„Dann press doch selber, Frau Dokta!“: Dr. Josephine Chaos im Gespräch

Kreischende Mütter, ruhige Väter: Dr. Chaos gibt Einblick in den Klinikalltag (Bild: S. Fischer Verlage)
Kreischende Mütter, ruhige Väter: Dr. Chaos gibt Einblick in den Klinikalltag (Bild: S. Fischer Verlage)

Lustige Erlebnisse aus dem „verrückten Großraumbüro“ Klinik, das verspricht der Klappentext von „Dann press doch selber, Frau Dokta! Aus dem Klinikalltag einer furchtlosen Frauenärztin“. Von Geburten, außer Rand und Band geratenen Müttern oder werdenden Vätern, die im Kreißsaal furchtlos ihren Mann stehen: Dr. Josephine Chaos hat wirklich etwas zu erzählen. Schreiben kann die Gynäkologin, die im wahren Leben eigentlich ganz anders heißt und selbst gerade schwanger ist, übrigens auch noch – „ächt jetzt!“

„Frau Pharma, das Kind ist fast da! Ich konnte gerade schon Haare sehen. Das geht jetzt nimmer mit dem Kaiserschnitt! Sonst müssten wir es ja wieder reinstecken!“ (…) Aber Frau Pharma hört mich gar nicht. Wild um sich schlagend, tretend und keifend, mit wirrem Haar und irrem Blick dreht sie sich auf dem zwei mal zwei Meter großen, runden Bett wie ein Mensch gewordener Kreisel. (…)

So liest sich eine beispielhafte Anekdote aus dem „Klinikalltag einer furchtlosen Frauenärztin“. Und weiter:

Ich schwöre, ich bin lieb! Wirklich! Aber Nierenschalen nach mir werfen und Hausschuhe und überhaupt – das geht dann doch ein bisschen zu weit. Also schrei ich – nur ein kleines bisschen unsouverän zurück: „Frau Pharma? FRAU PHAAARMAAAA?! Reißen Sie sich mal zusammen und pressen Sie jetzt, statt hier so rumzufurien. Das Kind ist doch schon fast draußen!“ Frau Pharma indes ist mein Appell gerade völlig egal. (…) „Dann press doch selber, Frau Dokta!“ Mit diesen Worten springt Frau Pharma urplötzlich zwischen zwei Wehen einfach vom Kreißbett auf und stürmt in Windeseile davon. (…) Völlig verdattert glotze ich der Frau nach, die sich, nur in ein rückenfreies Klinikhemd gewandet und die Kabel des CTG-Geräts luftschlangenartig hinter sich herziehend, in beeindruckender Geschwindigkeit aus dem Staub macht. Ähm – Hallo? Das macht man aber nicht! (…)

Yahoo! Nachrichten: Als Frauenärztin einer mittelgroßen Klinik irgendwo in Deutschland erlebt man offenbar so einiges …

Dr. Josephine Chaos: Geschichten wie meine finden jeden Tag in jeder Klinik dieser Welt statt. Krankenhäuser sind Mikrokosmen, in denen immer wieder Extrem-Situationen aufeinanderprallen. Dazu dann noch das übliche medizinische Fachpersonal - mit all seinen kleinen und großen Macken. Und: Jede Menge normaler und nicht ganz so normaler Patienten.

Fällt Ihnen spontan eine nicht ganz so normale Patientin ein?

Eine Frau, die ihr Kind im Treppenhaus der Klinik zur Welt gebracht hat, weil sie erst in allerletzter Sekunde im Kreißsaal auflaufen wollte. Dann war der Kreißsaal schlussendlich zwei Stockwerke weit entfernt. Zwei Schwestern standen „Schmiere“, um ungebetene Gäste fernzuhalten, während die Patientin ihr Kind zur Welt brachte – im Vierfüßlerstand auf den Treppenstufen kniend.

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Erkennen sich diese und andere Patientinnen nicht in Ihren Geschichten wieder, die Sie auf Ihrem Blog (josephinechaos.wordpress.com) und in Ihrem Buch veröffentlicht haben?

Nein. Das kann nicht passieren, da ich nicht über Patientinnen, sondern über Geschehnisse schreibe. Ich erlebe etwas und bastele dann mit den Personen, die ich mir geschaffen habe, die passende Geschichte dazu. So wie die Kollegen von „Scrubs“, „Grey’s Anatomy“, der „Schwarzwaldklinik“ und wie sie alle heißen, es auch tun.

Wie in einer schriftlichen Doku-Soap! Wie viel „echte“ werdende Mutter steckt denn in Frau Pharma, der kreischenden Patientin aus der Leseprobe?

Bei den Müttern gibt es von A wie AbsolutAußerSich bis Z wie Zauberhaft wirklich alles: schreiende, fluchende, lächelnde, quietschende, spuckende, keifende und einfach nur hinreißend sympathische Frauen. Wie im wahren Leben: Nichts ist unmöglich!

Und die werdenden Väter – eher Mann oder Memme?

Entgegen anders lautender Gerüchte halten sich 98 Prozent der Männer ganz hervorragend im Kreißsaal. Hin und wieder muss sich mal einer kurz in die Ecke setzen und ein bisschen durchschnaufen. Aber Hand aufs Herz: Das geht vielen gestandenen Medizinern gelegentlich genauso. Insofern: eindeutig Mann!

Im Buch sind Sie gerade selbst wieder schwanger, erwarten Ihr viertes Kind. Wie ist Dr. Chaos, wenn sie selbst mal Patientin sein muss?

Das ist ganz einfach: Medizinisches Fachpersonal gehört zum meist gefürchteten Patientenklientel überhaupt. Wir sind elende Besserwisser, Nörgler, Jammerlappen und Nervensägen. Da mache ich ganz bestimmt keine Ausnahme.

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Noch mal zurück zum Durchschnaufen. Nutzen Sie als gestandene Medizinerin das Schreiben eigentlich als eine Art Therapie?

Ich glaube jeder Job, den man mit ein wenig Herzblut betreibt, braucht einen privaten Ausgleich. Für mich ist das – neben meiner Familie – Laufen und Schreiben. Therapie im eigentlichen Sinne des Wortes brauche ich augenblicklich nicht wirklich.

Sie mögen Ihren Job also (noch)?

Was heißt hier mögen? Ich LIEBE meinen Job! Und wissen Sie auch, warum? Ich wohne jeden Tag dem größten Wunder bei, das man sich nur denken kann: Geboren werden!