ARD-Märchen-Prinzessin Annika Krüger: "Ich neige dazu, kleine Brötchen zu backen"

"Jede Frau kann eine Prinzessin sein": Die Schauspielerin Annika Krüger hat eine klare Meinung zu Schönheitsidealen in Film und Fernsehen. Im Interview betont sie, wie wichtig es sei, Kindern dieses Thema früh nahezubringen. Das Märchen "Zitterinchen" eigne sich besonders gut. Schließlich weicht Krüger etwas vom gewohnten Prinzessinnen-Ideal ab. (Bild: Jan Stapelfeldt   )

Von der Theaterbühne ans Film-Set: Annika Krüger (30) schlüpft im Märchen "Zitterinchen" (ARD) in ihre erste Hauptrolle. Als Alma, eine unsichere Künstlerin, bricht sie mit den Konventionen, wie eine klassische Prinzessin auszusehen hat. Sie und ihre Rolle scheinen viele Gemeinsamkeiten zu haben.

Seit 2008 verpasst das Erste klassischen Märchenüberlieferungen einen neuen Anstrich: So modernisierten die Verantwortlichen auch die Geschichte "Zitterinchen" (25. Dezember, 14.40 Uhr, ARD), in der zur Abwechslung der gleichnamige Hund in die Hauptrolle schlüpfen darf. An seiner Seite spielt Annika Krüger (30) die auf den ersten Blick etwas verschüchterte und unsichere Alma. Ganz der Kunst und der Malerei verschrieben strebt die etwas kräftigere Brünette danach, mehr aus ihrem bescheidenen Leben in der kleinen Lehmhütte auf dem Land zu machen. Mutige Entscheidungen zu treffen sowie Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu haben, sind zentrale Themen in der Neufassung - ebenso wie vermeintliche Schönheitsideale. Mit Krüger in der Rolle der ambitionierten Alma brechen die Produzenten mit herkömmlichen Leitbildern. Warum das der 30-jährigen Schauspielerin in der heutigen Zeit so wichtig ist, und wofür sie noch einsteht, erzählt sie im Interview.

teleschau: Sie spielten in ihrer ersten märchenhaften Hauptrolle an der Seite von "Zitterinchen", einem Hund. War das eine besondere Herausforderung?

Annika Krüger: Da ich selber einen Hund besitze, war es für mich überhaupt nicht schwer. Ich fand es eher interessant und spannend und es hat super viel Spaß gemacht - liegt vielleicht auch daran, dass mein Hund sogar fast so aussieht wie Resi, die Zitterinchen gespielt hat.

teleschau: Was nehmen Sie sonst noch aus dieser Erfahrung mit?

Annika Krüger: Oh, ganz viel (lacht). All die Menschen um mich herum, die Eindrücke, die vielen 'Ersten Male' - all das war sehr aufregend. Um dadurch beim Spielen nicht gehemmt zu sein, war eine wahnsinnig gute Vorbereitung auf die Rolle besonders wichtig. Es ist eine ganz andere Arbeit als am Theater, und hätte ich nicht so ein Glück mit meinem Team gehabt, wäre das alles zu viel für mich gewesen. Eines wurde mir schnell klar: Eine gewisse Gelassenheit ist das A und O. Es war sehr spannend, gleich in eine Hauptrolle zu schlüpfen.

Annika Krüger (30), eigentlich am Theater zu Hause, spielt das erste Mal eine Filmhauptrolle: Die Unterschiede zwischen TV und der klassischen Bühne scheinen doch gravierender als zunächst angenommen. (Bild: Jan Stapelfeldt )
Annika Krüger (30), eigentlich am Theater zu Hause, spielt das erste Mal eine Filmhauptrolle: Die Unterschiede zwischen TV und der klassischen Bühne scheinen doch gravierender als zunächst angenommen. (Bild: Jan Stapelfeldt )

"In den entscheidenden Momenten des Lebens sind wir aber dann doch mutig"

teleschau: In eine Hauptrolle, eine Märchenfigur, die mit den Konventionen der "typischen Prinzessin, angelehnt an veraltete Schönheitsideale, bricht ...

Annika Krüger: Absolut. Bei diesem Film ist es auch nicht nur "Alma", die nicht diesem klassischen Schönheitsideal der schlanken Prinzessin entspricht, sondern auch Prinz Philip sieht nicht aus wie der klassische Prinz. Natürlich schauen "Zitterinchen" auch viele Erwachsene, Märchen finden aber in erster Linie Kinder total toll. Ich finde es enorm wichtig, die Kleinen schon früh mit diesem Thema zu konfrontieren. Sie sollen mit diesen Werten in Berührung kommen, dass jede Frau eine Prinzessin sein kann, banal ausgedrückt. Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß, dass nur bestimmte Frauen Prinzessinnen sein können. "Zitterinchen" ist ein Beispiel dafür, dass mehr Realität in solche Filme miteinfließen kann.

teleschau: Wofür genau steht "Prinzessin" in Ihren Ausführungen also?

Annika Krüger: Einerseits sollte jeder für sich selbst einstehen und kämpfen können. Das ist Teil der Moral des Märchens. Andererseits kann man auch einfach alles sein, was man sein möchte: Jeder kann alles erreichen, auch wenn er oder sie nicht dem Ideal entspricht.

teleschau: Inwiefern können Sie sich denn mit der Rolle der "Alma" in Zitterinchen identifizieren?

Annika Krüger: Alma und ich haben viele Gemeinsamkeiten. Wir neigen beide oft dazu, kleine Brötchen zu backen, wie man so schön sagt, sich Dinge manchmal nicht zu trauen. In den entscheidenden Momenten des Lebens sind wir aber dann doch mutig und stehen für die Dinge ein, die uns etwas bedeuten.

teleschau: Zum Beispiel?

Annika Krüger: Eine meiner mutigsten Entscheidungen war es auf jeden Fall, Schauspiel zu studieren. Sich auf eine Bühne zu stellen, das wollte ich schon immer! Beim Filmdreh entpuppte sich die Wasserszene als größte Herausforderung für mich. Wir retten "Zitterinchen" aus dem Fluss. Für diese Sequenz mussten wir bei 14 Grad wirklich in den See reinspringen. Ich wusste nicht, wie tief der See ist, ich wusste nicht, wie kalt das Wasser sein würde. Hinzu kam, dass wir nur dieses eine Tape hatten. Es war ja schon ein bisschen Action.

In der modernisierten Neufassung des Märchens "Zitterinchen" schlüpft Annika Krüger (30) in ihre erste Hauptrolle und spielt die etwas unsichere, aber dennoch talentierte Künstlerin Alma. Wie schafft es die Brünette im Film trotz einer List der Baronin (Justin Hauer) neuen Mut zu fassen und sich aus der ein oder anderen prekären Lage zu befreien? (Bild: MDR/HR/RB/KInderfilm GmbH/Anke Neugebauer)

"Es muss kein Weltuntergang sein, auch mal Abstriche zu machen"

teleschau: Ihr Berufsbild ist nicht nur hinsichtlich mancher Szenen mit einem gewissen Risiko behaftet.

Annika Krüger: Absolut, das sieht man gerade durch die Pandemie: So schön der Beruf auch ist, er ist mit enormem Risiko behaftet. Es kann schon mal sein, dass man plötzlich dasteht und nicht weiß, was man machen soll.

teleschau: Nach der Coronakrise folgt sogleich die Energiekrise: Hat es Sie als Privatperson angesichts der herannahenden Einsparungen beeinflusst, als ärmliche Alma in diese einfache, karge Märchenwelt einzutauchen?

Annika Krüger: Ich glaube, nicht besonders. Ich habe privat einen VW-Bus, mit dem ich viel wegfahre. Gerade in Skandinavien darfst du ja überall in der Wildnis stehen. Dadurch kenne ich es, ohne fließend Wasser zu sein und keinen Strom zu haben. Natürlich ist es etwas anderes, sich bewusst dafür zu entscheiden, eine Zeit lang mit Entbehrungen zu leben, oder es zu müssen. Wir haben hier generell aber einen enorm hohen Lebensstandard. Ich hoffe, jeder denkt darüber nach, wie gut es uns allen geht und dass es kein Weltuntergang sein muss, auch mal Abstriche zu machen. Jeder sollte bewusster leben.

Alma (Annika Krüger, rechts) hat sich getraut und tritt die Stelle als Hofmalerin bei Prinz Philip (Aram Arami) an. Jetzt heißt es jedoch Abschied nehmen von ihrer Schwester Christine (Flora Li Thiemann). Ob diese allein zurechtkommt? (Bild: MDR/HR/RB/KInderfilm GmbH/Anke Neugebauer)
Alma (Annika Krüger, rechts) hat sich getraut und tritt die Stelle als Hofmalerin bei Prinz Philip (Aram Arami) an. Jetzt heißt es jedoch Abschied nehmen von ihrer Schwester Christine (Flora Li Thiemann). Ob diese allein zurechtkommt? (Bild: MDR/HR/RB/KInderfilm GmbH/Anke Neugebauer)

"Es ist spannend, dieselbe Emotion durch ein viel kleineres Ventil herauszulassen"

teleschau: Sie sind eigentlich am Theater zu Hause. Mit "Zitterinchen" haben Sie nun Ihren ersten Film gedreht. Was ist für Sie reizvoller? Film und Fernsehen oder doch die klassische Bühne?

Annika Krüger: Ich könnte nicht ohne die klassische Bühne, ohne Theater. Ich liebe es, sechs Wochen etwas zusammen zu entwickeln, gemeinsam Dinge entstehen zu lassen, Figuren und Szenen. Film und Fernsehen ist hingegen eine ganz andere Welt: Man merkt, dass viel mehr Geld dahintersteckt. Anfangs war ich beim Filmdreh leicht überfordert. Es war mir fremd, nicht für alles selbst verantwortlich zu sein. Ich hatte jemanden, der mir eine Jacke gebracht hat, wenn mir kalt war, oder mir meine Requisiten angereicht hat, was für mich nicht selbstverständlich war. Ich musste mich erst mal daran gewöhnen. Wir hatten jedoch nicht so viel Zeit, uns den einzelnen Szenen zu widmen. Das ist für mich ein großer Unterschied zur Bühne, dort hat man meistens alle Zeit der Welt für eine Szene.

teleschau: Zeit ist also Geld?

Annika Krüger: Auf jeden Fall. Ich kann aber natürlich auch nur von diesem einen Dreh sprechen (lacht). Beim Theater kann man gemeinsam gucken, wo die Reise hingeht. Man ist flexibler, kann improvisieren, mehr ausprobieren oder verschiedene Varianten anbieten. Diese krasse Freiheit hast du beim Film einfach nicht. Beim Theater ist im Vorfeld noch nicht klar, was am Ende dabei herauskommt, weil jeder Schauspieler etwas anderes mitbringt. Beim Film ist der Rahmen gesteckt. Ich fülle diesen mit meinem Spiel, und im besten Fall brauche ich nicht so viele Tapes (schmunzelt).

teleschau: Wie unterscheidet sich also Ihr Spiel am Filmset von Ihrer Performance auf der Bühne?

Annika Krüger: Es ist spannend, dieselbe Emotion durch ein viel kleineres Ventil herauszulassen. Es würde vor der Kamera ansonsten total übertrieben wirken. Es macht Spaß, ist jedoch eine große Herausforderung für mich. Dabei hilft es sehr, dass man beim Film anders behandelt wird, mehr Aufmerksamkeit erhält. So kann ich im entscheidenden Moment auch einfach funktionieren. Beim Theater fehlt mir das zwar nicht, es ist aber schön, es mal zu erleben.

Resi tritt in der Neuinszenierung als Zitterinchen auf und sorgt für so manch überraschende Wendung. Im Original handelte es sich um ein sprechendes Hündchen, das eigentlich eine verzauberte Prinzessin ist. Das Autorenduo Anja Kömmerling und Thomas Brinx entstaubt das klassische Märchen. (Bild: MDR/HR/RB/KInderfilm GmbH/Anke Neugebauer)
Resi tritt in der Neuinszenierung als Zitterinchen auf und sorgt für so manch überraschende Wendung. Im Original handelte es sich um ein sprechendes Hündchen, das eigentlich eine verzauberte Prinzessin ist. Das Autorenduo Anja Kömmerling und Thomas Brinx entstaubt das klassische Märchen. (Bild: MDR/HR/RB/KInderfilm GmbH/Anke Neugebauer)

"Natürlich wurden deshalb auch ein paar Tränchen vergossen"

teleschau: Haben Sie also vor, in der Filmbranche Fuß zu fassen?

Annika Krüger: Es wäre natürlich schön, würden mit dem Filmstart auch wieder ein paar Rollenanfragen klappen. Vielleicht öffnet sich zumindest eine weitere Tür. Momentan bin ich am Stadttheater Hildesheim in Niedersachsen. Da spiele ich "Die kleine Hexe" bis zum Jahresende. Danach bin ich auch wieder in Hamburg am Theater. Ich habe also erstmal auf den klassischen Bühnen gut zu tun.

teleschau: Haben Sie "Zitterinchen" denn selbst angeschaut?

Annika Krüger: Beim Filmfestival "Goldener Spatz" habe ich ihn dreimal gesehen, insgesamt bereits viermal. Anfangs habe ich gar nicht so viel mitbekommen, weil ich mit offenem Mund dasaß und gar nicht wusste, was ich sagen soll. Es war total überwältigend. Ich habe mich auch noch nie auf so einer riesen Leinwand gesehen, geschweige denn überhaupt in einem Film. Natürlich wurden deshalb auch ein paar Tränchen vergossen. Es wurde aber von Mal zu Mal besser (lacht). Ich kann ihn mehr und mehr genießen und finde ihn großartig. Nun verschmelzen einzelne Drehtage endlich zu einer ganzen Geschichte.

Das kluge Hündchen Zitterinchen dient als Kurier zwischen Prinz Philip (Aram Arami) und Almas Schwester Christine (Flora Li Thiemann). (Bild: MDR/HR/RB/KInderfilm GmbH/Anke Neugebauer)
Das kluge Hündchen Zitterinchen dient als Kurier zwischen Prinz Philip (Aram Arami) und Almas Schwester Christine (Flora Li Thiemann). (Bild: MDR/HR/RB/KInderfilm GmbH/Anke Neugebauer)