In renommierter Wirtschaftszeitung - Griechen-Kommentator wütet: „Deutschland rutscht auf Niveau der Dritten Welt ab“

Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 bei einem Besuch in Athen mit Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis.<span class="copyright">IMAGO/Pacific Press Agency</span>
Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 bei einem Besuch in Athen mit Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis.IMAGO/Pacific Press Agency

In Griechenland sorgt ein heftiger Deutschland-Kommentar für Schlagzeilen: Der Journalist und frühere Baerbock-Fan Michalis Psylos sieht die deutsche Wirtschaft auf dem Weg zum „Niveau der Dritten Welt“. Auch ein geplatzter deutsch-griechischer E-Auto-Deal sorgt für Spott und Häme.

Anfang September, zu Saisonbeginn des neuen griechischen politischen Jahres, wird Deutschland als Ehrengast bei der 88. Internationalen Messe von Thessaloniki geehrt. Mit der Ehrung sollen die deutsch-griechischen Wirtschaftsbeziehungen auf ein neues Niveau angehoben werden.

Kurz vor der griechischen Sommerpause hagelt es jedoch Kritik an der in Zweifel gezogenen deutschen Wirtschaftsleistung. Der Kolumnist der traditionsreichen griechischen Wirtschaftszeitung „Naftemporiki“ Michalis Psylos lässt kein gutes Haar an der Wirtschaftspolitik der Ampel. Er diagnostiziert:

„Die deutsche Wirtschaft rutscht auf das Niveau der Dritten Welt ab und die glücklose politische Führung hat keine Ahnung, wie sie diese düstere Entwicklung umkehren kann. Sie reißt damit die übrige Eurozone mit in den Abgrund.“

Griechischer Journalist rechnet mit deutscher Autoindustrie ab: „Steckt im Dieselzeitalter fest“

Psylos wirft der deutschen Politik zwei fatale Fehler vor. Zunächst die Binsenweisheit, sie habe das komplette Wirtschafsmodell auf billiges russisches Erdgas aufgebaut und stecke nun wegen der energieintensiven Großindustrien förmlich in der Falle. Demnach habe man die Kernkraftwerke „aus einer Laune heraus“ abgeschaltet, auf Fracking im eigenen Land trotz genügend Schiefergestein verzichtet, sowie die Wind- und Solarenergienutzung nicht schnell genug ausgebaut.

Somit „sah sich die deutsche Industrie mit den höchsten Energiekosten der Welt konfrontiert, was ihre Wettbewerbsfähigkeit zerstörte“, kommentiert Psylos mit drastischen Worten.

Das Land der einst mächtigen deutschen Automobilhersteller stecke überdies im Dieselzeitalter fest, konstatiert der griechische Kommentator weiter. Die deutsche Autoindustrie habe Milliarden bei der Entwicklung elektrischer Alternativen verloren, nur um dann einen Umsatzrückgang zu erleben und hilflos zuzusehen, „wie die Chinesen in den europäischen Markt eindringen“.

2021 war der Grieche noch Grünen- und Baerbock-Fan

Psylos diente von 2015 bis 2019 als Chef der staatlichen Nachrichtenagentur Athens News Agency / Macedonian News Agency einer Regierung, an der Sozialdemokratisch-Linke, Grüne und die Rechtspopulisten der „Unabhängigen Griechen“ beteiligt waren. Die Verteidigung grüner Politik und sozialdemokratischer Wirtschaftsphilosophien gehörte damals zu seinem Handwerk.

Auch später blieb er zunächst Fan der Grünen. Vier Monate vor der deutschen Bundestagswahl von 2021 setze er seine Hoffnungen auf die Grünen und deren Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Er schwärmte in seinen Artikeln von einem Team von Experten, welches die Kanzlerkandidatin flankieren würde. Baerbock wurde als Hoffnungsträgerin für Deutschland und die deutsch-griechischen Beziehungen präsentiert.

Heute lässt er kein gutes Haar mehr an der rot-grünen Politik in Deutschland. In einem Kommentar zu den Europawahlen bemerkt er, dass die Wähler „der Regierung Scholz den Totenschein ausgestellt“ hätten. Auch bei seiner Wirtschaftskritik wählt Psylos makabre Vergleiche: Die SPD sei in den Gewerkschaften der Schwerindustrie tot, meint er. Verärgerte Wähler würden in die Arme der AfD getrieben, fürchtet Psylos.

Next.e.GO Mobile SE : Geplatzter deutsch-griechischer E-Auto-Traum

Mit seiner Kritik an Deutschland ist der krawallige Kommentator nicht allein. Schuld am schlechten Image Deutschlands in Griechenland hat auch eine Unternehmenspleite, bei der weniger die deutsche, vielmehr die griechische Regierung eine große Rolle spielt. Jedoch wird deshalb an der sprichwörtlichen deutschen Zuverlässigkeit gezweifelt.

Mitten im Corona-Jahr im Dezember 2020 jubelte der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis, dass die Next.e.GO Mobile SE aus Aachen ab 2023 in Griechenland bis zu 30.000 kleine E-Autos bauen würde. Bis zu 5000 Arbeitsplätze sollte das Investment in dreistelliger Millionenhöhe schaffen, was Mitsotakis als persönlichen Erfolg verbuchen wollte.

Noch 2022 wurde in Hellas in den Medien mit „Exklusivinformationen“ spekuliert, in welcher Stadt das Werk errichtet würde. Die Aachener Autohersteller hatten zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen, im nordmazedonischen Tetovo die Griechenland versprochene Fabrik zu errichten.

Schließlich gab es mit der endgültigen Pleite der Möchtegern-Autohersteller aus der Kaiserstadt die Schlagzeile: „Als Fiasko für die Regierung Mitsotakis erwies sich eine weitere ‚Erfolgsgeschichte‘, weil das Unternehmen Next.e.GO, das in Griechenland investieren sollte, die Kanone der Pleite abfeuerte.“

Die mit zweistelligen Millionen geförderte Next.e.GO hat zum Zeitpunkt des Abbaus ihrer Fabrikanlagen in diesen Tagen knapp mehr als 1000 Autos gebaut. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird bis Mitte Juli versteigert und abverkauft.

Griechen-Populist spottet über deutsche E-Auto-Pleite und EU-Fördergelder

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Nach der deutschen E-Auto-Pleite meinte der SYRIZA-Politiker Pavlos Polakis, er müsse die Deutschen als Bittsteller für Fördergelder bloßstellen. Der wortgewaltige Populist warf der griechischen Regierung vor, sie würde zulassen, dass zwei in Griechenland tätige Autovermietungen 350 Millionen Euro aus dem EU-Regionalförderungsfonds für Griechenland erhalten würden.

Diese Gelder seien für den Kauf von E-Autos, somit für die Stärkung der notleidenden deutschen Industrie und nicht für Griechenland bestimmt, ließ Polakis das Parlamentsplenum und über TikTok auch seine Fans wissen. Er genoss es sichtlich, „den Deutschen“ mit seinem Revanchefoul jene Vorwürfe zu machen, mit denen er selbst in der Zeit nach der Staatspleite konfrontiert worden war.

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