Dies ist nicht der tiefe Fall des Ulrich H.

Dies ist nicht der tiefe Fall des Ulrich H.



Die Gefängnisstrafe für Uli Hoeneß ist gerecht. Die Verdienste des Fußball-Idols wird das aber nicht mindern – im Gegenteil: Das Urteil ist auch eine Chance für einen Neuanfang. Ein Kommentar von Jan Rübel.

Uli Hoeneß ist zu einer Gefängnisstrafe von dreieinhalb Jahren verdonnert worden. Was ist der nicht alles: Präsident des FC Bayern München, Millionär und Mäzen, Fußballheld und streitbarer Debattierer in Polit-Talkshows. Allein deswegen ist das Urteil ein Donnerschlag. Es dokumentiert: Vor dem Gesetz sind alle gleich. Es gibt keinen Bonus für Prominente, und auch keinen Nachteil.

Lesen Sie auch: Gericht verurteilt Hoeneß zu dreieinhalb Jahren Haft

Über die Höhe der Strafe gibt es nichts zu meckern. Bei hinterzogenen Steuern in Höhe von 28,2 Millionen Euro kann keine Rede mehr von Kavaliersdelikten sein – dies war aktiver Diebstahl am Gemeinwesen, noch dazu waren es fällige Steuern nicht auf sauer verdientes Erwerbseinkommen, sondern auf Zockereien im Geldhandel. Die Zahlen machen schwindelig. Und die Tat kann nur erklärt werden mit Größenwahn, Kontrollverlust und dem unbedingten Willen, über das eigene Geld selbst zu verfügen: Hoeneß wollte bestimmen, wem er Geld spendet (was er reichlich tat) und wem er Geld schuldet (was er weniger tat). Eine große Portion Selbstverliebtheit muss ihn zu diesem schlimmen Verhalten gebracht haben. Umso schlimmer wird es für einen wie ihn nun sein, der doch in erster Linie geliebt werden will.

Sehen Sie auch:





„Hosianna“ und „Kreuzigt ihn“ – Schnee von gestern

Das ist die eine schlechte Nachricht. Es gibt aber auch eine gute. Das Urteil ist die Chance für Hoeneß, endlich reinen Tisch zu machen. Denn es gibt zwar in Deutschland eine unglückselige Neigung, Prominente an einem Tag wie den Messias in die Höhe zu heben und sie am nächsten wie eine Sau durch die Straßen zu jagen. Ist Hoeneß also nun „erledigt“? Wird man nie wieder etwas von ihm hören, allerhöchstens lesen im „Stern“, unter der Rubrik „Was macht eigentlich...“? Nein, mitnichten. Denn Hoeneß hinter Gittern ist nicht aus der Welt, und das ist gut so.

Die Verdienste des einstigen „Himmelstürmers“ bleiben bestehen. Der FC Bayern München wäre ohne ihn heute nicht dort, wo er ist. Und auch Feinde dieses Vereins müssen anerkennen, dass in der Fußballgeschäftswelt, wo Geld alles ist, der reichste Vertreter gleichzeitig auch mit einer der menschlichsten ist – dass Hoeneß den alten Herzenstyp verkörpert, der Fußball als Leidenschaft lebt und für den Solidarität kein Fremdwort geworden ist. Damit hat Hoeneß ein Beispiel geschaffen: Fußball kann Kommerz und Kumpel gleichzeitig sein.

Hoeneß bekommt die Chance auf ein echtes Comeback

Die Monate im Gefängnis werden bitter sein. Aber es ist die Chance für eine Auszeit, zur Besinnung. Hoeneß würde ein echtes moralisches Vorbild werden, wenn er ganz ehrlich die Gründe für seinen Steuerbetrug aufdecken würde. Bisher hat er dazu wortreich geschwiegen, sich als kranker Zocker beschrieben; nur klingt das alles nur nach einer Verteidigungsstrategie, die letztlich scheiterte. Jetzt könnte er sich glaubhaft von seinen Gaunereien distanzieren und ein Beispiel abgeben; schließlich denken viele Steuerzahler hin und wieder daran, bei der Steuererklärung zu mauscheln, nach dem Motto: „Es müssen ja nicht gleich 28,2 Millionen Euro sein...“

Doch Steuerbetrug ist Diebstahl. Mit einer klaren Kante könnte Hoeneß endlich wieder in die Attacke gehen. Und nach der zwar langen, aber absehbaren Zeit im Gefängnis stünde ihm die Welt wieder offen: wieder durch ein Engagement beim FC Bayern München oder sonst wo. Denn dann wird er mit offenen Armen empfangen werden, seine Schuld wird er abgesessen haben. Und einen wie Hoeneß braucht das Land. Das wäre ein echtes Comeback.