Kommentar: Schmeißt das Abkommen mit Iran in die Atom-Tonne!

Eine Demonstrantin hat sich in London bei einem Protest gegen die iranische Regierung Anfang Oktober  mit den Landesfarben geschminkt (Bild: REUTERS/Henry Nicholls)
Eine Demonstrantin hat sich in London bei einem Protest gegen die iranische Regierung Anfang Oktober mit den Landesfarben geschminkt (Bild: REUTERS/Henry Nicholls)

Deutschland verpennt gerade die Solidarität mit den Regimegegnern Teherans. Das Volk begehrt auf: für mehr Freiheit. Daher sind jetzt Versuche überflüssig, mit den Herrschern noch einen Deal hinzukriegen – mit einem Atomabkommen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Bei der SPD machen sie offensichtlich den gleichen Fehler gerne öfters. Da fordert SPD-Chefin Saskia Esken gegenüber dem Iran das einzig Richtige, und statt sich sofort hinter ihr zu versammeln, kluglabern einige SPD-Granden wieder vor sich hin.

Sie sind dabei, eine historische Chance wie Pflicht zu vermasseln: Esken hat erklärt, so, wie derzeit gegen die demonstrierenden Frauen und Männer auf den Straßen im Iran vorgegangen werde, „müssen die Gespräche enden“. Welche? Es geht um das so genannte Atomabkommen, um das seit Jahren verhandelt wird. Damit soll die iranische Regierung davon abgebracht werden, Atomwaffen zu bauen. Genau das versucht sie seit vielen Jahren zielstrebig, vielleicht haben die Mullahs ihr Ziel auch schon erreicht. Sich um solch ein Abkommen zu bemühen, machte stets Sinn. Doch der ist mit den Protesten im Land abhandengekommen.

Jetzt gilt es, Solidarität zu zeigen. Die Bevölkerung im Iran steht gegen die Diktatur auf. Es begannen die Frauen, als Reaktion auf die mutmaßliche Ermordung einer Frau auf einem Polizeirevier, weil sie angeblich das Kopftuch nicht tiptop getragen hätte. Dann traten den Frauen die Studierenden zur Seite, die Ehemänner, die Arbeiter und die Anwälte – eine Revolte gegen die so genannte Herrschaft der Religionsgelehrten mit all ihren ideologischen Verengtheiten, der geistlichen Vetternwirtschaft. Damit hat die iranische Regierung jede Legitimität und Basis verloren, ein internationales Abkommen auszuhandeln, das ihm irgendetwas bringen sollte. Allein zwei aktuelle Details zeigen, wie mies die Diktatur daherkommt: Russland kauft gerade vermehrt Waffen aus dem Iran – so viel zum guten Gewissen der islamischen Theologen an der Macht. Und an der Frankfurter Buchmesse wird sich das Land mit fadenscheinigen Begründungen nicht beteiligen; man fürchtet offensichtlich unbequeme Fragen.

Unter den Talaren…

Die Herrschaft der Religionsgelehrten war von Beginn an, also seit Ende der vorigen Siebziger, eine einzige Anmaßung. Es wird endlich Zeit, dass die Gesellschaft die Talare hebt und ein wenig lüftet.

Dies ist nicht die erste Erhebung aus dem Volk gegenüber dem Regime. Vielleicht wird es auch nicht die letzte sein. Aber jetzt ist ein historischer Moment gekommen, denn der geäußerte Unmut ist so groß wie noch nie. Es gibt tatsächlich die Chance, dass sich etwas ändert; sei es durch umfassende Reformen der Mullahs oder durch eine Revolution, die ihre Herrschaft beendet.

Daraus resultiert eine Pflicht für freiere Länder wie Deutschland, den Protestierenden zu helfen, ihnen beizustehen. Sicherlich werden viele Iranerinnen und Iraner in den vergangenen Jahren nichts gegen ein Atomabkommen gehabt haben, würde es doch ein Ende von Wirtschaftssanktionen bedeuten. Doch jetzt haben sie andere Sorgen. Jetzt steht die Freiheit auf der Agenda.

Außenpolitiker auf Weitwegkurs

Schon interessant, dass dieser Wert bei einigen Genossen anscheinend nicht mehr so hoch im Kurs steht. Da gibt es zum Beispiel den Außenpolitiker Nils Schmid. Der sagte dem ZDF, ein Abbruch der Gespräche habe mit einer verantwortungsvollen Außenpolitik nichts zu tun. So würde ein Iran mit Atomwaffen etwa unmittelbar die Sicherheit Israels gefährden und die regionale Stabilität bedrohen. Außerdem wäre ein Rüstungswettlauf zu befürchten. Schmid meint also, es wäre verantwortungsvoll, den Demonstranten in den Rücken zu fallen – die versuchen nämlich das Regime zu schwächen, und ein Atomabkommen würde es im Gegenteil stärken. Schmid sagt eigentlich damit: Ich bin verantwortungsvoll (und schlau), habe eben den außenpolitischen Durchblick. Doch der verirrt sich im Gegenteil in der Ferne und verliert das Wesentliche aus den Augen. Dass Schmid dann die Sicherheit Israels als Argument hervorholt, ist schon ironisch: Die verschiedenen israelischen Regierungen mögen sich sehr uneins gewesen sein, was sie aber alle einte, war die Ablehnung von Verhandlungen zu einem Atomabkommen. Israelische Politiker plädierten immer für eine harte Hand – das erschien mir zu rabiat und feindbildorientiert. Nun aber, wo das iranische Regime im Grunde ohne Kleider und ohne Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit offensichtlich dasteht, haben sich diese Verhandlungen erledigt.

Irgendeiner bei der SPD sollte die Glocken läuten. Mit Verantwortung und Stabilität hatten unzählige SPD-Naseweise für die Gasbindung an Russland geworben. Wandel durch Handel hieß diese Lüge. Nun drohen die Sozialdemokraten, diesen Fehler zu wiederholen. Sie sollten rasch auf ihre Vorsitzende hören.

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