Kommentar: Seehofer braucht dringend Ballettunterricht

Bei den verbalen Pirouetten Horst Seehofers kann es einem schon schwindlig werden (Bild: AP Photo/Markus Schreiber)
Bei den verbalen Pirouetten Horst Seehofers kann es einem schon schwindlig werden (Bild: AP Photo/Markus Schreiber)

Der neue Innenminister ist keine Woche im Amt und schon ein Irrlicht. Er benötigt Nachhilfe beim Spagat.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Wäre man zynisch, so könnte man Horst Seehofer zu seinem Aufmerksamkeitserfolg beglückwünschen. Nach seiner “Der Islam gehört nicht zu Deutschland”-Verortung im besten Sinne einer Quadratur des Kreises gab es aus dem Nordosten eine Zustimmung besonderer Art: Grabkerzen, rote Rosen und Fotos von ermordeten jungen Frauen hatten Akteure der “Identitären Bewegung” vor dem Wahlkreisbüro von Angela Merkel platziert, dazu mit Kreide auf den Boden geschrieben: “Der Islam gehört zu Deutschland?”

Wäre diese Aktion auch geschehen, wenn Seehofer nicht jenes Fass mit der blöden Islam-Frage aufgemacht hätte?

Für den neuen Bundesinnenminister wird es hart. Denn Seehofer wird einen Spagat versuchen, der bei seinen aktuellen Tanzversuchen nur auf dem Hosenboden wird enden können. Zuerst stieß er Muslime in Deutschland vor den Kopf, indem er in einem Interview meinte, deren Religion gehöre nicht hierher, obwohl sie doch längst da ist. Und heute dann, in seiner ersten Rede als Kabinettsmitglied vorm Bundestag, sagte der CSU-Parteichef, Spaltung und Polarisierung seien “ideologische Teilchenbeschleuniger”. Deshalb sei es sein Ziel, “gesellschaftlicher Polarisierung entgegenzuwirken, Gruppen zusammenzuführen” und “Politik für die Menschen in unserem Land” zu machen.

Die Grube, die er schaufelte…

Also was denn nun? Den tiefsten Graben der Woche hatte Seehofer doch selbst ausgehoben. Sein Satz mit dem Islam und dem Deutschland ist hoch ideologisch, weil er das Faktische negiert. Und daher entwickelten sich Seehofers Worte zu einem Teilchenbeschleuniger, der nicht dazu geeignet ist, Gruppen zusammenzuführen. Die erste Islam-Konferenz unter Seehofers Vorsitz wird lustig werden.

Nun geht es nicht darum, Hans oder Ali nach dem Mund zu reden. Aber Seehofers Motiv umriss ein AfD-Abgeordneter genau, als er auf dessen Rede im Plenum erwiderte, Seehofer wolle AfD-Wähler zurückgewinnen und die Partei ein bisschen kopieren. In diesem Fall setzt Seehofer auf alternative Fakten, oder gefühlte Fakten, denn die Fakten sprechen eine andere Sprache: Den Islam als Gesamtheit einer Religion und Kultur zu ignorieren, seine Prägungen, ist ahistorisch und bestenfalls dumm.

Nach seinem Interview meinte er in einer Art Erklärmanöver, das Christentum habe doch Deutschland geprägt (stimmt) und “viele Elemente des Islams… nicht”. Ist das ein Rückzug? Was, wenn nur einige Elemente des Islams Deutschland geprägt hätten, reicht das für ein Dazugehören?

Wie du mir…

Als dann Merkel die Chuzpe besaß ihm öffentlich zu widersprechen, zeigt Seehofer nun die noch größere Portion davon: Merkels Äußerung habe ihn “völlig unerwartet” getroffen, sagte er. Oha, der arme Junge. Unerwartet, geradezu unvermittelt? Hatte er ERWARTET, dass seine Vorgesetzte einer Aussage im Sinne von “Eins plus Eins ist nicht Zwei” nicht widersprechen würde? Was kann die Kanzlerin dafür, wenn sie denkt, nicht mit Ausschlussparolen am rechten Rand fischen zu wollen? Es sei völlig unnötig gewesen, ihm öffentlich zu widersprechen, weinte Seehofer. Warum eigentlich nicht? Seine Äußerung war ja auch verdammt öffentlich…

…aber Populismus lebt davon, dass er mit zweierlei Maß misst. Und am Ende kommt heraus – eine 5. Hinsetzen. Nachpauken. Und Ballettunterricht nehmen. Dann klappt die Pirouette vielleicht beim nächsten Mal.

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