Olympia 2022: Freestyle in Industriegebiet - Wettkampfstätte spaltet Gemüter

Olympische Winterspiele finden oftmals mitten in der Natur statt. Schnee, Berge oder Wälder sind Teil vieler Wettkämpfe. Bei den aktuellen Spielen in Peking ist dem nicht so - Dort werden einige Disziplinen in einem Industriegebiet ausgetragen.

Die Wettkampfstätte Big Air Shougang liegt auf dem Gelände einer ehemaligen Stahlhütte. (Bild: Mickael Chavet/ZUMA Press Wire/ddp)
Die Wettkampfstätte Big Air Shougang liegt auf dem Gelände einer ehemaligen Stahlhütte. (Bild: Mickael Chavet/ZUMA Press Wire/ddp)

Höher, schneller, weiter – kurioser. Ja, so manches ist anders bei den diesjährigen olympischen Winterspielen. Ausgerechnet Schnee beispielsweise ist in Peking eine Mangelware, Ski-Disziplinen finden auf Kunstschnee statt. Oder: In Shijingshan, einem Stadtbezirk der chinesischen Hauptstadt, werden die Wettkämpfe vor einer Kulisse ausgetragen, die nichts, aber auch gar nichts mit Natur zu tun hat. Dort sind im Hintergrund nicht etwa verschneite Berghänge und dichte Wälder zu sehen, sondern Bauwerke in einem Industriegebiet, darunter Kühltürme einer ehemaligen Stahlhütte.

Die vier Türme überragen selbst das Zentrum der Wettkampfstätte Big Air Shougang, die unweit erbaute, 60 Meter hohe und 164 Meter lange Sprungschanze. Das kuriosen Ensemble findet sich auf dem ehemaligen Gelände des Stahlproduzenten Shougang Group. Das Werk wurde vor den Sommerspielen 2008 in Peking geschlossen, aus Sorge über die Luftverschmutzung. Heute mag die Luft auch in Shijingshan sauberer sein, mit einer anderen Kehrseite müssen Sportler und Zuschauer dennoch Vorlieb nehmen. Die Umgebung ist alles andere als idyllisch, hier grenzt vielmehr Grau an Grau. Immerhin: Neben Türmen und Schanze liegt ein kleiner See, der Kunming-See. Wenigstens etwas Natur gibt es rund um die Big-Air-Schanze.

Geteilte Meinungen über die graue Kulisse der Wettkämpfe

Es ist kein Berg, vor dem der kanadische Freestyle-Skier Evan McEachran springt, sondern ein Kühlturm in einem Industriegebiet. (Bild: ddp/Mario Hommes/DeFodi Images)
Es ist kein Berg, vor dem der kanadische Freestyle-Skier Evan McEachran springt, sondern ein Kühlturm in einem Industriegebiet. (Bild: ddp/Mario Hommes/DeFodi Images)

Dass einige Wettkämpfe in einem Industriegebiet stattfinden, soll kein Geheimnis sein. Es ist anders als mit dem Naturschnee, dessen Fehlen die Veranstalter durch aufwändige Kunstschnee-Aufschüttungen ausblenden wollen. In Shijingshan soll die ungewöhnliche Kulisse integrativer – und sichtbarer – Teil der Sportveranstaltungen sein. Der Kontrast, das Ungewöhnliche, das Kuriose gehört zum Konzept. "Die Idee, einen dynamischen Sport mit der industriellen Herkunft zu verbinden, hat das IOC mit seiner Vision der Nachhaltigkeit überzeugt", sagte Liu Yumin, Planungs- und Bau-Chef der Peking-Spiele.

Die Behauptung von der visionären Nachhaltigkeit der Spiele lassen wir so stehen – auch wenn sie mehr als anfechtbar ist; Zitat Geowissenschaftlerin Carmen de Jong: "Das sind die unnnachhaltigsten Spiele aller Zeiten". Was aber ist von der "Verbindung" von Sport und Industrie zu halten? Die Meinungen der Zuschauer gehen hierzu weit auseinander. "Ganz ehrlich, was machen wir hier überhaupt", fragt ein Nutzer auf Twitter. Ein anderer ist der Ansicht: "Die waren wirklich so dumm das auf dem ehemaligen Gelände einer Stahlhütte zu bauen." In einem dritten Kommentar heißt es: "Die Kulisse sieht doof aus, aber für Big Air nicht ungewöhnlich. Siehe bspw. San Francisco, Québec, Gladbach, Thessaloniki. Wo war da die Empörung?"

Die Sportler*innen sind hingegen größtenteils begeistert

Empörung? Davon ist aufseiten der Sportler*innen nicht viel zu hören. Im Gegenteil, viele Athlet*innen sind begeistert von der ungewöhnlichen Sportstätte. "Ich habe noch nie etwas Größeres und Cooleres gesehen", sagte Freestyle-Skifahrerin Aliah Delia Eichinger. "Gar nicht schlimm", sondern "cool" findet die Anlage auch die Snowboarderin Annika Morgan. Nick Goepper, den US-amerikanischen Ski-Freestyler, überzeugt der Austragungsort ebenfalls: "Es fühlt sich an, als wäre es in einer virtuellen Welt, einem Videospiel entstanden."