Biden «überrascht» Existenz geheimer Regierungsunterlagen
Mexiko-Stadt/Washington (dpa) - US-Präsident Biden bemüht sich angesichts des Fundes geheimer Dokumente in seinem ehemaligen Privatbüro um Schadensbegrenzung. Er sei «überrascht» gewesen, dass die Dokumente überhaupt in das Büro gebracht worden seien, sagte Biden gestern (Ortszeit) am Rande eines Besuches in Mexiko-Stadt.
Gleichzeitig versprach er «volle Kooperation» bei den Ermittlungen. Er wisse nicht, was in den Unterlagen stehe, erklärte Biden weiter. Der pikante und politisch brisante Fund bringt den Präsidenten in Erklärungsnot.
Papiere zu Ukraine, Iran und Großbritannien
Am Montag war öffentlich geworden, dass Biden geheime Unterlagen aus seiner Zeit als US-Vize unter dem damaligen Präsidenten Barack Obama in seinen privaten Büroräumen im Penn Biden Center in der Hauptstadt Washington aufbewahrt hatte. Biden habe die Räumlichkeiten nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Vizepräsidenten 2017 bis etwa 2020 genutzt, hieß es aus dem Weißen Haus.
Bei den Unterlagen handelt es sich Berichten zufolge um mindestens zehn geheime Dokumente, einige mit höchster Geheimhaltungsstufe. Darunter sind laut CNN etwa Papiere des US-Geheimdienstes zu anderen Ländern, wie der Ukraine, dem Iran oder Großbritannien. Das Weiße Haus teilte weiter mit, die Dokumente seien bereits am 2. November beim Ausräumen von Bidens Büroräumen gefunden worden.
Die politisch brisante Nachricht ereilte Biden während seines ersten Auslandstrips im neuen Jahr. Der US-Präsident war für politische Gespräche mit dem mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador und Kanadas Regierungschef Justin Trudeau nach Mexiko gereist. Am Montag und gestern Vormittag (Ortszeit) schwieg er dort zunächst zu bohrenden Nachfragen nach dem Fund. Erst bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit López Obrador und Trudeau gestern Abend (Ortszeit) erklärte er sich schließlich.
Kiste beim Ausräumen entdeckt
Biden bestätigte, seine Anwälte hätten beim Ausräumen des Büros eine Kiste mit den Unterlagen in einem «abgesperrten Schrank» entdeckt und sofort dem Nationalarchiv übergeben. Warum der Vorfall erst jetzt bekannt wurde, sagte Biden nicht. Er «kooperiere vollends» bei den Ermittlungen und hoffe, dass diese bald beendet seien. Die Leute wüssten, dass er Verschlusssachen sehr ernst nehme, betonte Biden. Seine Anwälte hätten auch vollkommen richtig reagiert, indem sie umgehend das Nationalarchiv informiert hätten.
Der Fund ist für Biden aber politisch äußerst heikel, denn mit einem ähnlich Fall hatte sein Vorgänger Donald Trump im Sommer für einen Skandal gesorgt. Trump hatte bei seinem Auszug aus dem Weißen Haus im großen Stil Regierungsdokumente mit in sein privaten Anwesen Mar-a-Lago in Florida genommen, darunter etliche Dokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe. Die Bundespolizei FBI hatte das Anwesen in Florida im August durchsucht und diverse Verschlusssachen beschlagnahmt. Der von Biden ernannte Justizminister Merrick Garland setzte einen Sonderermittler ein, der klären soll, ob sich Trump eventuell strafbar gemacht hat. In den USA müssen Regierungsdokumente in der Regel archiviert und für die Nachwelt aufgehoben werden.
«Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen»
Viele Republikaner fordern bereits, Gleiches müsse nun auch für Biden gelten. Mehrere Abgeordnete nahmen die Enthüllung zum Anlass, Biden scharf zu kritisieren. «Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen», sagte der republikanische Parlamentarier Don Bacon mit Blick auf die Kritik, die Biden an Trump in einem Interview in September geübt hatte. Biden hatte das Verhalten seines Amtsvorgängers darin als «unverantwortlich» bezeichnet.
Auch der Zeitpunkt des Fundes der Dokumente wirft bei den Republikanern Fragen auf. «Oh wirklich? Die haben das erst jetzt nach all den Jahren gefunden?», zitierte der Sender CNN den frisch gewählten Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy. Ähnlich äußerte sich Parteikollege Byron Donalds: «Warum wurden diese Dokumente erst sechs Jahre später gefunden?»
Die Republikanische Abgeordnete Elise Stefanik erklärte, es sei verstörend, dass die Unterlagen zwar Anfang November entdeckt und übergeben worden seien, das «korrupte» Justizministerium den Fund aber bis jetzt geheim gehalten habe. Laut dem Justizministerium handle es sich dabei aber um ein übliches Vorgehen. Das Ministerium informiere üblicherweise nicht öffentlich über Ermittlungen oder Ermittlungsergebnisse.
Republikanern spielt Vorfall in die Hände
Der Fund ist dennoch Wasser auf die Mühlen der Republikaner, die seit vergangener Woche das Sagen im Repräsentantenhaus haben. Sie hatten schon parlamentarische Untersuchungen zu diversen Themen angekündigt, um das Vorgehen der Biden-Regierung genauer unter die Lupe zu nehmen.
Der Fund der Dokumente in Bidens altem Büro spielt ihnen in die Hände. Gestern forderte der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses im Repräsentantenhaus vom Weißen Haus umfangreiche Informationen zu dem Fall. «Wir wollen wissen, wie die Entscheidung getroffen wurde, Mar-a-Lago zu durchsuchen, während man bei Präsident Biden offenbar nichts unternommen hat», sagte der Republikaner James Comer dem Sender CBS. Es sehe nach einer «Vertuschungsaktion» aus.
Auch Trump ließ Spott und Kritik nicht nehmen. «Wann wird das FBI eine Razzia in den vielen Wohnungen von Joe Biden durchführen, vielleicht sogar im Weißen Haus?», postete Trump auf der von ihm mitgegründeten Social-Media-Plattform «Truth Social». Trump tut die Ermittlungen gegen ihn immer wieder als «politische Hexenjagd» ab.
Lage anders als bei Trump
Anders als nun bei Biden war in Trumps Fall allerdings ein Streit mit dem Nationalarchiv vorausgegangen, das die Unterlagen von Präsidenten verwaltet. Es versuchte monatelang, von Trump Papiere aus dessen Amtszeit zu bekommen. Zwar hatten Trumps Anwälte schließlich Dokumente übergeben. Doch mutmaßten die Beamten, dass Trump oder sein Team weiter Unterlagen zurückhielten, was nicht erlaubt ist.
Im Durchsuchungsbefehl waren damals als mögliche Grundlage für etwaige Beschlagnahmungen drei Straftatbestände aufgeführt: Das Sammeln, Übermitteln oder Verlieren von Verteidigungsinformationen, das Entfernen oder Zerstören offizieller Dokumente sowie das Zerstören oder Verändern von Dokumenten, um Ermittlungen zu behindern.