Als die heiteren Spiele jäh zu Ende gingen

Am frühen Morgen des 05. September 1972 überfielen palästinensische Terroristen das israelische Quartier im Olympischen Dorf, töteten zwei Sportler und nahmen neun Geiseln. Die sky-Doku "1972 - Münchens schwarzer September" zeigt das Attentat 50 Jahre danach in neuem Licht. (Bild: sky documentaries)
Am frühen Morgen des 05. September 1972 überfielen palästinensische Terroristen das israelische Quartier im Olympischen Dorf, töteten zwei Sportler und nahmen neun Geiseln. Die sky-Doku "1972 - Münchens schwarzer September" zeigt das Attentat 50 Jahre danach in neuem Licht. (Bild: sky documentaries)

Der Anschlag palästinensischer Terroristen auf Mitglieder der israelischen Olympiamannschaft während der Spiele von 1972 ist nicht zuletzt wegen der internationalen Medienpräsenz und erschütternder Bilder im Gedächtnis der Welt geblieben. Eine neue Sky-Dokumentation (ab 04.09.) bringt neue Erkenntnisse.

Heiter und unbeschwert sollten sie sein, die Olympischen Sommerspiele 1972. Doch dann kam am Morgen des 5. September der Terror: Acht palästinensische Terroristen verschafften sich Zugang ins israelische Quartier im olympischen Dorf, töteten zunächst zwei Israeli und nahmen neun weitere als Geiseln: Ringer, Gewichtheber, Fechttrainer, Kampfrichter. Die auf den Plan gerufenen Regierungsvertreter und Polizisten zeigten sich weitgehend unvorbereitet. Der Überfall endete in einem Blutbad auf dem Militärflughafen von Fürstenfeldbruck, wohin man die Attentäter und ihre Geiseln ausgeflogen hatte. "Alle Geiseln sind tot", gaben die internationalen Medien am Morgen des 06. September nach den gescheiterten Befreiungsversuchen bekannt.

Der neuen Dokumentation "1972 - Münchens schwarzer September" von Sky Documentaries gelingt es, 50 Jahre danach das im Umfeld der "heiteren Spiele" lange verdrängte Ereignis in einem neuen Licht zu zeigen. Dass der in Fürstenfeldbruck abgestellte Polizist Guido Schlosser, damals 21, nun Ankie Spitzer, die Witwe des getöteten Fechttrainers Andrei Spitzer in Tel Aviv besucht, um so etwas wie Versöhnung zu erwirken, zieht sich als roter Faden durch den in Originalinterviews, Archivaufnahmen und kurzen Spielszenen aufwendig montierten Film von Christian Stiefenhofer (Regie). Für Schlosser war die Reise kein leichtes Unterfangen, all die Jahre über hatten ihn die schrecklichen Bilder der in Fürstenfeldbruck getöteten Geiseln verfolgt.

Guido Schlosser stand als 21-jähriger Polizist 1972 auf dem Militärflughafen Fürstenfeldbruck den Attentätern hilflos gegenüber. Nun spricht er sich in Tel Aviv mit Ankie Spitzer, der Witwe des israelischen Fechttrainers, aus.  (Bild: sky documentaries)
Guido Schlosser stand als 21-jähriger Polizist 1972 auf dem Militärflughafen Fürstenfeldbruck den Attentätern hilflos gegenüber. Nun spricht er sich in Tel Aviv mit Ankie Spitzer, der Witwe des israelischen Fechttrainers, aus. (Bild: sky documentaries)

Jahrzehntelang wurde das eigene Versagen verdeckt

Es hatte - wie im Film zu sehen - mehrfache Anschuldigungen von politischer Seite gegen Schlosser und seine Kollegen gegeben, wobei von Befehlsverweigerung die Rede war, weil die jungen Polizisten angesichts der Aussichtslosigkeit ihres Auftrags das Flugzeug verließen. Schlosser hatte mit 13 Kollegen in einer wartenden Maschine verharren sollen, um Terroristen beim Eintritt zu töten - eine Selbstfalle ohnegleichen. Scharfschützen, welche die Attentäter auf freiem Feld töten sollten, waren wiederum ohne hinreichende Waffentechnik, ohne Zielfernrohre und Nachtsichtgeräte ausgerüstet.

Das alles erzählt der Film minutiös und mitreißend nach, ohne auf die übliche Machart eines Doku-Thrillers zu verfallen. Trotz ihrer Reenactmentszenen, setzt die Doku weniger auf Action als auf unbekannte Archivaufnahmen und verzichtet dabei auf jeden Eigenkommentar. Umso intensiver wirkt die Begegnung von Ankie Spitzer und Guido Schlosser in Tel Aviv, bei der sich der ehemalige Polizist gleichsam als Stellvertreter des Versagens auf deutscher Seite auch die Vorwürfe Spitzers anhören muss. Es ist jedoch die Tochter, die das spontan ausgesprochene Urteil fällt, die Deutschen hätten sechs Millionen Juden umgebracht, dazu, acht palästinensische Terroristen außer Gefecht zu setzen, seien sie "aber nicht in der Lage" gewesen.

Ankie Spitzer kämpfte jahrzehntelang vergeblich um Akteneinsicht in die Vorgänge von 1972 und um angemessene Wiedergutmachung. Mit anderen Hinterbliebenen nimmt sie nicht an den Trauerfeiern im September 2022 teil. Zu lange versuchten deutsche Behörden, ihr eigenes Versagen zu verdecken. Am Rande sei aber auch erwähnt, dass damals freigepresste überlebende Attentäter wie Jamal al Gashey - wenn auch nur in Rückenansicht - frei von ihrem Werdegang und ihren Beweggründen sprechen.

Wohl wahr, was ein BBC-Reporter anlässlich einer eilends anberaumten Pressekonferenz mit den im Oktober 1972 freigepressten Terroristen in Tripolis / Lybien sagte: Er sehe drei junge Männer vor sich, die "keinerlei Anzeichen von Fanatismus oder Extremismus" zeigten. Es handle sich wohl um eine "neue Generation arabischer Terroristen". Einer der drei aber antwortet auf die knallharte Frage eines Reporters, ob er wehrlose israelische Sportler erschossen habe: "Das ist nicht die Frage. Wir sind im Krieg mit Israel!" Auf eine derartige Mentalität war die Welt damals nicht vorbereitet.

Das Sky-Doku-Drama "1972 -Münchens schwarzer September" läuft ab 04.09. auf Sky Documentaries und ist bereits ab 02. September mit Sky und WOW als Stream abrufbar.

Neun israelische Geiseln wurden auf dem Militärflugplatz in Fürstenfeldbruck im Hubschrauber gefangen gehalten. Die versuchte Befreiung endete in einem Desaster. (Bild: sky documentaries)
Neun israelische Geiseln wurden auf dem Militärflugplatz in Fürstenfeldbruck im Hubschrauber gefangen gehalten. Die versuchte Befreiung endete in einem Desaster. (Bild: sky documentaries)