Johannes B. Kerner: "Wir tragen als Entertainer eine gewisse Verantwortung"

Am 9. Dezember feierte er seinen 58. Geburtstag. Nach vier Wochen Fußball-Schwerstarbeit für Magenta TV folgen im direkten Anschluss drei große ZDF-Primetime-Shows: "Ein Herz für Kinder" (Sa., 17.12., 20.15 Uhr), "Dalli Dalli - Die Weihnachtsshow" (So., 25.12., 20.15 Uhr) und die Silvester-Sause "Willkommen 2023" (Sa., 31.12., 20.15 Uhr). (Bild: ZDF / Tobias Schult)

Im Dezember 2022 probiert sich Johannes B. Kerner als "Hardest Working Man in Show Business": Nach vier Wochen als Fußball-WM-Anchorman bei Magenta TV moderiert er zum Jahresabschluss drei große ZDF-Shows in rascher Folge. Bleibt da noch Zeit für eine persönliche Jahresbilanz?

Am 9. Dezember feierte er seinen 58. Geburtstag. An diesem Tag fanden in Katar die ersten beiden Viertelfinalspiele statt. Nach vier Wochen Fußball-Schwerstarbeit im Münchner Studio für Magenta TV folgen im direkten Anschluss drei große ZDF-Primetime-Shows: "Ein Herz für Kinder" (Samstag, 17. Dezember, 20.15 Uhr), "Dalli Dalli - Die Weihnachtsshow" (Sonntag, 25. Dezember, 20.15 Uhr) und die Silvester-Sause "Willkommen 2023" (Samstag, 31. Dezember, 20.15 Uhr). Ganz schön viel Holz in einem Monat, aber Johannes B. Kerner beruhigt: "Man muss sich um mich wirklich keine Sorgen machen." Im Interview spricht der Unterhaltungs-Veteran über die Veränderung deutscher Weihnachts- und Silvestergefühle, und er erklärt, warum reine "Retro-Shows" keinerlei Sinn ergeben. Auch zur Frage, ob Unterhaltung in schweren Zeiten anders funktioniert als sonst, hat der Hamburger Fernsehmann eine klare Haltung.

teleschau: Herr Kerner, wir führten ein Interview 2014. Damals ging es auch darum, wie schlimm es für Sie ist, nicht mehr die Fußball-WM zu moderieren. Jetzt kehrten Sie wieder zurück im Ring ...

Johannes B. Kerner: Das stimmt, aber - kleiner Nachtrag - 2014 habe ich es dann doch noch zur WM nach Brasilien geschafft. Ich flog nämlich zum Finale nach Rio. Das musste ich mir dann doch geben, wenn Deutschland im Endspiel steht. Ich war damals aber ganz privat unterwegs. Jetzt bin ich seit der letzten EM für Magenta im Fußball-Einsatz, und das ist ein schönes Gefühl.

teleschau: Weil Sie in Sachen Fußball und TV einen Phantomschmerz spürten?

Kerner: Man könnte es so ausdrücken, aber "Schmerz" klingt vielleicht nach ein bisschen viel Drama. Ich mag einfach das sportjournalistische Arbeiten. Insofern war Katar für mich besonders interessant, auch wenn ich die WM von München aus dem Studio heraus verfolgt habe. In Katar haben sich Fußball und Politik so deutlich vermischt, wie noch niemals zuvor. Gesellschaftliche Berichterstattung und Sport gehörten für mich aber schon immer zusammen.

Manche sagen, ZDF-Moderator Johannes B. Kerner sei ein Typ von gestern. Vielleicht, weil der 58-Jährige schon so lange präsent ist. Doch wohl kein Moderator im deutschen Fernsehen dürfte im Dezember mehr unterschiedliche Anchorman-Jobs ausüben wie der Hamburger TV-Profi. Zeit für eine Jahresbilanz, Herr Kerner! (Bild: ZDF / Tobias Schult)
Manche sagen, ZDF-Moderator Johannes B. Kerner sei ein Typ von gestern. Vielleicht, weil der 58-Jährige schon so lange präsent ist. Doch wohl kein Moderator im deutschen Fernsehen dürfte im Dezember mehr unterschiedliche Anchorman-Jobs ausüben wie der Hamburger TV-Profi. Zeit für eine Jahresbilanz, Herr Kerner! (Bild: ZDF / Tobias Schult)

"Ich bin ja auch nur der Typ, der vorneweg geht und in die Kamera lächelt"

teleschau: Wenn die WM, für die Sie über vier Wochen fast täglich vor der Kamera standen, vorbei ist, folgen drei große ZDF-Shows in rascher Folge. Sind Sie der deutsche Fernseh-Mann, der im Dezember keinen freien Tag hat?

Kerner: Ganz so schlimm ist es nicht, weil die WM ja gegen Ende viele spielfreie Tage bietet. Tatsächlich wird mir im Dezember aber nicht langweilig. Ich hatte jedoch sowohl davor Gelegenheit, mich zu erholen und werde sie auch danach haben. Außerdem liebe ich die Bühne, deshalb empfinde ich drei große Shows in kurzer Zeit nicht als Last. Man muss sich um mich wirklich keine Sorgen machen. Im Übrigen bin ich ja auch nur der Typ, der vorneweg geht und in die Kamera lächelt. Hart geschuftet wird bei den Teams, die hinter solchen Shows stehen. Die dafür sorgen, dass alles läuft. Sie haben entsprechend auch wenig Freizeit über die Weihnachtstage und Silvester.

teleschau: Sind denn alle drei Sendungen "live"?

Kerner: "Ein Herz für Kinder" und die Silvester-Show sind "live". "Dalli Dalli" kommt ja am Ersten Weihnachtsfeiertag und wird entsprechend ein paar Tage vorher aufgezeichnet. Ich glaube, wir säßen in einem leeren Fernsehstudio, würden wir versuchen, Prominente für eine Spielshow an diesem Tag einzuladen.

teleschau: "Dalli Dalli" füllt die klassische Weihnachts-Primetime. Für Sie eine schöne, passende Art, diesen Abend zu verbringen?

Kerner: Entscheidend fürs Weihnachtsgefühl ist in Deutschland traditionell der Heilige Abend. Am Abend des Ersten Feiertags hat sich dieses Gefühl schon ein bisschen gesetzt - aber es ist natürlich ein Abend der Familie. Wenn die uns dann übers Fernsehgerät in ihr Wohnzimmer lässt, ist das schon eine besondere Ehre, das weiß ich. Wir werden versuchen, dem gerecht zu werden und entsprechend weihnachtliche Stimmung zu verbreiten. Es geht in dieser Zeit immer auch ein bisschen um eine Bilanz des alten Jahres - und die Wünsche und Hoffnungen fürs neue.

Zusammen mit Andrea Kiewel geleitet Johannes B. Kerne die Zuschauer ins neue Jahr. (Bild: ZDF / Marcus Höhn)
Zusammen mit Andrea Kiewel geleitet Johannes B. Kerne die Zuschauer ins neue Jahr. (Bild: ZDF / Marcus Höhn)

"'Wetten, dass ..?' und 'Dalli Dalli' sind eher Ausnahmen"

teleschau: Also wird es bei "Dalli Dalli" besinnlich. Widerspricht das nicht ein bisschen dem Showkonzept?

Kerner: "Dalli Dalli" ist eine Unterhaltungs-Show, in der alles möglich ist. Es geht um Wortwitz, Schnelligkeit, auch ein bisschen um Überheblichkeit. Das kann bis ins Gaga-mäßige gehen. Die Unterhaltung steht im Vordergrund, aber das Melancholische - vor allem aber das Zuversichtliche für 2023 - das werden wir, wenn es passt, zwischen den Zeilen der Show und meiner Gäste finden.

teleschau: Sie haben schon zwei Retro-Shows "Dalli Dalli" moderiert. Die Quoten waren herausragend gut beim Comeback und zum letzten Weihnachtsfest ziemlich ordentlich. Warum schauen sich die Leute das an?

Kerner: Ich würde es lieber Neuauflage als Retro-Show nennen, denn wir setzen weniger auf den Wunsch, uns ans Gestern zu erinnern, als dass wir gute Unterhaltung mit den Spielen liefern wollen. Wir haben bei den beiden bisherigen Shows gemerkt, dass sie gut funktionieren - und zwar sowohl im Markt als auch im Studio. Man hat ja als Moderator ein Gefühl dafür, wie die Sendung beim Publikum, aber auch bei den Spielenden ankommt. Und da merkt man einfach, dass die Promis sehr viel Spaß haben. Dies ist nicht bei jeder Show so, soviel kann ich Ihnen verraten. Die Promis reißen sich fast schon drum, bei "Dalli Dalli" dabei zu sein. "Dalli Dalli" ist ein Gefühl, das tatsächlich lebt.

teleschau: Thomas Gottschalk erreichte mit seinem zweiten "Wetten, dass ..?"-Revival im November noch mal zehn Millionen Zuschauer. "Dalli Dalli" schmückt wieder das Weihnachtsfest. Warum sind Unterhaltungssendungen, die uns an früher erinnern, so beliebt?

Kerner: Ich glaube, so einfach kann man es nicht sagen. Dass alle revitalisierten Klassiker-Formate zu Hits werden, ist beileibe nicht der Fall. Im Grunde sind "Wetten, dass ..?" und "Dalli Dalli" eher Ausnahmen. Ganz viele andere Versuche dieser Art sind gescheitert. Der Erfolg dieser beiden Shows liegt daran, dass es einfach sehr kluge Formate sind, die von großen Fernsehdenkern erfunden wurden. In diesem Fall von Hans Rosenthal und Frank Elstner. Eine Spielidee, die im Falle von "Dalli Dalli" 52 Jahre nach ihrer Erfindung immer noch funktioniert, trotz aller Trends und Veränderungen im Unterhaltungsfernsehen seitdem, muss einfach herausragend gut sein.

Am Samstag, 24. Dezember, 18.00 Uhr, zeigt das ZDF das Weihnachtskonzert mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der First Lady Elke Büdenbender aus Flensburg. Moderiert wird der Abend von Johannes B. Kerner. (Bild: ZDF/Jana Kay)
Am Samstag, 24. Dezember, 18.00 Uhr, zeigt das ZDF das Weihnachtskonzert mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der First Lady Elke Büdenbender aus Flensburg. Moderiert wird der Abend von Johannes B. Kerner. (Bild: ZDF/Jana Kay)

"Nur Nostalgie - das geht gar nicht"

teleschau: Und der Moderator ist dabei gar nicht so wichtig?

Kerner: Mal so, mal so. Ich glaube, bei "Dalli Dalli" ist der Moderator nicht so entscheidend. Bei "Wetten, dass ?" hingegen ist die besondere Art Thomas Gottschalks schon auch ein wichtiger Teil des Erfolgsrezepts. Er ist einfach ein überragender Entertainer, der dieses Format mit seiner Art geprägt hat. Und das funktioniert auch jetzt noch verblüffend gut. Nur Nostalgie - das geht gar nicht. Jede Form Unterhaltung muss eine Aktualität in sich tragen, sonst schaut niemand zu, glauben Sie mir das.

teleschau: Sie haben gesagt, dass Sie "zu Gast" sind bei vielen Millionen Zuschauern. Sowohl an Weihnachten wie auch Silvester. Es sind emotional besondere Tage für viele Menschen. Fühlen Sie eine besondere Verantwortung?

Kerner: Ich persönlich bin froh, dass Weihnachten nicht mehr so muffig ist wie früher. Was geblieben ist: Weihnachten und Silvester will man mit Menschen verbringen, die einem wichtig sind. Das muss nicht zwingend die Ursprungsfamilie sein. Es können gute Freunde sein oder Ehepaare, die sich an diesen Tagen treffen. Einfach Menschen, die sich gegenseitig lieb haben. Deshalb sind es emotional besondere Tage und das weiß ich natürlich auch als Moderator.

teleschau: Wir haben über Weihnachten gesprochen, aber wie ist Ihr persönliches Silvestergefühl?

Kerner: Eigentlich war ich früher oft genervt davon. Ich hatte keine Lust auf dieses "Geladene". Darauf, dass man da zwangsweise gute Laune haben musste. Auch jenen Stress, den man als junger Mensch hatte, die richtige Silvesterparty zu finden - den braucht doch eigentlich niemand. Ich bin kein Feiermuffel. Irgendwo habe ich dann auch jedes Jahr gefeiert, aber diese ganze Traditionsnummer mit Hütchen, ausgelassener Stimmung und Bleigießen war nie meine Welt. Insofern finde ich es heute nicht schlimm, an Silvester "live" auf der Bühne in Berlin zu stehen und hoffentlich mit vielen anderen Menschen Spaß zu haben.

Zum dritten Mal führt Johannes B. Kerner durch die Neuauflage des Showklassikers "Dallo Dalli". (Bild: ZDF / Sascha Baumann)
Zum dritten Mal führt Johannes B. Kerner durch die Neuauflage des Showklassikers "Dallo Dalli". (Bild: ZDF / Sascha Baumann)

"Ich bin eher ein Durchschnittstyp in Sachen Feierei"

teleschau: Wie haben Sie denn dann früher Silvester gefeiert? Sie waren ja offensichtlich nicht das geborene "Party Animal" an jenem Tag ...

Kerner: Das war ich auch an anderen Tagen nicht. Ich bin eher ein Durchschnittstyp in Sachen Feierei. Als Schüler und Student hat man Partys geentert, auf denen man nicht eingeladen war und fand das ziemlich anarchisch oder zumindest lustig. Später hat man dann mit Freunden oder der Familie gefeiert. Man drohte Kindern Mittagsschlaf an, den sie machen mussten, um abends lange aufbleiben zu dürfen. Damit war ich meistens weder erfolgreich noch beliebt. Irgendwie erinnere ich mich in puncto Silvester eher an stressige Dinge. Ich glaube, ich tue mich mit guter Laune im privaten Rahmen an jedem anderen Tag des Jahres leichter (lacht).

teleschau: Wenn es an Silvester Mitternacht schlägt, spüren viele ein Gefühl der Bedeutsamkeit, was diesen Moment betrifft. Sie erleben diesen Moment seit Jahren "live" in Silvestershows. Hat man da überhaupt Zeit, so etwas zu fühlen?

Kerner: Als Mensch hat man das schon, als Fernsehmoderator eher nicht. Tatsächlich machen wir da von viertel-nach-acht an eine Show, auf die wir uns konzentrieren. Da denkt man an seine Moderationen, führt die Gespräche und versucht, Unterhaltung mit Haltung zu machen. Wenn wir dann runterzählen, die letzten Sekunden des alten Jahres - dann kribbelt es doch irgendwie. Es ist ganz eigenartig, aber ich kann mich dem auch nicht entziehen. Will ich auch gar nicht. Es ist auch für mich ein Jahr, das zu Ende gegangen ist.

Johannes B. Kerner fungierte für Magenta TV, das sämtliche WM-Spiele des 2022-er-Tuniers in Katar zeigte, als Anchorman. (Bild: Magenta TV)
Johannes B. Kerner fungierte für Magenta TV, das sämtliche WM-Spiele des 2022-er-Tuniers in Katar zeigte, als Anchorman. (Bild: Magenta TV)

"Was wir als Entertainer versuchen sollten, ist den richtigen Ton zu treffen"

teleschau: Die Menschen dachten schon am Ende der letzten Jahre, dass wir in einer außergewöhnlich schwierigen Zeit leben. 2022 ist der Krieg in der Ukraine dazukommen, eine weitere Zeitenwende. Wird Unterhaltung immer schwieriger - oder verlangt sie mehr Verantwortung?

Kerner: Ich schiebe diese Frage manchmal von mir weg, weil wir mit Unterhaltung ja Zerstreuung schaffen wollen. Vielleicht schiebe ich es aber auch deshalb von mir weg, weil ich mir diese Bürde nicht auferlegen will. Das Jahresende schafft auf jeden Fall Leuchtturm-Tage, an denen wir alle in einer besonderen Stimmung sind. Ich bin überzeugt davon, dass sich an Weihnachten und Silvester bei jedem Menschen auch ein Stück weit die Stimmung des gesamten Jahres widerspiegelt. Keiner von uns kann sich dem entziehen, und wir wollen das auch gar nicht. Insofern: Ja, wir tragen auch als Entertainer eine gewisse Verantwortung. Trotzdem dürfen wir das alles auch nicht zu sehr mit Ernst aufladen. Wir sollten einfach versuchen, gut ins neue Jahr zu kommen. Und wir sollten hoffen, dass es ein bisschen besser wird als das letzte Jahr.

teleschau: Spüren Sie denn, dass Unterhaltung in schweren Zeiten anders funktioniert als früher - oder ist alles so wie immer?

Kerner: Dass es anders ist als früher, spüre ich allein schon deshalb, weil ich als denkender Mensch morgens aufstehe, die Zeitung lese, rausgehe und sehe, was los ist in der Welt. Nur ein Beispiel: Ich saß neulich in der Elbphilharmonie beim Konzert von Robbie Williams und hatte mich auf zwei leichte Stunden mit einem großen Entertainer gefreut. Als dann mal ein Lied kam, das mir nicht so wichtig war, schaute ich mal kurz aufs Handy und las, dass eine Rakete in Polen eingeschlagen war. Das passierte gegen 21.30 Uhr, sagen wir. Da war es noch unklar, ob vielleicht ein russischer Angriff dahintersteckt. Der Abend war von diesem Moment an ein ganz anderer für mich. Trotz der Unterhaltung, die ich dort gesucht habe. Wir sind alle nur Menschen mit Ängsten, Sorgen und Hoffnungen. Egal, ob wir gerade unterhalten, unterhalten werden oder uns ernsten Gefühlen stellen. Was wir als Entertainer versuchen sollten, ist den richtigen Ton zu treffen. Letztendlich ist es das Höchste, was wir in unserem Job erreichen können.