Kommentar: Anschlag auf Monet-Bild – vom Kartoffelbrei wird etwas hängenbleiben

Eine Demo der Klimaaktivisten von
Eine Demo der Klimaaktivisten von "Extinction Rebellion" in London im Oktober (Bild: REUTERS/Toby Melville)

Klima-Aktivisten von Extinction Rebellion haben ein berühmtes Gemälde von Claude Monet mit Kartoffelbrei beworfen. Es war eh durch Glas geschützt. Der allgemeine Aufschrei darüber ist also beschämend. Aber er schafft auf seine Art Aufmerksamkeit. Wir brauchen nämlich noch mehr Bilderstürme.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Das Herrliche an Kunst ist mitunter, dass man sich an ihr berauscht. Ihr Anblick lockert die Seele, man fühlt sich leicht oder schwer oder beides zugleich. Da wundert es nicht, dass wir nicht nur ein Volk aus lauter Fußball-Bundestrainern sind, sondern auch Kunstexperten. Also, der „Getreideschober“ von Claude Monet – welch eine Herrlichkeit! Und welch ein Frevel, ihn schnöde mit Kartoffelbrei zu bewerfen, wie es jüngst Aktivisten der Klimaschutztruppe Extinction Rebellion (ER) getan haben!

Ich bin natürlich auch ein ausgewiesener Kenner jeglicher Arte, besonders des Impressionismus, jedenfalls nach innen. Und die Aktion von ER überzeugt mich. Davon muss es noch viel mehr geben. Es rüttelt uns auf.

Die Kunstwelt geht nicht unter

Die Leute von ER warfen den Brei an die Glaswand dieses 110,7 Millionen teuren Gemäldes, um zu verdeutlichen: Die Zeit drängt. Dem Wandel des Klimas schaffen wir es als Menschheit nicht, uns anzupassen, wenn wir so weiterwursteln.

Daher kleben sich die Leute von ER an Straßen fest, bewerfen ein Bild von Vincent van Gogh mit Tomatensauce (auch mit Glas geschützt). Wer sich darüber aufregt, vergießt Krokodilstränen. Da wird so getan, als seien Kunstwerke zerstört worden, man wedelt mit den Taschentüchern und sagt: Klimaschutz, ja gern, aber doch nicht so rabiat, bittschön.

Der Kampf gegen den Klimawandel ist aber kein Ponyhof. Wir vermasseln es gerade. Monet als großer Liebhaber der Natur müsste in den kommenden Jahrzehnten seine Heuschober und das auf sie fallende Abendrot mit einer fahlen Verzweiflung malen, denn sie stünden vor verdorrten und verbrannten Ähren. Das Problem ist größer als Kartoffelbrei auf einem historischen Rahmen, als ein paar Spritzer von ihm an der Decke; als ob das Museum damit nicht fertig würde. Kunst ist zurecht oft öffentliches Gut, sie gehört uns allen. Das macht sie nicht tabu. Sie ist umso mehr ein wichtiger Adressat für Aktionen wie von ER, um eine Welt zu erhalten, in der Bilder wie von Monet auch in der Gegenwart möglich sind.

Was wollen wir denn?

Die Entwicklung der Klimaaktivisten ist folgerichtig. Sie sehen, dass sich nicht genügend bewegt. Noch immer wird Klimaschutz als solches nur beklatscht, solange er nichts kostet. Aber die Rechnungen werden uns an anderer Stelle präsentiert, und zwar den Bauern mit ihren kargen Feldern, den Toten, Verletzten und Beraubten der Flutkatastrophen, in Deutschland und anderswo. Wir feiern den „goldenen Oktober“ mit seinen milden Temperaturen – fragen aber nicht, was dahintersteckt. Schauen nicht, warum die herbstlichen Niederschläge ausbleiben und die Böden noch weiter auszehren. Aber, hey, über Kartoffelbrei und Tomatensauce regen wir uns herrlich auf. Wir sind eben wahre Genießer. Vielleicht sollten die Leute von ER für die nächste Aktion Gänseleberpastete und Hummersuppe nehmen.

Im Video: Kunst oder Leben? Kartoffelbrei auf Monet