Wirbel um EM-Reise - Fliegt Baerbock am Freitag wieder zum Spiel? Ministerium mauert, Grüne schweigen

Annalena Baerbock (r.) fiebert beim EM-Spiel Deutschland Schweiz in der Allianz-Arena mit - dokumentiert wird das Foto mit der Politikerin Tanja Fajon auf Twitter. "Let's make feminism great again", kommentierte Baerbock.<span class="copyright">Twitter/ABaerbock</span>
Annalena Baerbock (r.) fiebert beim EM-Spiel Deutschland Schweiz in der Allianz-Arena mit - dokumentiert wird das Foto mit der Politikerin Tanja Fajon auf Twitter. "Let's make feminism great again", kommentierte Baerbock.Twitter/ABaerbock

Der nächtliche Kurzstreckenflug von Außenministerin Annalena Baerbock sorgt für mächtig Wirbel. Das Ministerium erklärt sich nun erstmals zu dem Fall. Andere Grüne und Klima-Freunde sind hingegen seltsam still. Sitzt Baerbock am Freitag wieder im EM-Stadion?

Ob das die Aufregung wert war? Auf ihrem Weg nach Luxemburg und später in den Nahen Osten legte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) einen Zwischenstopp bei dem EM-Vorrundenspiel Deutschland gegen Schweiz ein. Das hatte für sie zur Folge, dass sie für einen Flug von nur 184 Kilometern Luftlinie das Nachtflugverbot in Frankfurt umgehen musste.

Das hat für viele Beobachter aus zweierlei Gründen eine grüne Doppelmoral offenbart: Zum einen hatte sich Baerbock noch im vergangenen Bundestagswahlkampf für eine „klimagerechte Besteuerung von Flügen“ ausgesprochen, um Kurzstreckenflüge unrentabel zu machen.

Zum anderen waren es Baerbocks grüne Parteifreunde in der Frankfurter Stadtratsfraktion, die es vor der Europameisterschaft strikt abgelehnt hatten, das Nachtflugverbot nach den Turnierspielen zu lockern, wie es der europäische Fußballverband Uefa gefordert hatte.

Wirbel um Baerbocks EM-Flug: „Es ist einfach im Wesen des Jobs der Außenministerin“

Klar ist, dass auch eine Ministerin ein Recht auf Freizeit hat und EM-Spiele besuchen darf. Klar ist auch, dass sie als Chefin des Auswärtigen Amts mehr als ihre Kabinettskolleginnen und -kollegen unterwegs sein muss und dabei oft auf das Flugzeug angewiesen ist.

In diese Richtung argumentiert nun auch ein Sprecher des Auswärtigen Amts bei der Regierungspressekonferenz am Mittwoch: „Es ist einfach im Wesen des Jobs der Außenministerin – allein zehn Nahostreisen in den letzten Monaten –, dass viele dieser Reisen aufgrund der engen Taktung einfach nur mit der Flugbereitschaft zu bestreiten sind“, sagte er. Eine Ausnahme vom Nachtflugverbot wegen des „besonderen öffentlichen Interesses“ sei angemessen, weil die Außenministerin dienstlich bei dem Spiel gewesen sei.

Warum im aktuellen Fall nur das Flugzeug in Frage kam, beantwortete der Sprecher nicht direkt. So mag es vielleicht auch plausible Gründe für Baerbocks Wahl des Verkehrsmittels gegeben haben. Der Zug wäre zum Beispiel aus Zeitgründen keine Alternative gewesen .

Klimabewegungen und Frankfurter Grüne schweigen

Eine solche mögliche Begründung hatte FOCUS online beim Außenministerium bereits am Dienstag erfragt. Eine Antwort lieferte dessen Pressestelle nicht. Das reiht sich ein in eine seltsame Stille, die um den Fall herrscht.

Von der Frankfurter Grünen-Fraktion wollte FOCUS online unter anderem wissen, wie sie die Nachtflug-Ausnahme für Baerbock bewerten – wo sie eine solche zuvor noch für die Uefa abgelehnt hatte. Auch wäre interessant gewesen, zu erfahren, ob die Frankfurter Politiker schon im Vorfeld von der Ausnahme erfahren und dann möglicherweise versucht hatten, sie zu verhindern.

Eine Antwort auf die schriftliche Anfrage liegt auch weit nach Ablauf der gesetzten Frist nicht vor. Telefonisch erreichbar ist in der Grünen-Fraktion an zwei Tagen ebenfalls niemand.

Kommt Baerbock zum nächsten EM-Spiel am Freitag wieder ins Stadion?

Der Flug von Baerbock hat viel CO2 ausgestoßen. Das ist auch deshalb relevant, weil als Alternative ein elektrischer Dienstwagen für die Strecke nach Luxemburg in Frage gekommen wäre. Deshalb hat FOCUS online auch Klimaaktivisten angefragt, was sie davon halten, dass ausgerechnet eine grüne Ministerin Kurzstrecke fliegt. Sowohl die Ansprechpartner für Presse bei der Letzten Generation als auch bei Fridays for Future ließen die Frist zur Antwort verstreichen.

Und schließlich hat FOCUS online beim Außenministerium nicht nur zu den Gründen für die Wahl des Verkehrsmittels nachgefragt, sondern auch, ob die Politikerin weitere EM-Spiele besuchen wird und wenn ja, ob wieder mit dem Flugzeug. Zu dieser Frage deutet das Ministerium eine Antwort an, will sie aber nicht zitiert sehen.

Baerbock ist „bisher dreimal mit dem Linienflug geflogen und mindestens viermal mit dem Zug gereist“

Auf erneute Nachfrage verwies die Pressestelle schließlich auf die Regierungspressekonferenz. Sprecher Christian Wagner begründete Baerbocks Spiel-Besuch damit, dass die EM und wie Deutschland sich als Gastgeber geriere, „nicht unwesentliche Auswirkungen“ darauf habe, wie die Welt auf Deutschland schaue. Zudem sei es ein Zeichen der Unterstützung für die Nationalmannschaft.

Die Wahl des Flugzeugs für die Reise sieht der Sprecher als nicht problematisch an, die Flugbewegung hätte ohnehin stattgefunden – ob leer oder mit Besatzung –, weil Baerbock später in den Nahen Osten weiterreisen musste. Man stelle sich bei jeder Reise die Frage, welches das beste Transportmittel sei. „In ihrer Funktion als Außenministerin ist sie bisher dreimal mit dem Linienflug geflogen und mindestens viermal mit dem Zug gereist.“

Ob Annalena Baerbock am Freitag beim Viertelfinale Deutschlands gegen Spanien in Stuttgart im Stadion sein wird, bleibt somit weiter unklar. Zumindest ein Problem wird dann aber nicht bestehen: Zwar dürfen am Stuttgarter Flughafen zwischen 23.30 Uhr und 6 Uhr ebenfalls keine Flugzeuge regulär landen. Das Spiel beginnt aber anders als gegen die Schweiz schon um 18 Uhr – selbst bei Verlängerung und Elfmeterschießen sollte eine Abreise vor Beginn der Nachtruhe problemlos möglich sein.