Neues Erdbeben der Stärke 4,9 erschüttert Afghanistan

Nach schweren Erdbeben am Samstag hat ein weiteres Beben der Stärke 4,9 den Nordwesten Afghanistans erschüttert. Das Epizentrum habe 33 Kilometer nordwestlich der Provinzhauptstadt Herat gelegen, teilte die US-Erdbebenwarte USGS am Montag mit.

Afghanische Männer suchen nach dem Erdbeben in der Provinz Herat im Westen Afghanistans nach Opfern. (Bild: Benyamin Barez/AP/dpa)
Afghanische Männer suchen nach dem Erdbeben in der Provinz Herat im Westen Afghanistans nach Opfern. (Bild: Benyamin Barez/AP/dpa)

Ein Arzt in der Notaufnahme der Provinz Herat sagte der Deutschen Presse-Agentur, es seien zunächst keine Verletzten gemeldet worden, das neue Beben sei aber "ziemlich intensiv" gewesen. "Die Menschen haben in Eile ihre Häuser verlassen und Schutz in Parks, Freiflächen und Gärten gesucht", sagte er. Die Menschen stünden unter Schock und die psychische Belastung sei hoch. Viele hätten die Nacht ohnehin schon im Freien verbracht.

Lokalisation des Erdbebens in Afghanistan. (Redaktion: A. Brühl, Grafik: S. Stein)
Lokalisation des Erdbebens in Afghanistan. (Redaktion: A. Brühl, Grafik: S. Stein)

Eines der schwersten Erdbeben seit Jahrzehnten am Wochenende

Bereits am Samstagmorgen seien zahlreiche Dörfer nordwestlich der Provinzhauptstadt Herat Häuser durch Beben dem Erdboden gleichgemacht worden, sagten Augenzeugen. Das Ministerium für Katastrophenhilfe bezifferte die Zahl der Toten am Sonntag auf mehr als 2400, weitere 2000 seien verletzt worden. Die Zahlen konnten zunächst nicht unabhängig verifiziert werden. Es wäre eines der schwersten Erdbeben seit Jahrzehnten in Afghanistan.

Das UN-Nothilfebüro OCHA nannte am Sonntagabend mehr als 1000 Tote, man gehe aber davon aus, dass die Zahl der Opfer steige, wenn abgelegene Regionen erreicht werden. Mehr als 11.000 Menschen seien von dem Erdbeben betroffen. Die Vereinten Nationen gaben am Sonntag fünf Millionen Dollar (4,7 Mio Euro) Soforthilfe frei und kündigten nach der Abschätzung des Bedarfs einen baldigen Spendenaufruf an.

Erde bebte neun Mal innerhalb weniger Stunden

Am Samstagmorgen hatten mehrere Erdbeben Bewohner der afghanischen Grenzprovinz nahe dem Iran aufgeschreckt. Innerhalb von nur wenigen Stunden bebte die Erde neun Mal, mehr als ein Dutzend Dörfer wurden weitgehend zerstört. Am stärksten betroffen war der Bezirk Sindadschan, nordwestlich von Herat. Militär und Rettungsdienste eilten in die Katastrophengebiete. Die beiden schwersten Beben hatten laut der US-Erdbebenwarte USGS eine Stärke von 6,3.

Die Europäische Union (EU) versicherte der betroffenen Bevölkerung Afghanistans ihre volle Solidarität, wie EU-Chefdiplomat Josep Borrell beim Kurznachrichtendienst X (früher Twitter) schrieb. "EU-Teams haben das Katastrophengebiet bereits erreicht, um zu helfen", teilte er mit, ohne Details zu nennen.

(deutsch: Ein Erdbeben der Stärke 6,3 erschütterte West #Afghanistan und forderte viele Todesopfer. Die EU steht in voller Solidarität mit der von diesem schrecklichen Ereignis betroffenen Bevölkerung Afghanistans. EU-Teams haben das Katastrophengebiet bereits erreicht, um zu helfen.)

Selbst 300 Kilometer entfernt im Nachbarland Iran wackelten am Samstag Wände und Deckenleuchten, wie Bewohner der Millionenmetropole Maschhad erzählten. Auch dort setzten die Behörden Rettungsdienste in Alarmbereitschaft und schickten Teams an die Grenze, um mögliche Schäden zu untersuchen.

Land ist international politisch isoliert

Die Beben wecken Erinnerungen an die verheerende Katastrophe im Sommer vergangenen Jahres, als im Osten des Landes bei einem Erdbeben der Stärke 5,9 mehr als 1000 Menschen in den Tod gerissen wurden. Nach Jahrzehnten voller Konflikte sind viele Dörfer mit einfacher Bauweise schlecht gegen Erdbeben gerüstet.

Seit mehr als zwei Jahren sind in Afghanistan die Taliban wieder an der Macht. Das Land ist wegen seiner repressiven Politik, die vor allem Frauen und Mädchen diskriminiert, international politisch isoliert. Auch das ist ein Grund, warum Rettungsarbeiten schwer vorankommen. Immer wieder ereignen sich schwere Erdbeben in der Region, besonders am Hindukusch, wo die Indische und die Eurasische Platte aufeinandertreffen.

Im Video: Retter sprechen von unerträglicher Lage nach Erdbeben in Afghanistan