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Kommentar: Dürfen Klima-Kleber nach Bali fliegen?

Endlich kann man beim Klima wieder lachen: Zwei Aktivisten der „Letzten Generation“ sind zum Urlaub nach Bali geflogen – und haben den Spott gleich mit gebucht. Die Häme über sie ist aber nur Ausdruck unseres schlechten Gewissens. Und eine Lösung ist sie auch nicht.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Polizisten versuchen in München, eine Blockade der
Polizisten versuchen in München, eine Blockade der "Letzten Generation" zu beenden (Bild: REUTERS/Michaela Rehle)

Klar, Gerichtstermin schwänzen – das ist für Klimaaktivisten konsequent. Schließlich sehen sie die schiere Notwendigkeit ihrer Tat, also zum Beispiel das Blockieren von Straßen. Solch einen Verstoß gegen irgendwelche Ordnung nehmen sie mit Verweis aufs höhere Ziel hin. Ist aber der Flug nach Bali auch solch ein Ziel?

Bei der CDU jauchzen sie, Twitter schäumt über und bei „Bild“ ist man in seiner Paradedisziplin, nämlich dem Pranger Einzelner, um angeblich Größeres damit zu erzählen. Aber es sind tatsächlich zwei Aktivisten der „Letzten Generation“ zum Urlaub nach Bali geflogen – will gar nicht wissen, wie viele Emissionen durch die Maschine in den Himmel gestoßen worden sind. Und Urlaub bleibt schließlich Urlaub (also eine letztendlich zu vernachlässigende Tätigkeit), auch wenn mich in Deutschland seehr oft der Eindruck beschleicht, viele Mitbürger sehen darin ein verbrieftes Grundrecht aus unserer Verfassung oder gar eine Pflicht. Also, nicht ohne meinen Urlaub…

Gratisspott, hausgemacht

Gestern noch Privatperson, heute Negativ-Promi – will auch nicht wissen, wie es den beiden gerade am Strand geht.

Jedenfalls ist es schon ein wenig selbstvergessen, sich für diese Art des Urlaubens zu entscheiden, wenn man vorher andere daran hindert, zur Arbeit zu fahren. Und die Begründung eines Sprechers der „Letzten Generation“, die beiden hätten den Flug als „Privatpersonen“ gebucht, nicht als Klimaschützer, und das müsse man auseinanderhalten können, ist schon jetzt heißer Kandidat für den PR-Gau des Jahres 2023. So gesehen würde ich mein Fleisch nur privat verzehren, beruflich wäre ich natürlich Veganer. Was der Sprecher vielleicht sagen wollte: Damit haben wir nix zu tun.

Hat die Gruppe auch nicht. Seit die Menschheit denken kann, gehört zu ihr Predigen von Wasser und das Trinken von Wein. Das ist normal. Wir sind ja alle zum Glück keine perfekten Wesen. Und der Wein macht das Wasser nicht weniger richtig oder wichtig. Schließlich ist der Wein, also nach Bali fliegen, mit dem Auto statt mit der Bahn zum Job fahren oder Wasweißich auch keine Lösung.

Aber die brauchen wir, Bali hin oder her.

Die Aufforderung zum Nachdenken bleibt

Denn die Emissionen sind schlicht zu viele. Jeden Tag verbraucht auch jeder Einzelne von uns eine Menge davon, und einiges ließe sich problemlos reduzieren. Da ist die Art des Urlaubs nur die Spitze des schmelzenden Eisbergs.

Daher sagt die Häme, die nun über die beiden sich bahn bricht, einiges über unser schlechtes Gewissen aus. Aber erleichtert können wir uns nun auch nicht fühlen, nur weil zwei „Prediger“ erwischt worden sind. Wir wissen doch genau, was wir ändern könnten. Und Änderungen im Großen brauchen auch die Pharisäer. Die Lauten. Die, die eben kleben. Die etwas anschieben. Und dann ist es letztendlich egal, wie inkonsequent ein Einzelner ist. Hauptsache, es bewegt sich endlich mehr im Bewusstsein und im Handeln - denn den Klimawandel kriegen wir nicht anders weg.