Wolfsgruß bei EM-Spiel - Deutsche Presse schießt gegen Demiral - türkische Journalistin schlägt wüst zurück

merih demiral von der türkei jubelt nach seinem zweiten treffer zum 0:2.<span class="copyright">IMAGO/AFLOSPORT</span>
merih demiral von der türkei jubelt nach seinem zweiten treffer zum 0:2.IMAGO/AFLOSPORT

Der türkische Nationalspieler Merih Demiral löste bei der EM einen Skandal aus, indem er den Wolfsgruß zeigte. Während die UEFA Ermittlungen einleitete, nimmt die deutsche Presse eine klare Position zu dem Vorfall ein. In der Türkei hingegen herrscht eine ganz andere Sichtweise.

Die deutsche Presse zeigt klare Kante gegen Demirals Gruß der Grauen Wölfe Demirals Gruß der Grauen Wölfe, ein Erkennungssymbol der Rechtsextremen in der Türkei:

„Was für ein schändlicher Moment“

„Leipziger Volkszeitung“: Was für ein schändlicher Moment, der alle Freude über den sportlichen Erfolg in den Schatten stellt: Der türkische Doppeltorschütze Merih Demiral zeigte im Jubel den Wolfsgruß. Das Handzeichen ist ein Erkennungssymbol türkischer Rechtsextremer, es steht für Vertreibung, Gewalt und Rassismus. Die Uefa sollte Demiral bestrafen und für die nächsten Spiele des Turniers sperren. Bedenklicher als der Wolfsgruß auf dem Platz ist aber, dass dieses Handzeichen auch bei deutsch-türkischen Fanfeiern und den teilweise ausufernden Autokorsos immer wieder gezeigt wird. Wenn es in deutschen Städten keinen Raum für Rechtsextremismus geben soll, dann muss das auch für die Erkennungszeichen türkischer Faschisten gelten.

„Wen will Demiral für blöd verkaufen“

„Stuttgarter Nachrichten“: Zuschauer und Spieler gebührt ein großer Spielraum zum Zeigen ihrer Gefühle. Wenn aber Demiral seine „türkische Identität“ als Grund dafür nennt, dass er spontanen Torjubel in ein alles andere als spontanes Bekenntnis zu seinem extremen Nationalismus ummünzt, stellt sich die Frage: Wen will er für blöd verkaufen?

Dass Deutschland Raum lässt für Siegesfeier-Autokorsos mit reichlich Lärm und Verkehrsbehinderung und voll von türkischen oder anderen Flaggen, passt das zu einem freundlichen Gastgeberland. Zu dem passt es ebenso, dass nicht zuletzt Bundesinnenministerin Nancy Faeser der politischen Rechtsaußen-Demo Demirals ihre Missbilligung ausgesprochen hat. Sein Handzeichen verlangt klare Gegenzeichen. Der europäische Fußballverband Uefa ist gut beraten, wenn auch er ein eindeutiges Signal an Demiral und ähnlich Verblendete dahintersetzt. Gerade weil der Fußball niemals ein politikfreier Raum sein kann, darf er erst recht kein Raum frei von Regeln, Werten und Anstand sein.

„Dieses Spiel sollte ein Anlass sein, ein Zeichen zu setzen“

„Frankfurter Rundschau“: Es ist das Mindeste, dass der europäische Fußballverband Uefa ein Untersuchungsverfahren gegen Merih Demiral eingeleitet hat, nachdem er im EM-Achtelfinale seiner türkischen Nationalmannschaft in Leipzig den „Wolfsgruß“ der rechtsextremen und gewaltverherrlichenden „Grauen Wölfe“ gezeigt hat. Doch Demiral war nicht der Einzige. Bereits bei den Vorrundenspielen der türkischen Mannschaft in Dortmund und Hamburg hatten etliche türkische Fans die Symbole der „Grauen Wölfe“ gezeigt, deren Zeichen in Österreich seit 2019 verboten sind. In Frankreich hatte der Ministerrat die Auflösung der „Grauen Wölfe“ 2020 angeordnet. Am kommenden Samstag spielt die türkische Nationalmannschaft im EM-Viertelfinale gegen die Niederlande. Der Austragungsort ist das Olympiastadion in Berlin, wo die größte türkischstämmige Gemeinde Deutschlands lebt. Dieses Spiel sollte auch ein Anlass sein, um ein Zeichen zu setzen. Gegen die „Grauen Wölfe“.

Türkische Zeitung Sabah hingegen: „Da bekommt man Lust, zusammen mit Demiral den Wolfsgruß zu machen“

Die türkische Presse hingegen beurteilt den Vorfall anders. Während beispielsweise die großen Tageszeitungen „Sözcü“ und „Milliyet“ so gut wie gar nicht auf Demirals Wolfsgruß eingehen, schreibt eine Kommentatorin der Erdogan-nahen, größten Zeitung „Sabah“ einen saftigen Kommentar, nennt die Untersuchung durch die Uefa „skandalös“. Und weiter:

„Unmittelbar nach dem glorreichen Sieg griff ein Chor Merih Demiral an. [...] Unter denjenigen, die sich über Demirals Gruß ärgerten, befanden sich Subunternehmer der PKK (Kurdische Arbeiterpartei), die zionistischen israelischen Medien, ein Youtube-Kommunist und der Anwalt des PKK-Rädelsführers Abdullah Öcalan.“ Wenn man sich diese Gruppe anschaue, bekomme man Lust, zusammen mit Demiral den Wolfsgruß zu machen. Die Kommentatorin gratuliert Merih Demiral und schreibt, durch seine Aktion werde „ein Schlaglicht auf die Feinde des Islams“ geworfen und es gebe eine „Enthüllung der Österreicher unter uns“.

Auch die deutsche Innenministerin Nancy Faeser bekommt ihr Fett weg. Diese sei nicht in der Lage, das Licht auf die Morde des deutschen Staats an Türken zu werfen [Anm. der Redaktion: Eine weitere Ausführung dieser Anschuldigung findet nicht statt], sondern fordere stattdessen eine Untersuchung des Vorfalls durch die Uefa.

Nancy Faeser nannte Verhalten Demirals „völlig inakzeptabel“

Faeser (SPD) hatte tatsächlich wegen des Vorfalls die Uefa aufgefordert, Sanktionen zu prüfen. „Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen“, schrieb Faeser im Onlinedienst X. „Die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen, ist völlig inakzeptabel“, fügte sie hinzu. Die Innenministerin verwies zudem darauf, dass die Grauen Wölfe vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Die Grauen Wölfe gelten als militanter Arm der rechtsextremen türkischen Partei MHP. Die Gruppe vertritt radikale Ideen und wandte in den 1980er Jahren Gewalt gegen linke Aktivisten und ethnische Minderheiten an. In Deutschland sind weder die Grauen Wölfe, noch ihr Gruß verboten - in Österreich und Frankreich allerdings schon. Die Uefa hat wegen des Vorfalls eine Untersuchung wegen „unangemessenen Verhaltens“ eingeleitet. Die Stimmen haben mittlerweile ihre Wirkung gezeigt: Demiral ist für zwei Spiele gesperrt und darf nicht für das EM-Viertelfinale auf dem Platz stehen.