Wie 9/11 aus einem Putzmann einen Medienhelden machte

Für die einen ist er ein Held, für die anderen ein Geschäftemacher. Fest steht aber, dass die Anschläge vom 11. September 2001 das Leben von William Rodríguez auf ganz eigene Weise verändert haben. 


    
Unzählige Male hat er seine Geschichte schon erzählt. Trotzdem muss William Rodríguez schlucken, als er berichtet, wie er sich vor zehn Jahren unter einem Feuerwehrauto in Sicherheit brachte, während hinter ihm der Nordturm des World Trade Centers (WTC) einstürzte. Er habe entstellte Leichen gesehen, sagt er mit Tränen in den Augen. Aber er habe auch zahlreichen Menschen das Leben retten können. "Dennoch sind zehn Jahre danach die Wunden weiter offen", fügt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa hinzu. 

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Der Puerto-Ricaner Rodríguez arbeitete als Putzmann im WTC. Er gilt als "Last Man Out", als der Letzte, der es lebend verließ. Die Bezeichnung stammt von Medien in den USA, die den etwa 50 Jahre alten Familienvater zum Helden erkoren. Manche halten ihn aber auch für einen Opportunisten, der aus den schlimmsten Terroranschlägen in der Geschichte der USA Kapital schlage. 
    
 Fest steht, dass die Attentate sein Leben gründlich verändert haben. Als Rodríguez in den 1980er Jahren als Immigrant nach New York kam, träumte er von einer Karriere als Zauberer. In seiner Heimat hatte er bereits als Magier gearbeitet. Stattdessen wurde er jedoch Raumpfleger im WTC. Zehn Jahre putzte er die Treppen im Nordturm. Er kannte diesen nicht nur wie seine Westentasche, sondern besaß auch einen der insgesamt fünf Generalschlüssel für das Treppenhaus des 110-stöckigen Gebäudes. 
    
Die anderen vier Schlüssel waren im Besitz der für Notfälle trainierten "Building Manager". "Doch die waren die Ersten, die davonliefen", klagt er. Also sei er derjenige gewesen, der eine Feuerwehr-Einheit durch das Gebäude begleitet habe. Dort ließen sich nur in jedem dritten Stockwerk die Treppenhaus-Türen frei öffnen, für die anderen war der Generalschlüssel notwendig - zahlreiche Menschen seien somit mit seiner Hilfe in Sicherheit gebracht worden. 

9/11-Überlebender: „Es war die Hölle auf Erden”

Rodríguez wurde zum Medienstar und - ohne es sich eigentlich vorgenommen zu haben - zum Sprecher der Überlebenden und Hinterbliebenen der zahlreichen Latinos unter den Opfern. So gründete er schon eine Woche nach den Attentaten die Hispanic Victims Group und setzt sich seither dafür ein, dass diese Hilfen erhalten. Er selbst verlor viele Freunde und Bekannte in den Trümmern. 
    
"Vom Nationalhelden auf Null"
"In gewisser Weise war dieses Engagement meine Therapie und die einzige Weise, mit dem Verlust fertig zu werden", sagt er. "Man muss versuchen, den Schmerz positiv zu nutzen." Lange Zeit engagierte er sich ehrenamtlich und verbrauchte dabei auch seine Ersparnisse - bis er mittellos dastand. "From national hero to zero" ("Vom Nationalhelden auf Null"), schrieben Medien damals. 
    
Heute ist Rodríguez mit einer Journalistin verheiratet und hat zwei kleine Kinder. Nachdem er zeitweise mit einer Politikerkarriere geliebäugelt hatte, lebt er nun davon, dass er weltweit auf Konferenzen über seine Erfahrungen berichtet und Opfer anderer Anschläge, wie denen in Madrid am 11. März 2004, berät. 
    
Dass er dafür Geld nimmt, bringt ihm auch Kritik ein. Doch Rodríguez verteidigt sich: "Fünf Jahre lang habe ich in aller Welt gratis gesprochen. Dann erfuhr ich, dass Rudolph Giuliani - der frühere Bürgermeister New Yorks - 100 000 Dollar für jede Rede kassierte, obwohl er kein einziges Menschenleben gerettet hatte." Drei Viertel der Einnahmen fließen zudem nach seinen Angaben in seine Hilfsorganisation. 

Fotos vom Ground Zero – 2001 und 2011

"Der 11. September 2001 hat mich gelehrt, was wirklich das Wichtigste im Leben ist: An erster Stelle die Familie, an zweiter Stelle die Freunde und an dritter Stelle die soziale Verantwortung. Deine Arbeit und das Geld, das Du verdienst, sind nichts wert", meint Rodríguez, der sich selbst als "Aktivisten" bezeichnet. 
    
Er habe auch gelernt, worauf es ankommt, wenn man im Leben etwas verändern wolle: "Begeisterung, Motivation und Bereitschaft. Wer diese drei Eigenschaften besitzt, kann alles erreichen. Auf den Titel und die politische Einstellung kommt es nicht an."

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dpa