Glaube an Gleichberechtigung kann bei Asylantrag von Mädchen berücksichtigt werden

Mädchen, die sich nach längerem Aufenthalt in Europa mit der Gleichberechtigung identifizieren, können unter Umständen als Flüchtlinge anerkannt werden. Ihre Einstellung könne bei der Prüfung des Asylantrags berücksichtigt werden, entschied der EuGH. (Valeria Mongelli)
Mädchen, die sich nach längerem Aufenthalt in Europa mit der Gleichberechtigung identifizieren, können unter Umständen als Flüchtlinge anerkannt werden. Ihre Einstellung könne bei der Prüfung des Asylantrags berücksichtigt werden, entschied der EuGH. (Valeria Mongelli)

Frauen oder Mädchen, die sich nach längerem Aufenthalt in Europa mit der Gleichberechtigung identifizieren, können unter Umständen als Flüchtlinge anerkannt werden. Ihre Einstellung könne bei der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz berücksichtigt werden, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg. Im konkreten Fall ging es um zwei Mädchen aus dem Irak, die in den Niederlanden Asyl wollen. (Az. C-646/21)

Sie leben mit ihrer Familie seit 2015 in den Niederlanden. Ihre Asylanträge wurden zweimal zurückgewiesen. Dagegen klagten sie in den Niederlanden. Sie argumentierten damit, dass sie nach ihrem langen Aufenthalt in Europa die Normen, Werte und Verhaltensweisen ihrer Altersgenossen in dieser Gesellschaft angenommen hätten.

Bei einer Rückkehr in den Irak wären sie nicht in der Lage, sich den Regeln einer Gesellschaft anzupassen, in der Frauen und Mädchen nicht dieselben Rechte hätten wie Männer. Sie befürchteten, wegen ihrer Identität, die sich in den Niederlanden geformt habe, verfolgt zu werden.

Das niederländische Gericht legte dem EuGH mehrere Fragen vor. Unter anderem fragte es, ob solche Mädchen als Mitglieder einer bestimmten sozialen Gruppe im rechtlichen Sinn anzusehen seien. Bei Anträgen auf internationalen Schutz prüfen die EU-Staaten, ob jemand im Herkunftsland verfolgt wird. Das kann bei einer sozialen Grupe der Fall sein, die angeborene Merkmale oder eine wichtige Überzeugung teilt, wenn sie in der Gesellschaft des Herkunftslands als andersartig betrachtet wird.

Die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe kann also ein Verfolgungsgrund sein, der zur Zuerkennung der Eigenschaft als Flüchtling führt. Der EuGH erklärte nun, dass die Identifizierung mit dem Grundwert der Gleichheit von Frauen und Männern die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe begründen und damit einen Verfolgungsgrund darstellen könne - je nach den Gegebenheiten im Herkunftsland.

Ein langfristiger Aufenthalt in der EU könne dabei berücksichtigt werden, vor allem, wenn die Antragstellerinnen zu einem Zeitpunkt dort lebten, der für ihre Identitätsbildung wichtig war. Außerdem müsse bei Asylanträgen von Minderjährigen das Kindeswohl berücksichtigt werden, betonte der EuGH.

Über die konkreten Asylanträge muss nun das niederländische Gericht entscheiden. Es ist dabei an die Rechtsauffassung des EuGH gebunden.

smb/ccfm