.000 Lieferanten sind beteiligt. Dazu erschwert die von Nato-Land zu Nato-Land unterschiedliche Ausstattung sowohl die Ausbildung für die Soldaten als auch die Reparatur im Schadensfall.