Geld und Glück: Die Ökonomie des guten Lebens

Macht Geld wirklich glücklich? (Bild: thinkstock)
Macht Geld wirklich glücklich? (Bild: thinkstock)

Schwere Zeiten für den „Homo oeconomicus": Das klassische Modell vom rationalen Nutzenmaximierer gilt vielen Wirtschaftswissenschaftlern heutzutage als überholt. Denn: Der Mensch strebt nicht ausschließlich nach Wachstum — sondern vor allem nach Glück. Und wenn sogar US-Notenbankchef Ben Bernanke davon spricht, dass die Lebenszufriedenheit ein mindestens so wichtiger Kennwert für das Wohlergehen einer Gesellschaft ist wie die Inflationsrate oder die Zahl der Arbeitslosen, muss ja etwas dran sein! Doch was erhöht das Glück — und wie kann man es messen? Der renommierte Glücks-Ökonom Professor Bruno S. Frey kennt die Antworten.


Ben Bernanke spricht gerne über den Zusammenhang von Wirtschaft und Glück. Schon 2010 sorgte er für großes Aufsehen, als er in der University of South Carolina erklärte, ein volles Konto sei nicht der einzige Indikator für Wohlstand. Auch die Lebenszufriedenheit spiele eine erhebliche Rolle. Im August ergänzte Bernanke seine These vor Ökonomen und Wissenschaftlern in Cambridge: „Per Lehrbuchdefinition ist Wirtschaft die Verteilung knapper Ressourcen. Aber das erklärt nur das ‚Was', nicht das ‚Warum'. Das ultimative Ziel ist ohne Zweifel, zu verstehen, was Lebenszufriedenheit bedeutet und ihre Erhöhung zu fördern."

Dass sich ausgerechnet Bernanke, Chef des Federal Reserve Systems, also der US-Notenbank, und damit einer der einflussreichsten Ökonomen weltweit, so sehr für dieses Thema interessiert, ist ein klares Signal: Glück, eigentlich klassisches Forschungsgebiet von Philosophen und Psychologen, ist endgültig in der Wirtschaftswissenschaft angekommen. Seit der Jahrtausendwende befassen sich zahlreiche Ökonomen mit der Frage, was Menschen eigentlich zufrieden macht. Einer von ihnen ist Bruno S. Frey, Distinguished Professor an der Warwick Business School der Universität Warwick und Gastprofessor an der Zeppelin Universität Friedrichshafen.

Idealisten sind auch reicher glücklicher

Dass es nicht allein der schnöde Mammon sein kann, der zufrieden macht, legt schließlich schon das so genannte Easterlin-Paradox — benannt nach dessen Schöpfer, dem US-Wirtschaftsprofessor Richard Easterlin — nahe: Demnach stimmt es zwar, dass arme Menschen wesentlich unglücklicher sind als wohl situierte. Doch je weiter das Einkommen eines Menschen steigt, desto geringer wird sein zusätzliches Glücksgefühl. Dabei ist die Summe, ab der dieser Effekt einsetzt, ist laut Frey von Mensch zu Mensch verschieden: „Materialisten zum Beispiel macht ein Einkommenszuwachs weniger zufrieden als Idealisten, weil Letztere überrascht sind, wenn sie mehr Geld erhalten."

„Alles in allem genommen, wie zufrieden sind Sie mit dem Leben, das Sie führen?", will Frey dazu von seinen Versuchsteilnehmern aus allen Bevölkerungs- und Altersgruppen wissen. Das Erstaunliche: Lässt man Menschen den Grad ihrer Zufriedenheit auf einer Skala von 1 („extrem unzufrieden") bis 10 („vollkommen zufrieden") selbst einschätzen, erhält man in der Regel verlässliche Angaben über deren Gemütszustand. Schlicht, weil die Frage „keine Hauruckantworten" hervorruft, sondern einen längerfristigen Zeitraum abfragt, wie Frey erklärt. Nicht einmal Gehirnstrommessungen, die auf den ersten Blick objektiver erscheinen, liefern so gute Ergebnisse: „Man weiß noch viel zu wenig darüber, wie man die Ströme richtig interpretieren kann. Daraus könnte ich nicht mit viel Fantasie ablesen, dass Verheiratete glücklicher sind als Singles, sogar als unverheiratete Paare. Das weiß ich allein dank der Befragungen, deren Antworten ich mit Daten wie Einkommen, Geschlecht und Alter vergleiche."

„Organisiert, friedlich, reich": Dänen leben glücklicher

Doch nicht nur das. Frey, Autor des Buches „Glück — Die Sicht der Ökonomie" (mit Claudia Frey Marti), kann anhand seiner Ergebnisse auch die Zufriedenheit ganzer Nationen beschreiben. „Die Schweizer liegen mit Werten von 7 bis 10 vergleichsweise weit vorne. Aber am allerglücklichsten sind die Dänen: Ihr Staat ist gut organisiert, friedlich, sehr sozial und reich." Etwas anders sieht es bei den Deutschen aus: Sie gäben zwar im Durchschnitt fast so hohe Zufriedenheitswerte wie die Eidgenossen an. Allerdings seien Ostdeutsche auch heute noch, rund 22 Jahre nach der Wiedervereinigung, unzufriedener als ihre Mitbürger aus den alten Bundesländern.

Warum das so ist, kann Frey noch nicht mit abschließender Gewissheit sagen. Einen Hinweis liefert aber zum Beispiel die Arbeitslosenquote, die im Osten (10,3 Prozent) wesentlich höher als im Westen (6,0 Prozent) ausfällt (Stand: August 2012). „Wer keine befriedigende Arbeit hat", weiß Frey, „der kann auch nicht rundum zufrieden sein." Natürlich ist das nur einer von vielen Faktoren, die das individuelle Glücksgefühl beeinflussen. Ben Bernanke erklärte in seiner August-Rede, man müsse außerdem „das Gefühl haben, zu einer Familie, einer Gruppe und einer breiten Gemeinschaft zu gehören, ein selbst bestimmtes Leben zu führen, optimistisch in die Zukunft zu blicken und fähig sein, sich veränderten Bedingungen anpassen zu können."

Politik als „Glücks-Motor"

Fast ausschließlich Dinge also, die mit der eigenen Persönlichkeit zusammenhängen. Vater Staat kann dennoch als Glücks-Motor dienen, so Frey: „Man kann nur selbst glücklich sein. Aber die Politik kann zumindest die Voraussetzungen für mehr Zufriedenheit schaffen: Indem sie zum Beispiel dafür sorgt, dass es Frieden und Rechtssicherheit gibt, und dafür, dass die Bürger die Möglichkeit haben, einer erfüllenden Beschäftigung nachzugehen, die sich auch finanziell lohnt." Wichtig ist deshalb, dass demokratische Staaten sich darauf besinnen, welches Ziel oberste Priorität hat: die Zufriedenheit des Menschen.

In dieser Hinsicht könnte so manche Regierung noch etwas von Bhutan lernen: Im Himalaya-Königreich wird seit vier Jahrzehnten nicht mehr das Bruttoinlandsprodukt gemessen, sondern das „Bruttosozialglück" der Bürger. Diesen Begriff prägte der damalige König Jigme Singye Wangchuck in den Siebzigerjahren, seit 2008 ist das sogar als Ziel in der Verfassung verankert. Bhutan mag, gemessen an normalen Kennzahlen, noch Entwicklungsland sein: Beim „Human Development Index", einem Wohlstandsindikator der Vereinten Nationen, belegt es nur Platz 141 (zum Vergleich: Deutschland liegt auf Rang 9). Aber wirtschaftliche Entwicklung um jeden Preis überlässt man eben anderen — Bhutan will lieber glücklich werden.

Frey selbst würde in einer Glücks-Befragung übrigens mehr als positiv abschneiden: Er schätzt sein Zufriedenheitslevel derzeit auf 9 bis 10 ein. Und das liegt wohl nicht nur daran, dass er Schweizer ist — sondern auch zu großen Teilen an seinem Job. Wirtschaft hat eben wirklich das Potential, glücklich zu machen: Dafür ist der Ökonom der lebende Beweis.