Kampf gegen Rechtsextremismus - Vereine sehen sich in Existenz bedroht und senden Brandbrief an Kanzler Scholz

Mit nur 13,9 Prozent hat die SPD bei der Europawahl ihr bislang schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Abstimmung verbucht: Olaf Scholz.<span class="copyright">Kay Nietfeld/dpa</span>
Mit nur 13,9 Prozent hat die SPD bei der Europawahl ihr bislang schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Abstimmung verbucht: Olaf Scholz.Kay Nietfeld/dpa

Über 100 Vereine sehen sich aufgrund des geltenden Gemeinnützigkeitsrechts in ihrem Engagement gegen Rechtsextremismus gehindert. Auch die AfD spiele dabei eine Rolle.

Über 100 Vereine und Stiftungen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, haben nach Informationen des „Spiegel“ einen besorgniserregenden Appell an Bundeskanzler Olaf Scholz gerichtet. Sie fürchten, dass ihr Engagement durch das aktuelle Gemeinnützigkeitsrecht eingeschränkt und ihre Arbeit somit gefährdet wird.

Die Organisationen, die hauptsächlich in Ostdeutschland aktiv sind, fordern eine rasche Reform des Gesetzes, um zu verhindern, dass sich immer mehr Vereine zurückziehen müssen. Dies geht aus einem Brief hervor, der dem „Spiegel“ vorliegt.

Organisationen fürchten um ihre Gemeinnützigkeit

Die Unterzeichner des Briefs, meist kleinere Organisationen aus unterschiedlichen Bereichen wie Wohlfahrt, Sport, Kultur, Bildung und Umweltschutz, befürchten die Aberkennung ihrer Gemeinnützigkeit, wenn sie politisch aktiv werden.

Sie fordern, dass die Regierung den Einsatz für demokratische Werte, Menschenrechte, Antidiskriminierung und Rechtsstaatlichkeit als gemeinnützige Zwecke anerkennt. Zusätzlich sollte es Organisationen wie Sportvereinen ermöglicht werden, zu Demonstrationen gegen rechts aufzurufen, ohne um ihre Existenz fürchten zu müssen, heißt es laut „Spiegel“ in dem gemeinschaftlichen Brief.

Die Unterzeichner sehen vor allem die AfD als einen großen Teil des Problems. Die Partei nutze die aktuelle Rechtslage aus, um die Arbeit der Organisationen zu sabotieren, in dem sie sie beispielsweise beim Finanzamt anzeige, heißt es in dem Brandbrief. Die Vereine und Stiftungen berichten laut „Spiegel“: „Wir werden von der AfD beim Finanzamt angezeigt, weil wir ein lokales Bündnis gegen Rechtsextremist*innen aufgebaut haben.“

Ampel plant Reform des Gemeinnützigkeitsrechts

In einem Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2019 wurde festgelegt, dass politisch beeinflussende Tätigkeiten nicht gemeinnützig seien und somit keinen Anspruch auf steuerliche Vorteile hätten. Aufgrund dieses Urteils wurde etwa der globalisierungskritischen Organisation Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt.

Die Unterzeichner des Briefs an Bundeskanzler Scholz befürchten nun, dass es ihnen ähnlich ergehen könnte: „Uns wird gesagt, dass es uns genauso ergehen werde wie Attac“, zitiert der „Spiegel“ aus dem Brief.

Der Koalitionsvertrag der Ampel verspricht eigentlich sogar eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts: Die Regierung will das ehrenamtliche Engagement von mehr als 30 Millionen Menschen und ihren Organisationen in Deutschland vereinfachen und dem Risiko einer sinkenden Spendenbereitschaft entgegenwirken. Passiert ist bisher allerdings nichts.

Derzeitiges Recht verhindert auch Hilfe im Ahrtal

Das derzeitige Recht sorgt immer wieder für Kritik seitens gemeinnütziger Organisationen. Erst im vergangen Jahr wendeten sich die Initiatoren des „Museum of modern Ahrts“ für die Flutopfer im Ahrtal in einem offenen Brief an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und forderten eine baldige Umsetzung der Reform der deutschen Abgabenverordnung.

In dieser wird unter anderem die gemeinnützige Arbeit von Organisationen sowie Vereinen geregelt - und somit auch das Spendenrecht. Eines der größten Hindernisse in der jetzigen Abgabenordnung sei, dass Katastrophenhilfe bislang nicht als gemeinnützig anerkannt ist, weswegen Organisationen bei Katastrophen nicht sofort und problemlos Spenden sammeln und Spendenquittungen ausstellen können, kritisierte Martin Georgi, Vorsitzender des Deutschen Fundraising Verbandes, in einem Gespräch mit FOCUS online. Dadurch konnten Millionen von privaten Spenden im Ahrtal noch nicht ausgezahlt werden.