TV-Kolumne „Maybrit Illner“ - Als das ZDF ein Schreckgespenst malt, formt sich plötzlich eine Mitte-Allianz

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Norbert Röttgen (CDU) war bei Maybrit Illner zu Gast.ZDF/Svea Pietschmann

Immer mehr Menschen machen sich angesichts der drohenden Wiederwahl von Donald Trump Sorgen, auch um Deutschland. Bei „Maybrit Illner“ proben SPD-Politiker Michael Roth und CDU-Mann Norbert Röttgen eine neue Mitte. Dabei gibt es auch eine ganz einfache Lösung.

Fernsehen zur Entspannung? Vergessen wir das. Maybrit Illner kehrt zurück aus der Fußball-Pause. Knallrot ist ihr Kleid. Das ist schon einmal ein erstes Warnsignal: Es kann immer noch schlimmer werden für Deutschland, für Europa. Das Schreckgespenst pinselt das ZDF an die digitale Wand: „Biden wackelt, Macron zockt – leichtes Spiel für Nationalisten?“

Es beginnt der Abgesang aufs Abendland, zumindest für die 357.588 Quadratkilometer, die wir unsere Heimat nennen. Biden wackelt? Gleich zu Beginn lässt der Donnerstagstalk den US-Präsidenten fallen. Joe Biden stürzt nach unten aus dem Kamerabild. Das ist übertrieben. Das ist fies. Aber das entspricht auch der Stimmung der Talkgäste an diesem Abend.

Es geht noch einmal um das Fernsehduell jenseits des Atlantiks. Die Fernsehzuschauer, und das nicht nur in den USA, haben einen amtierenden Präsidenten gesehen: Einen mächtigsten Mann der Welt, der stammelt, der die Augen vor Müdigkeit schließt, der seine Sätze unterwegs vergisst – einen 81-Jährigen, der 15 Tage nach seiner geplanten Wiederwahl den 82. Geburtstag feiern will.

Das Bild ist so verstörend, dass selbst Erzrivale Donald Trump fast schon Beißhemmung zu haben scheint. Mitgefühl ist die Höchststrafe, wenn Trump sagt: „Ich weiß nicht, was er gesagt hat. Ich glaube, er weiß es selbst nicht.“ Moderatorin Illner zitiert US-Medien, dass ihr Präsident nur noch halbtags arbeiten könne. Die Quittung: 67 Prozent sehen Donald Trump als Sieger des Wahlduells.

„Wladimir Putin hat sich auf die Schenkel geklopft“

Die Stimmen zur Stimmung sind einstimmig. Was sagt Michael Roth, im Hauptberuf SPD-Außenpolitiker? „Ich war fassungslos, als ich das gesehen habe. Es ist eine furchtbare Ausgangssituation für ihn – und für uns.“ Wie urteilt Norbert Röttgen, CDU? „Das war nicht nur eine versemmelte Debatte. Die Verfassung von Biden ist sichtbar geworden – und das wird keiner vergessen. Das ist der sichere Weg zur Wiederwahl von Donald Trump.“ Hören wir die Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmüller, zugeschaltet aus Washington: „Die Demokraten haben darauf gehofft, dass die Gerichte sie retten werden. Das ist offensichtlich nicht der Fall.“ Oder ihre Kollegin Daniela Schwarzer, die befindet: „Ich vermute, Wladimir Putin hat sich auf die Schenkel geklopft.“

Die Bestandsaufnahme also ist einstimmig, einhellig, eindeutig. Und die Konsequenz? Sie überrascht dann doch. Es entsteht, zumindest in dieser Diskussion, eine große Nähe zwischen SPD und CDU, zwischen Michael Roth und Norbert Röttgen. „Jetzt müssen sich alle zusammenschließen, um die Nationalisten zurückzuhalten“, fordert Roth.

CNN-Journalist fordert Steuersenkung

„Wir brauchen keine Angst vor dem Volk zu haben, die Menschen sind nicht dumm. Sie wollen Führung sehen. Meine Überzeugung ist, dass wir ein vernünftiges Volk haben, mit dem man wie mit Erwachsenen reden kann“, sagt Röttgen. Und er fügt hinzu, dass nur der Wecker fehlt: „Warum wachen wir nicht auf, dass wir das Notwendige tun? Wir sind verwöhnt, wir sind bequem.“ Leider verstolpert sich der CDU-Mann ein wenig: „Wir brauchen Kompetenz, Glaubwürdigkeit – und noch was Drittes.“ Das fällt ihm dann gerade nicht ein. Da gibt der 59-Jährige für eine Sekunde den Biden.

Den CNN-Journalisten Frederik Pleitgen machen die beiden Politiker in der Runde trotzdem zuversichtlich. „Die Hoffnung liegt bei euch“, befindet Pleitgen. Und er bringt ein ganz einfaches Rezept mit in den Talk, um Wähler wieder für die Mitte zu gewinnen: „Die Leute zahlen viel Steuern. Sie erwarten eine professionelle Politik.“ Da geht es aber auch schon auf Mitternacht zu. Zu der Zeit wird man ja wohl träumen dürfen.