Wirbel um Beauty-Ausgaben - Soll sie fertiger aussehen als ihr Volk? Jetzt verteidigt Schweiz-Blatt Baerbock

Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesaußenministerin, steigt aus einem Regierungsflugzeug.<span class="copyright">Hannes P. Albert/dpa</span>
Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesaußenministerin, steigt aus einem Regierungsflugzeug.Hannes P. Albert/dpa

Annalena Baerbock wird immer wieder für ihre hohen Beauty-Ausgaben kritisiert. 136.500 Euro im Jahr für eine Visagistin werfen Fragen auf. Nun erhält die grüne Außenministerin Unterstützung von ungewöhnlicher Seite.

Immer wieder gerät Bundesaußenministerin Annalena Baerbock für ihre Schönheitsausgaben in die Kritik. So wurde bekannt, dass sich das Auswärtige Amt im Jahr 2022 eine Visagistin für stolze 136.500 Euro leistete. Die Grünen-Politikerin verteidigte die ungewöhnlich hohen Ausgaben : „Ansonsten sieht man aus wie ein Totengräber, weil man total grau ist.“

Aus der Schweiz erhält Baerbock Unterstützung für ihre Beauty-Ausgaben

Schützenhilfe für ihre Schönheitspflege bekommt die Ministerin nun von ungewohnter Seite. Die „ Neue Züricher Zeitung “ (NZZ), ein eher konservatives Schweizer Blatt, das sonst kaum ein gutes Haar an Baerbock lässt, springt ihr nun zur Seite. Denn Baerbock sei schließlich nicht die einzige, die auf ihr Äußeres achte.

Der ehemalige französische Staatspräsident François Hollande zahlte seinem persönlichen Friseur fast 10.000 Euro monatlich aus der Staatskasse. Auch der aktuelle Staatschef Emmanuel Macron ließ für zwei Mal Make-up 26.000 Euro Steuergeld springen, schreibt die NZZ in einem Kommentar.

Baerbock: „Aber bei Frauen wird es dann immer gerne thematisiert“

Baerbock erklärt ihre Ausgaben so:

Bei ihren vielen Reisen habe sie nicht die Zeit, sich jedes Mal vor Ort eine Visagistin zu suchen - vor allem nicht im Ausland. „Deswegen ist es gang und gäbe - im Übrigen nicht nur bei mir, aber bei Frauen wird es dann immer gerne thematisiert, und auch im Kanzleramt und auch bei den anderen Herren - dass man entsprechend dann Maskenbildner hat“, so die Ministerin. „Und da ich sehr, sehr viel reise und sehr viel unterwegs bin zu Tag- und Nachtzeiten, werden die Leute natürlich dann auch so bezahlt.“ Damit halte sich das Auswärtige Amt an die gesetzlichen Vorschriften.

Kennedy versus Nixon: Möge der Schönere gewinnen

Die NZZ zieht indes historische Belege für die Notwendigkeit politischer Schönheitspflege heran – und springt etwa zurück ins Jahr 1960:

Es ist US-Wahlkampf, John F. Kennedy gegen Richard M. Nixon, das erste TV-Duell der Fernsehgeschichte. Beide Kandidaten lehnen die Dienste eines Maskenbildners ab. Einem wird dieser Fehler zum Verhängnis: Nixon.

Die Autorin der NZZ schreibt: „Im harten Scheinwerferlicht zeichnete sich jede einzelne Bartstoppel ab, außerdem fing er, nicht abgepudert, auf halber Strecke der Debatte stark an zu schwitzen. Kurzum: Er sah vollkommen fertig aus, während Kennedy sonnengebräunt und ausgeschlafen danebenstand. Wer am Ende die Wahlen gewann, ist bekannt.“

Der 47-jährige Nixon sei damals noch von einer Grippe geschwächt gewesen und habe tiefe Augenringe gehabt, bemerkt die NZZ-Autorin. Amerikanische Medien urteilten hart: „Als hätte der Tod eine Schlägerei mit der Pest gehabt.“ Das amerikanische Volk sah das weitgehend genauso.

Wohl auch um einen solchen Nixon-Fehler zu vermeiden, hat die Ampel-Regierung im ersten vollen Jahr 2022 die Kosten für Fotografen, Friseure und Visagisten in die Höhe getrieben. Rund 1,5 Millionen Euro ließen sich die Regierenden ihr äußeres Erscheinungsbild kosten. Das sind 80 Prozent mehr als im Vorjahr und sogar eine Verdreifachung innerhalb von zehn Jahren. Das hat der Bund der Steuerzahler (BdSt) ermittelt.

Was will das Volk: „Totengräberin“ oder Strahlefrau mit perfekter Föhnfrisur?

Die Frage, die sich die NZZ-Autorin schließlich stellt, ist folgende: „Wollen wir wirklich Staatsoberhäupter, die fertiger aussehen als ihr Volk?“ Von wem will sich das Volk vertreten lassen? Vom „Tod“, der „mit der Pest gekämpft hat“? Von einer „Totengräberin“? Oder vom „sonnengebräunten“ und „ausgeschlafenen“ Strahlemann - oder der Strahlefrau mit perfekter Föhnfrisur?

„Kein Volk“, schlussfolgert die NZZ-Autorin, „will sich von Leuten repräsentieren und regieren lassen, die müde und abgeschlafft wirken“. Ein Beispiel dafür sei der amtierende US-Präsident Joe Biden. Sein holpriger und befremdlicher Auftritt im TV-Duell mit Herausforderer Donald Trump stieß selbst die eigenen Anhänger ab. Er wirkte müde und abgeschlafft.

Zurück zu Baerbock und der Schützenhilfe aus der Schweiz: Baerbock mag früher grüner gewesen sein, schreibt die NZZ. „Weniger Föhnfrisur, weniger Concealer, mehr Jeans und T-Shirt, keine nächtlichen Kurzstreckenflüge von Frankfurt nach Luxemburg."

Der Unterschied zu heute aber sei: Damals musste sie nicht „egal um welche Uhrzeit, vor die Kameras treten oder bei den Vereinten Nationen vor Millionen Zuschauern sprechen“.

Natürlich hätte sie sich auch irgendwie selbst schminken können, aber dann bliebe weniger Zeit für die inhaltliche Vorbereitung und noch mehr Angriffsfläche für die Kritiker vor den heimischen Handybildschirmen, findet die Autorin. Visagisten, Coiffeure und Stylisten von Prominenten seien mittlerweile im wahrsten Sinne des Wortes auch „Bodyguards“.

Gute Arbeit geht vor gutes Aussehen

Diese Meinung teilen in Deutschland indes wenige. Immer wieder tritt die deutsche Außenministerin in Fettnäpfchen. Kritiker werfen ihr „Polterdiplomatie“ vor oder sprechen von „internationalem Schaden“, den sie auf ihren Reisen anrichte.

Laut einer FOCUS-Online-Umfrage vom April dieses Jahres bewerten 70 Prozent der Befragten ihre Arbeit als „eher negativ“ oder „sehr negativ“. Auch als Kanzlerkandidatin halten nur 14 Prozent der Deutschen Baerbock für geeignet. Und das trotz teurer Visagistin. Mehr als drei Viertel, nämlich 81 Prozent, halten sie für ungeeignet.

Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln, sagte in einem Interview mit FOCUS online , die Auslandsreisen der Ministerin dienten dazu, mit starken Worten und eindringlichen Bildern zu steuern, wie sie wahrgenommen werden wolle - ähnlich wie sie es in ihren Social-Media-Plattformen tue.