Kommentar: Jobrausschmiss wegen Muhammad-Bild?

Muslimische Pilger am Nur-Berg bei Mekka in Saudi-Arabien (Bild: REUTERS/Mohammed Salem)
Muslimische Pilger am Nur-Berg bei Mekka in Saudi-Arabien (Bild: REUTERS/Mohammed Salem)

Eine US-Universität greift durch: Weil eine Dozentin Bilder vom Propheten Muhammad gezeigt hat, soll sie gehen. Doch was sie tat, war nicht islamophob. Die wissenschaftliche Freiheit wiegt mehr als ein Gefühl.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Erika López Prater dachte, sie hätte alles richtig gemacht. Die Dozentin an der Hamline University im amerikanischen Minnesota hatte ein Online-Seminar gegeben, über Kunst und Weltreligionen. Klar, dass es da um bildliche Darstellungen ging. Und um sicherzugehen, dass persönliche religiöse Gefühle der am Seminar Teilnehmenden nicht verletzt werden, sagte sie vorher: Jetzt kommt dies, passt auf, schaut zur Not weg.

Das hätte wohl reichen sollen. Tat es aber nicht. Eine muslimische Studentin beschwerte sich später – und löste einen Sturm aus. Sie sagte, sie sei als Muslimin durch die Bilder in ihren Gefühlen verletzt worden, man habe sie ausgeschlossen und respektlos behandelt. „Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein“, sagte sie nach Angaben der „Neuen Zürcher Zeitung“ der Studentenzeitung „Hamline Oracle“. Und organisierte ein Forum über Islamophobie. Dort fragte sie, laut der „New York Times“ unter Tränen, was man denn morgens um 8 Uhr tun solle, „wenn jemand deine Religion beleidigt“.

Die Dozentin zeigte keine beleidigenden Bilder über den Propheten, auch keine spottenden, keine Karikatur. Sie zeigte Werke islamischer Künstler. Vorausgesetzt also, dass sich Prater nicht beleidigend geäußert hat (worüber nichts überliefert ist) und lediglich diese Gemälde betrachten ließ, irrt die Studentin gewaltig.

Ein Bilderverbot wurde in der islamischen Geschichte, wie in der christlichen, kontrovers diskutiert. Während in der Frühzeit des Islams eine Abbildung von Menschen Alltag war, schälte sich in den Debatten eine Tendenz hin zu einer Bannung heraus. Gegenüber dem Propheten war man noch vorsichtiger. Dennoch gibt es viele, viele Abbildungen Muhammads, meist als Buchbetitelungen aus safawidischer und osmanischer Zeit, also unserem späten Mittelalter.

Denn im Koran findet sich keine konkrete Stelle, die sowas verbietet. Zahlreiche Hadithe thematisieren das schon, also die überlieferten Geschichten über Sprüche und Verhaltensweisen Muhammads, die nicht im Koran stehen. Aber sie bleiben Teil einer islamisch-theologischen Debatte, welche die amerikanische Studentin offenbar nicht führen wollte, was ihr gutes Recht ist.

Zielführend ist das alles nicht

Sie kann sich auch guten Gewissens dagegen entscheiden, ein Bild vom Propheten anzufertigen oder eines anzuschauen. Was aber Anmaßung ist, wenn sie eine Betrachtung an einer Universität untersagt sehen will; ein typischer Fall von Grenzüberschreitung.

Muslime werden in den USA wie in Europa oft diskriminiert und ausgeschlossen. Meist wird der Islam nur als Vehikel missbraucht, um den Rassismus dahinter zu verschleiern. Aber unter der so genannten „Islam-Kritik“ hat sich eine Tendenz herausgebildet, die in dieser Religion teilweise wahnhaft Negatives sieht. Umso tragischer also, wenn in diesem Fall an der US-Uni eine Islamophobie beklagt wird, die es nicht gab. Ja, es mag ein unangenehmes Gefühl verursachen, wenn man während eines Seminars von einer inhaltlichen Einheit ausgeschlossen wird, weil man Traditionen im Glauben folgen will. Das aber ist nicht automatisch eine Diskriminierung. Der Ausschluss geschieht nur für einen kurzen Moment. Und aktiv vollzog ihn die Studentin selbst. Also: Ein Bild des Propheten zu zeigen, ist keine Beleidigung der Religion.

Leider entschied die Universitätsleitung gegen die Dozentin. Und teilte mit, man werde künftig auf ihre Dienste verzichten. Die Universitätspräsidentin unterzeichnete eine Mail mit der Aussage, dass der Respekt für muslimische Studenten in diesem Fall mehr zähle als akademische Freiheit. Das ist schlicht ein Kotau der Wissenschaft vor ihren eigenen Prinzipien. Hier wurde dem Gefühl eines Menschen nachgegeben, und zwar mit negativen Konsequenzen für einen anderen.

Ach ja, Hitler darf nicht fehlen

Die NZZ zitierte dann noch einen Sprecher des Council on American-Islamic Relations, einer wichtigen Organisation, nach dem solch kontroverser „Stuff“ an der Universität nicht gelehrt werden dürfe. Genauso gut könne man den Schülern beibringen, „warum Hitler gut war“. Diese Argumentation ist unterirdisch. Natürlich gehört Kontroverses an die Uni. Ohne Debatte, Zweifel, Argument und Gegenargument funktioniert Wissenschaft nicht. Der Sprecher scheint eine Forschungseinrichtung mit einer Koranschule für Jugendliche oder mit einer christlichen Sonntagsschule zu verwechseln. Und auf den Versuch, wissenschaftlich „beizubringen“, warum Hitler gut gewesen sein könnte, wäre ich gespannt; abgesehen, dass Studierenden nichts „beigebracht“ wird, sondern sie es sich zu erlernen haben.

Wissenschaft schaut hin, nicht weg. Und wer partiell etwas nicht sehen will, kann dies tun – findet auch einen kreativen Weg, wissenschaftlich mitzuhalten, wie bei diesem Kunstseminar. Aber die eigene Gepflogenheit Anderen aufzuzwingen, hat nichts mit Menschenrechten und Empowerment zu tun.