Geballte Wut in einem Land, das einmal die USA waren: "The Handmaid's Tale" wagt den tiefen Blick in die Finsternis

June Osborne (Elisabeth Moss) hofft, durch blutige Rache Erlösung zu finden. Der Mord an ihrem Peiniger ist aber kein Ausweg. (Bild: © 2022 MGM Television Entertainment Inc. andRelentless Productions LLC. All Rights Reserved.)
June Osborne (Elisabeth Moss) hofft, durch blutige Rache Erlösung zu finden. Der Mord an ihrem Peiniger ist aber kein Ausweg. (Bild: © 2022 MGM Television Entertainment Inc. andRelentless Productions LLC. All Rights Reserved.)

Desfred war gestern: In der vorletzten Staffel der großartigen Dystopie "The Handmaid's Tale" verhandelt June Osborne, welchen persönlichen Preis sie zu zahlen bereit ist, um sich Vergewaltigung, Folter und emotionale Einkerkerung in Gilead zu rächen.

Diesen Augen kann man sich einfach nicht entziehen: Wenn June Osborne in die Kamera blickt, und das macht sie in der mit allem Recht hochgelobten Serie "The Handmaid's Tale" ziemlich oft, dann läuft es einem kalt den Rücken herunter. In ihrem Blick steckt alles, was diese Frau im fiktiven Land Gilead ertragen hat und weiterhin ertragen muss - in einer fundamentalistischen Gesellschaft, in der Frauen keine und Männer alle Rechte haben.

In Junes Blick steckt aber auch eine wilde Entschlossenheit, sich mit allen Mitteln an einem System zu rächen, dessen unvorstellbare Verderbtheit sie auf die dunkle Seite trieb: In der fünften Staffel, die am 10. November exklusiv bei Magenta TV der Deutschen Telekom anläuft, geht es nicht mehr nur um Menschenrechte und Staatsversagen, sondern vor allem um die persönliche Verantwortung für ein Verbrechen, das June am Ende der vierten Staffel begangen hat, weil sie keinen anderen Ausweg mehr sehen wollte.

Hauptdarstellerin Elisabeth Moss ("Mad Men") hat in "The Handmaid's Tale" eine Paraderolle gefunden: Als June Osborne nimmt sie die Zuschauer mit auf ihrem Leidensweg durch das totalitäres, fanatisch-religiöses Regime. Auch in der fünften und vorletzten Staffel ist "The Handmaid's Tale" eine beklemmende Reise ins finsterste Herz eines Landes, das einmal die USA waren.

Nach dem Tod ihres Gatten ist auch Serena Joy (Yvonne Strahovski), die Gilead einst ideologisch mitbegründet hat, nicht mehr sicher. (Bild: © 2022 MGM Television Entertainment Inc. andRelentless Productions LLC. All Rights Reserved.)
Nach dem Tod ihres Gatten ist auch Serena Joy (Yvonne Strahovski), die Gilead einst ideologisch mitbegründet hat, nicht mehr sicher. (Bild: © 2022 MGM Television Entertainment Inc. andRelentless Productions LLC. All Rights Reserved.)

Gilead hat June verändert, nicht nur zum Guten

Staffel eins, deren Drehbuch brillant der bereits 1985 erschiene, gleichnamige Roman der kanadischen Schriftstellerin Margaret Atwood zugrunde liegt, konnte 2017 auch als Gleichnis der Entwicklung der USA unter Donald Trump gesehen werden. Zwar ist die Serie, Atwood steht ihr weiterhin in beratender Funktion zur Seite, noch immer ein erschreckendes Spiegelbild gesellschaftlicher Tendenzen. Mittlerweile aber hat "The Handmaid's Tale" eine Eigendynamik entwickelt und kümmert sich mehr noch als zuvor um persönliche Schicksale.

June mag weiterhin wütend gegen Gilead und ihre ehemalige Peinigerin Serena Joy (Yvonne Strahovski) zu Felde ziehen. Ihr wirklicher Kampf aber ist privater Natur. Sie ist dem Regime zwar nach Kanada entkommen, konnte jedoch ihre erstgeborene Tochter Hannah nicht befreien und trägt das erlebte Grauen mit sich herum. Es ist noch nicht vorbei. Noch lange nicht.

Freiheit jedenfalls sieht anders aus. Nicht zuletzt, weil Gilead, dieser dystopische Unterdrückungsstaat, weiter existiert. Man könnte verstehen, würde June unter dieser Last zusammenbrechen. Aber gerade das tut sie nicht: Weil sie es nicht will. Ihre Wut macht sie erfinderisch, und so kann man June in einer faszinierenden Staffel dabei beobachten, wie sie ihre antrainierte Widerstandsfähigkeit nutzt, um Gilead immer nervöser zu machen und sich selbst zu finden. Gilead hat June verändert, nicht nur zum Guten.

Dass die Serie ihr diese Erkenntnis zugesteht und ihr erlaubt, Fehler zu haben, ist der interessanteste Aspekt der fünften Staffel, in der die Hauptfigur wichtiger ist, als das Umfeld, dem weiterhin eine beängstigende Symbolkraft innewohnt. An Einfluss verloren haben die fanatischen Fundamentalisten in den USA seit dem Serienstart vor fünf Jahren jedenfalls nicht, wie zuletzt die jüngsten Entscheidungen des Surpreme Courts etwa zum Abtreibungsrecht zeigen. Und das ist ziemlich erschreckend.

June (ELisabeth Moss, links) muss ihrer besten Freundin Moira (Samira Wiley) erklären, dass Blut an ihren Händen klebt. (Bild: © 2022 MGM Television Entertainment Inc. andRelentless Productions LLC. All Rights Reserved.)
June (ELisabeth Moss, links) muss ihrer besten Freundin Moira (Samira Wiley) erklären, dass Blut an ihren Händen klebt. (Bild: © 2022 MGM Television Entertainment Inc. andRelentless Productions LLC. All Rights Reserved.)
Serena Joy (Yvonne Strahovski) setzt durch, dass ihr ermorderter Mann ein Staatsbegräbnis in Gilead bekommt. (Bild: © 2022 MGM Television Entertainment Inc. andRelentless Productions LLC. All Rights Reserved.)
Serena Joy (Yvonne Strahovski) setzt durch, dass ihr ermorderter Mann ein Staatsbegräbnis in Gilead bekommt. (Bild: © 2022 MGM Television Entertainment Inc. andRelentless Productions LLC. All Rights Reserved.)