Digitalpakt 2.0 - Bildungs-Profi: Digital-Flop an Schulen wird nicht durch Geld und Geräte gelöst

Digitalisierung mit Sinn – Der Weg zu einem durchdachten Digitalpakt 2.0 für deutsche Schulen<span class="copyright">Getty Images/Johner RF</span>
Digitalisierung mit Sinn – Der Weg zu einem durchdachten Digitalpakt 2.0 für deutsche SchulenGetty Images/Johner RF

Der Digitalpakt Schule 1.0 ist ausgelaufen. Wie genau ein neues Förderprogramm aussehen wird, ist noch unklar. Spätestens jetzt müsse dringend über die Inhalte des Digitalpakts 2.0 gesprochen werden – um sicherzustellen, dass die angestrebten Ziele erreicht werden, sagt Prof. Peter Liggesmeyer.

Erst wenige Wochen ist es her, dass der Digitalpakt Schule 1.0 ausgelaufen ist. Seit 2019 stellt das Förderprogramm zwischen Bund und Ländern Geld für die Digitalisierung der Schulen bereit. Konkret ging es dabei um die Ausstattung der Schulen mit der notwendigen IT-Infrastruktur und Hardware in Form von Tablets und Computern. Der Pakt war insgesamt 6,5 Milliarden Euro schwer. 90 Prozent des Geldes wurden vom Bund finanziert, zehn Prozent haben die Länder beigesteuert.

Dem Bundesministerium für Bildung und Forschung zufolge wurden zum Ende des Paktes mehr als 90 Prozent des Fördergeldes von den Schulen abgerufen – also bereits verplant oder schon ausgegeben. Laut einer stichprobenartigen Umfrage der ARD ist das meiste Geld dabei in die Anschaffung digitaler Geräte geflossen. Das ist meiner Meinung nach ziemlich bedauerlich. Denn: Geld in die Beschaffung von Endgeräten zu investieren, ohne dass ein gutes Konzept zu deren Einbindung in Lehrkonzepte existiert, war sinnlos.

Kommen wir also zu der Frage, wie es ein neuer Digitalpakt jetzt besser machen könnte. Dass es nämlich ein weiteres Förderprogramm geben soll und muss, darin sind sich Bund und Länder einig. Worüber seit Wochen und Monaten jedoch intensiv debattiert wird, ist neben der Finanzierung die inhaltliche Ausgestaltung des Digitalpakts 2.0. Für mich steht an dieser Stelle fest: Wir brauchen dringend eine grundsätzlich neue Sichtweise darauf, welchen Sinn und Zweck die Digitalisierung unserer Schulen erfüllen soll.

IT-Infrastruktur und Hardware

Ich möchte das an drei Kernaspekten deutlich machen. Punkt 1 ist das Thema IT-Infrastruktur und Hardware. Eine gute Anbindung an das Internet gehört ohne Zweifel zur notwendigen Grundinstallation an Schulen. Wünschenswert ist die Anbindung über Glasfaser. Analog zu FTTH (Fiber To The Home) könnte man hier von FTTS (Fiber To The School) reden. Fördermittel sind an dieser Stelle sicherlich gut investiert.

Was wir jedoch nicht brauchen, ist die weitere Beschaffung von Endgeräten für flächendeckende Klassensätze. Das ist meistens schlichtweg rausgeworfenes Geld. Viele Schülerinnen und Schüler besitzen schließlich ohnehin schon ein eigenes Endgerät – von der Tatsache einmal abgesehen, dass die Hardware schnell veraltet und daher in relativ kurzen Zeitabständen erneuert werden müsste. Hier müssen Lösungen gefunden werden, um diejenigen zu unterstützen, die kein passendes eigenes Endgerät besitzen.

Neugestaltung der Lehrkonzepte unter zielgerichteter Einbeziehung digitaler Mittel

Hier ist die Frage zu klären, wie wir unsere Lehrkonzepte künftig gestalten möchten. Digitalisierung kann meiner Meinung zur Qualität von Lehre beitragen; das ist aber nicht per se der Fall. Denn nicht jedes Schulfach und nicht jeder Lehrinhalt eignet sich in gleicher Weise für den Einsatz digitaler Lehrmethoden. Ich plädiere hier für ein kritisches Hinterfragen: Was genau soll jeweils mit Hilfe der Digitalisierung in einem Schulfach bewirkt werden? Und handelt es sich dabei tatsächlich um eine Verbesserung im Gegensatz zu anderen Lehrmethoden?

Nur, weil ein Arbeitsblatt plötzlich digital am Tablet von den Schülerinnen und Schülern bearbeitet werden kann, macht es den Lehrinhalt schließlich nicht automatisch besser. Digitalisierung sollte das Erreichen der Lernziele unterstützen und nicht unreflektierter Selbstzweck sein.

Vermittlung digitaler Kompetenz

Mein dritter Punkt dreht sich um die Vermittlung digitaler Kompetenz. Das schließt natürlich die digitale Kompetenz der Lehrkräfte ein, die in die Lage versetzt werden müssen, sinnvolle digitale Lehrkonzepte zu entwickeln. Oft ist beispielsweise eine Verknüpfung analoger und digitaler Lehrinhalte die beste Lösung. Dieses sogenannte Blended Learning ist bei Weitem aber noch nicht flächendeckend verbreitet und sollte daher dringend fokussiert werden.

Das Thema greift darüber hinaus aber wesentlich weiter, denn wir müssen uns die Frage stellen, wie wir Schülerinnen und Schüler dazu befähigen wollen, in einer vom technologischen Fortschritt immer geprägteren Welt Schritt zu halten. Der Fachkräftemangel in sogenannten MINT-Berufen ist weiterhin gravierend. Dem MINT-Herbstreport des Instituts der deutschen Wirtschaft IW zufolge fehlen derzeit über 285.000 Arbeitskräfte in diesem Bereich.

Das darf nicht länger so bleiben. Stattdessen müssen wir schon unseren Jüngsten in den Schulen frühzeitig Informatik-Kenntnisse vermitteln. Informatik sollte für Schülerinnen und Schüler eine ebenso selbstverständliche Kulturtechnik sein wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Dafür brauchen wir Informatik endlich als Schulfach. Ziel sollte es etwa sein, grundlegende Fähigkeiten des Programmierens sowie unterschiedliche Funktionsweisen von Algorithmen zu vermitteln. Selbst bei diesem Schulfach ist nicht automatisch gesagt, dass alle Lehrinhalte digital vermittelt werden müssen. Im Gegenteil – viele Informatik-Kenntnisse lassen sich auch wunderbar analog erklären, denn Informatik ist sehr viel mehr, als die Fähigkeit irgendwelche Softwaresysteme benutzen zu können.

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Digitalisierung ist kein Selbstzweck

Der Digitalpakt 2.0 darf nicht dazu verwendet werden, die Digitalisierung rein um der Digitalisierung willen voranzutreiben. Ich wünsche mir vielmehr ein Förderprogramm, das es sich zum Ziel setzt, unsere Schülerinnen und Schüler zu Menschen mit einer kritischen Geisteshaltung in einer digitaler werdenden Welt zu erziehen. Um sich darin zurecht zu finden, braucht es Wissen. Mit sinnvollen digitalen Lehrkonzepten, die auch die Digitalisierung selbst einbeziehen, wären wir hier schon auf einem ziemlich guten Weg.