Die zehn größten Wahllügen aller Zeiten

Natürlich hat auch CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel bei weitem nicht all ihre Versprechen gehalten. (Bild: ddp)
Natürlich hat auch CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel bei weitem nicht all ihre Versprechen gehalten. (Bild: ddp)

In Wahlkampfzeiten müssen Politiker auf den Putz hauen und sich genau überlegen, womit sie auf den letzten Metern noch möglichst viele Wähler mobilisieren können. Wie sie nach der Wahl mit ihren Versprechen umgehen, steht aber auf einem anderen Blatt. Genau das zeigt unsere Top-Ten-Liste der größten Wahllügen.

1. Angela Merkel: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.“

Vielen präsent, weil immer noch ein aktuelles Thema, ist ein Versprechen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, das sie den Wählern 2013 beim TV-Duell mit dem SPD-Kandidaten Peer Steinbrück gab: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben“. Gewollt hat sie die Maut tatsächlich nicht, aber wie wir heute wissen, hat sie sie auch nicht verhindert.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Maut war seit Jahren ein oft bemühtes Thema der Schwesterpartei CSU – und die bestand auf deren Einführung, nachdem sie Angela Merkel mit 49,3 Prozent der Zweitstimmen in Bayern die Kanzlerschaft gesichert hatte. Kritiker bezeichnen die Maut, die wahrscheinlich mehr Geld verschlingen als einbringen wird, als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für den Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der auch im Abgas-Skandal keine gute Figur macht. Und der, wie gerade erst bekannt wurde, offensichtlich auch die Maut nicht im Griff hat.

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Denn schon jetzt, wo die Maut nur Lkw betrifft, sind dem Bund Gelder in zweistelliger Millionenhöhe entgangen, weil das Abrechnungssystem nicht zwischen kleinen und großen LKW unterscheiden kann. Das Geld eingesackt haben private Autobahnbetreiber – und zurückzahlen wollen die bestimmt nichts. Fortsetzung folgt…

2. SPD schließt eine höhere Mehrwertsteuer aus

2005 setzte SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder im Wahlkampf vor allem auf ein Thema, mit dem er die CDU unter Angela Merkel kritisierte: Die SPD klebte Plakate gegen die „Merkelsteuer“, womit die Pläne der CDU/CSU gemeint waren, die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte zu erhöhen. Unsozial, meinte Schröder, dessen Finanzminister Hans Eichel genau analysiert hatte, wen die Erhöhung am meisten treffen würde: Rentner und Studenten.

SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder im Jahr 2005 beim TV-Duell mit Angela Merkel. (Bild: ddp)
SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder im Jahr 2005 beim TV-Duell mit Angela Merkel. (Bild: ddp)

Im TV-Duell mit Angela Merkel sagte er deshalb: “Ich schließe eine Erhöhung für die gesamte nächste Legislaturperiode aus.” Gut, er hat die Wahl verloren. Aber die Sozialdemokraten brauchten nicht lange, um zu entdecken, dass die Mehrwertsteuer ein ziemlich guter Ansatzpunkt ist, um das Stopfen des Haushaltslochs anzugehen. Und so gipfelte die Kehrtwende in Franz Münteferings denkwürdiger Aussage, es sei „unfair“, dass die Regierung „an dem gemessen wird, was in Wahlkämpfen gesagt worden ist“.

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In der Großen Koalition wurde dann eine Erhöhung von nicht nur zwei, sondern gleich drei Prozent beschlossen.

3. Die Grünen wollen raus aus Stuttgart 21

2010 gab es in Deutschlands Politiklandschaft wohl kein größeres Streitthema als Stuttgart 21. Der Bau des unterirdischen Durchgangsbahnhofs wurde von zahlreichen Protesten begleitet, die in der gewaltsamen Räumung des Stuttgarter Schlossgartens gipfelten. Das Bild des Ingenieurs Dietrich Wagner, der von einem Wasserwerfer getroffen aus den Augen blutet, wird wohl für immer mit dem umstrittenen Großprojekt assoziiert werden.

Die Grünen versprachen den Abschied von Stuttgart 21 – wälzte die Entscheidung aber dann auf die Wähler ab. (Bild: ddp)
Die Grünen versprachen den Abschied von Stuttgart 21 – wälzte die Entscheidung aber dann auf die Wähler ab. (Bild: ddp)

Auf der Seite der Demonstranten fanden sich auch die Grünen, die das Projekt verhindern wollten und als Anti-Stuttgart-21-Partei als Sieger aus den Landtagswahlen von 2011 hervorgingen. Im Koalitionsvertrag mit der SPD vereinbarten die Grünen dann aber eine Volksabstimmung über das 6,5 Milliarde-Euro-Projekt durchzuführen – und die Wähler sprachen sich für den neuen Tiefbahnhof aus.

4. Die SPD wird nicht mit der Linken zusammenarbeiten

Vor der Landtagswahl 2008 hatte die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti in Hessen verkündet, auf keinen Fall ein wie auch immer geartetes Bündnis mit den Linken einzugehen. Sie sagte sogar: „Wir lassen uns von denen nicht mal tolerieren! Auch nach dem Wahlabend nicht, garantiert! Ihr Ziel: Den CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch zu stürzen und selbst Ministerpräsidentin zu werden.

Dass Andrea Ypsilanti ihr Wahlversprechen, nicht mit den Linken zu regieren, brechen wollte, kostete sie letztendlich den Job. (Bild: ddp)
Dass Andrea Ypsilanti ihr Wahlversprechen, nicht mit den Linken zu regieren, brechen wollte, kostete sie letztendlich den Job. (Bild: ddp)

Als sie bei der Wahl aber keine eigene Mehrheit bekam, schwenkte sie um und wollte eine rot-grüne Minderheitsregierung mit linker Tolerierung. Doof nur, dass da weder die Grünen noch die SPD-Abgeordneten mitmachen wollten. Das Ergebnis waren Neuwahlen ohne die zurückgetretene Ypsilanti als Spitzenkandidatin.

5. Die Grünen ziehen nicht in den Krieg

Seit ihrer Gründung galten die Grünen als „Friedenspartei“. Punkt. Geändert hat sich das mit dem Beginn des Kosovokriegs 1999. Der erste Krieg, an dem sich die Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligte – ohne UN-Mandat und nach monatelangen, ergebnislosen Verhandlungen mit dem Milošević-Regime, das die kosovoalbanische Bevölkerung unterdrückte und ermordete.

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Eine Zäsur in der deutschen Außenpolitik wie in der der Grünen – denn die waren zu der Zeit mit der SPD an der Macht und trugen die Entscheidung mit. Partei-Chef Joschka Fischer bekam auf dem Parteitag einen Farbbeutel aufs Ohr und hat es sich in dieser Zeit mit einigen eingefleischten Grünen für immer verdorben. Auf der anderen Seite hat er sich damit aber auch Respekt verschafft und bewiesen, dass die Grünen durchaus zur Regierungsarbeit fähig sind.

6. Schröder und die Arbeitslosen

„Wenn wir es nicht schaffen, die Arbeitslosigkeit signifikant zu senken, dann haben wir es nicht verdient, wiedergewählt zu werden”, hatte Gerhard Schröder am 21. September 1998 verkündet. Unter 3,5 Prozent solle die Arbeitslosenquote bis 2002 liegen, seinem Kontrahenten Helmut Kohl warf der Herausforderer damals vor: “Sie sind der Kanzler der Arbeitslosigkeit.” Dabei waren 1998 um die vier Millionen Menschen in Deutschland ohne Arbeit, eine Quote von 10,2 Prozent.

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Als Schröder die Wahl dann gewann, konnte er sein zentrales Wahlversprechen nicht annähernd einlösen – was ihn natürlich nicht daran hinderte, bei der nächsten Wahl wieder zu kandidieren. Kurz bevor Schröder 2005 von Angela Merkel abgelöst wurde, lag die Arbeitslosenquote mit 11,3 Prozent und 4,7 Millionen sogar über der von 1998.

7. Kohls blühende Landschaften

1990 kündigte der Kanzler der Deutschen Einheit an, die neuen Bundesländer würden schon „bald in blühende Landschaften verwandelt“ werden. Und das mit Geldern „aus der Portokasse“, wie er noch nachlegte. Geklappt hat das so mittel, weshalb Helmut Kohl dann den Solidaritätszuschlag einführte.

Sein Versprechen, die neuen Bundesländer würden sich bald „in blühende Landschaften verwandelt“, konnte Helmut Kohl nicht halten. (Bild: ddp)
Sein Versprechen, die neuen Bundesländer würden sich bald „in blühende Landschaften verwandelt“, konnte Helmut Kohl nicht halten. (Bild: ddp)

Dazu sagte er 1996: „Der Solidaritätszuschlag ist bis Ende 1999 endgültig weg.“ Tatsächlich gibt es den Soli bis heute. Laut Finanzminister Wolfgang Schäuble soll er erst 2030 verschwinden und ab 2020 in elf gleichen Jahresschritten abgebaut werden. Von „Blühenden Landschaften“ ist im Ostern übrigens auch nicht viel zu sehen. In manchen Gebieten, vor allem auf dem Land, gibt es fast nur noch alte Menschen, Infrastruktur wie Kindergärten oder Ärzte fehlen an vielen Ecken.

8. Die Rente ist sicher

1988 plakatierte der damalige Sozialminister der CDU eigenhändig den Spruch, der in puncto gebrochener Wahlversprechen zum Inbegriff geworden ist: „Eins ist sicher: die Rente.“ Wenige Themen sorgen gerade bei jungen Leuten für mehr Angst als der Gedanke an das eigene Alter. Dass das, was sie dann allein vom Staat bekommen, reicht, glaubt fast niemand mehr. Denn die Gesellschaft wird älter und älter und es kommen weniger Junge nach. Übrigens hatte auch schon Bundeskanzler Konrad Adenauer die Rente als Wahlkampfthema auf dem Schirm. 1957 schaffte er den Durchbruch mit der Ankündigung einer Rentenerhöhung, was ihm viele Stimmen unter den älteren Semestern einbrachte. Nach der Wahl war von der sogenannten „dynamischen Leistungsrente“ aber keine Rede mehr.

9. Der doppelte FDP-Verrat

Vier Jahre später spielte Konrad Adenauer nicht nur bei der CDU eine Rolle, sondern auch bei der FDP. Deren Wahlspruch nämlich war 1961: „Mit der CDU, aber ohne Adenauer!“ Was die Liberalen nicht daran hinderte, nach der Wahl trotzdem wieder mit der CDU zu koalieren – unter Konrad Adenauer. 1969 ging die FDP dann ein Bündnis mit der SPD ein, mit der sie das Land 13 Jahre regierte. Erst unter Willy Brandt, dann unter Helmut Schmidt.

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Den Koalitionspartner verriet sie 1982, indem sie ihn in Zusammenarbeit mit der Union per Misstrauensvotum stürzte. Fortan war sie 16 Jahre mit der Kohl-Regierung an der Macht. Seitdem hat sie den Ruf einer „Umfaller-Partei“ weg.

10. Guido Westerwelle versprach eine Steuerreform

Im Sommer 2009 brachte FDP-Chef Guido Westerwelle unzählige Male zum Ausdruck, welche Bedingung erfüllt sein müsse, damit seine Partei mit der CDU/CSU koaliert: eine umfassende Steuerreform, mit der die Bürger deutlich entlastet würden. 14,6 Prozent holte die FDP mit diesem Versprechen, ein Rekordhoch! Eine bedeutsame Steuerreform kam danach aber nicht. Vier Jahre später hatte die FDP zwei Drittel ihrer Wähler verloren und scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde.

Sehen Sie im Video: Blumio mit kritischen Fragen zum Wahlkampf