Hat Italiens EM-Held es zu weit getrieben?

Hat Italiens EM-Held es zu weit getrieben?
Hat Italiens EM-Held es zu weit getrieben?

Plötzlich humpelte Gianmarco Tamberi, seinen Landsleuten stockte auf den Tribünen des Stadio Olimpico der Atem. Nach seinem Flug über 2,34 m setzte sich der Hochsprungstar auf den Boden, er schien Schmerzen zu haben, hielt seinen Fuß, striff dann den Schuh ab und kramte etwas daraus hervor.

Kleine Federn, also Sprungfedern, hatte der Lokalmatador mit dem halb rasierten Vollbart versteckt und jetzt zeigte er sie lächelnd in die Kamera - sein Streich war voll aufgegangen.

„Ich glaube, einige Leute sind drauf reingefallen“, sagte der Olympiasieger nach seinem dritten EM-Gold vor heimischer Kulisse in Rom sichtlich stolz. Und Tamberi hatte schon vor seinem Gag mit den Fans gespielt, jeweils zwischen den Sprüngen. Mal bat er um lautstarke Unterstützung, mal um Ruhe.

Der exzentrische Tamberi lieferte im Land der Oper die ganz große Show ab - viel Drama, viel Theatralik und am Ende ein groß ausgekosteter Schlussapplaus. Das italienische Publikum verzauberte er damit - anderswo waren die Reaktionen gespalten, wie der Blick in die sozialen Medien zeigt: Ein „Gockel“, ein eitler Selbstdarsteller lästern dort die einen. Ein grandioser Showman, ein Typ, wie die Leichtathletik ihn braucht, freuten sich die anderen.

Hochsprung-Ass wackelt, „aber dann begann die Show“

Als er den Titel längst sicher hatte, hob Tamberi den Arm, da kein anderer Wettbewerb lief, herrschte völliges Schweigen im Rund und jeder seiner Schritte war zu hören, ehe er elegant über die Latte ging. Am Ende sprang der schillernde Nationalheld 2,37 m, Tamberi siegte letztlich klar vor den beiden Ukrainern Wladyslaw Lawski (2,29) und Oleh Doroschtschuk (2,26).

Danach hatte es zunächst nicht ausgesehen. 2,22 und 2,26 meisterte Tamberi zwar recht locker mit knielanger Schlabberhose (später tauschte er sie gegen ein kürzeres Modell), doch er riss die 2,29 zweimal, lag leidend auf der Matte, verzweifelt. Doch dann machte es Klick. Er schaffte die Höhe im dritten Versuch, lief danach liegend auf der Matte im Kreis, legte die Hände ungläubig auf seine Wangen.

„Bei 2,29 m war ich etwas wacklig, aber dann begann die Show“, sagte Tamberi später. Und das stimmte. Der Star spielte die ganze Klaviatur der Emotionen durch. Nicht wenigen war es am Ende - wie gesagt - zu schrill: Auch das ARD-Moderatorenduo Claus Lufen und Frank Busemann diskutierte, ob Tamberi bei seiner intensiven Jubelfeier einen Fauxpas beging, indem er von der parallel laufenden Zehnkampf-Konkurrenz ablenkte.

Italienischer Hochsprung-Held mit irrem Outfit

Den Italienern gefiel es, sie feierten ihr Idol, das nach dem Wettkampf gar für eine Umarmung zu Italiens Präsident Sergio Mattarella auf die Tribüne stürmte. Drei Jahre nach dem geteilten Olympia-Gold mit Mutaz Essa Barshim lieferte Tamberi wieder einen Sportmoment, der um die Welt ging.

Nach der lockeren Qualifikation hatte der Titelverteidiger im Finale mal wieder auf sein altbekanntes Markenzeichen gesetzt: Vollbart auf der linken Gesichtshälfte, glatt rasiert auf der rechten, dazu ein hochgesteckter Zopf. Außerdem springt Tamberi in blauen Socken mit seinem Konterfei, seine Fans tragen es auf T-Shirts.

Und die legte der 32-Jährige aus Civitanova Marche bei seinem ersten Wettkampf des Jahres mit einem Taschenspielertrick rein. Die Federn waren in seinen Ersatzschuhen unter einem Handtuch versteckt. Tamberi lachte in Rom zuletzt, nicht nur sportlich.

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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)