Kommentar: Willkommen beim Autokraten-Ausverkauf

Die Herrscher von Russland und China sitzen an einem Tisch und preisen sich gegenseitig. Ganz ehrlich: Wenn man sich seine Tischnachbarn aussuchen kann – dann besser nicht die. Es gibt ja auch andere Möglichkeiten.

Die Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping bei ihrem Treffen in Samarkand am vergangenen Donnerstag (Bild: Sputnik/Sergey Bobylev)
Die Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping bei ihrem Treffen in Samarkand am Donnerstag. (Bild: Sputnik/Sergey Bobylev)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Es sollte wohl Eindruck machen. Die uneingeschränkten Herrscher über ihre Länder versicherten sich ihrer gegenseitigen Partnerschaft: Diktator Nummer 1, Russlands Wladimir Putin, und Diktator Nummer 2, Chinas Xi Jinping trafen sich in Samarkand und fanden sich offiziell gegenseitig toll. Ein "außenpolitisches Tandem" fiel Putin gar dazu ein; so überschwänglich hörte man ihn in den vergangenen Monaten nicht, eher gab er den eisigen Wortkargen aus Mordor. Aber was man halt so sagt, wenn eine herbe Niederlage aktuell in der Ukraine eingefahren worden ist und die Freunde immer weniger werden.

Die beiden wollen eine neue Weltordnung einläuten. Das liest sich folgendermaßen: Putin sprach von der Gewährleistung der globalen und regionalen Stabilität, und Xi verlautbarte, angesichts von historisch beispiellos kolossalen Veränderungen sei China bereit, zusammen mit den russischen Kollegen die sich schnell verändernde Welt auf einen "stabilen und positiven Pfad" zu bringen. "Stabilität", "stabiler Pfad" – das ist die Ordnung eines Kühlschranks. Mit diesem Trick versuchen zwei Diktatoren, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen: Zuerst wird das äußere Bild einer bösen und chaotischen wie schwachen Welt gemalt und dann ihm ein Gemälde gegenübergestellt, auf dem ein Mann mit freiem Oberkörper gen Sonnenuntergang reitet. Eine ziemlich billige Nummer. Autokraten-Ausverkauf halt.

Wer findet sowas attraktiv?

Was gerade so los ist

Allein drei Meldungen von heute geben binnen drei Minuten Aufschluss. Da erfahren wir von einem neuen Massengrab in der Ukraine, aus einer Stadt, die von russischen Truppen besetzt gewesen war. Dann lesen wir über russische Gefängnisse, in denen Mörder und Räuber als Soldaten rekrutiert werden, weil es an der Front schlecht läuft – das klingt nun wirklich wie aus "Herr der Ringe". Und schließlich ereilt uns eine kleine Nachricht, dass in Prag ein Spion aufgeflogen ist, der allerlei Geheimnisse nach Moskau kabelte. Okay, Agenten setzt jedes Land ein. Aber der Fall aus Tschechien ist ein Beispiel dafür, dass die russische Regierung, die von einem Geheimdienstler geführt wird, andere Staaten zu zersetzen und zu schwächen versucht, wo es nur geht. Und nebenbei demonstriert das Treffen von Samarkand, dass sich Putin in totale Abhängigkeit von Xi begibt. Das mit Wirtschaftssanktionen belegte Russland verramscht sein Öl und Gas an Peking, während die Chinesen wie Bolle exportieren und ihre neue Seidenstraße ausbauen. Putin ließ sich in Samarkand über den Tisch ziehen. Er konnte auch nicht anders.

Wir könnten jetzt sagen: All das hat nichts mit uns zu tun.

Das stimmt insoweit, dass man solche Bengel besser nicht zu Buddys macht. Aber es reicht kaum. Es braucht Abstand zu ihnen. Und natürlich dürfen sie mit ihren ständigen Überfallversuchen nicht durchkommen, sonst nehmen sie sich mehr und mehr. So probierte es Putin mit der Ukraine, und Xi träumt von Ähnlichem mit Taiwan. Überrumpelung, die schnelle Regeländerung mit Gewalt, darf sich kaum lohnen.

Das Ganze einmal heruntergebrochen

Wie sowas im Kleinen vonstattengeht, konnte man jüngst im Bundestag beobachten. Da versuchte sich die Abgeordnete Beatrix von Storch in Wildwestmanier. Ihr Ziel: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Der Sozialdemokrat vertritt eine andere Coronapolitik als die AfD und gilt aktuell als schwach und angezählt – zu viele Kompromisse hat ihm der Koalitionspartner FDP abgetrotzt. AfD-Politikerin von Storch hat womöglich gemeint, ihm deshalb auf besondere Art zusetzen zu können, Stichwort: Überfallversuch, diesmal in Sandkastengröße. Sie suchte von ihrem Platz im Plenarsaal aus den Augenkontakt mit Lauterbach auf der Regierungsbank. Dann schreibt "Spiegel-Online" weiter: "Demnach äußerte sie laut vernehmlich die Worte: 'Sie sind völlig irre!', begleitet von einer kreisrunden Fingerbewegung am Rande ihrer Stirn, was Lauterbach als 'einen Vogel zeigen' interpretierte." Eine sachliche Auseinandersetzung sieht anders aus. Es ist vielmehr ein Manöver des "noch einen mitgeben".

Der Sozialdemokrat indes zog Grenzen. Er erstattete bei der Polizei Anzeige wegen Beleidigung. "Als Zeugen sind in der Anzeige bei der Polizei Berlin Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Soziales Annette Kramme angegeben." Ist das nicht herrlich? So macht man das.

Im Video: Gipfel in Usbekistan - Putin trifft auf Freund Xi