Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Washington (dpa) - Die Ukraine setzt die von den USA gelieferte Streumunition nach Angaben des Weißes Hauses bereits im Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer ein. «Sie setzen sie angemessen ein, sie setzen sie effektiv ein», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der US-Regierung, John Kirby, am Donnerstag.

Die USA warnen zudem vor russischen False-Flag-Aktionen im Schwarzen Meer. Unterdessen reichte der ukrainische Kulturminister seinen Rücktritt ein. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in seiner abendlichen Videoansprache zu hohe Ausgaben aus dem Staatshaushalt für kulturelle Projekte in Kriegszeiten infrage gestellt.

Washington: Einsatz von Streumunition wirkt sich bereits aus

Der Einsatz der Streumunition wirke sich bereits auf russische Verteidigungsstellungen und Offensivmanöver aus, sagte Kirby. Für weitere Details verwies er an die Ukrainer. Das Pentagon hatte vergangene Woche bestätigt, dass die kurz zuvor von den USA zugesagte Streumunition bereits in der Ukraine angekommen sei.

"Wie funktioniert Streumunition? (Wiederholung)", Grafik: F. Bökelmann, Redaktion: I. Kugel
"Wie funktioniert Streumunition? (Wiederholung)", Grafik: F. Bökelmann, Redaktion: I. Kugel

Als Streumunition werden Raketen oder Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper verteilen. Sie ist vor allem deshalb umstritten, weil ein erheblicher Teil davon nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und so die Bevölkerung gefährdet. Mehr als 100 Staaten haben ihren Einsatz geächtet, auch Deutschland.

Die Ukraine argumentiert, dass sie diese Waffen dringend zur Verteidigung gegen den bereits seit 17 Monaten andauernden russischen Angriffskrieg und zur Befreiung besetzter Gebiete braucht. Zudem haben internationale Organisationen wie Human Rights Watch nachgewiesen, dass Russland selbst schon seit längerem Streumunition einsetzt. Betroffen von russischem Streubomben-Beschuss waren etwa im vergangenen Jahr Wohngebiete im ostukrainischen Charkiw.

USA: Russland könnte Ukraine Angriffe auf zivile Schiffe vorwerfen

Die US-Regierung warnte zudem erneut davor, dass Russland seine Angriffe nach dem Ausstieg aus dem internationalen Getreideabkommen auf zivile Schiffe im Schwarzen Meer ausweiten und diese dann der Ukraine zur Last legen könnte.

«Unsere Informationen weisen darauf hin, dass Russland weitere Seeminen in den Zufahrten zu ukrainischen Häfen gelegt hat», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby. «Und gestern haben wir beobachtet, dass Russland ein Video der Entdeckung und Detonation einer - wie sie behaupteten - ukrainischen Seemine veröffentlicht hat.» Es sei möglich, dass dieses Video ein «Vorbote» für einen Angriff unter falscher Flagge sein könnte.

Russland hatte am Montag das Abkommen zum Export ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer trotz aller internationaler Appelle für beendet erklärt. Im Anschluss kündigte Moskau an, Schiffe, die ukrainische Häfen ansteuern, künftig als mögliche militärische Ziele zu betrachten. In den vergangenen Nächten griff Russland zudem den Hafen von Odessa, von wo aus in den vergangenen Monaten viele Millionen Tonnen Nahrungsmittel exportiert wurden, sowie andere ukrainische Städte am Schwarzen Meer an.

UN-Chef verurteilt russische Angriffe auf Odessa

UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte die wiederholten russischen Angriffe auf den Hafen von Odessa und andere ukrainische Städte am Schwarzen Meer «aufs Schärfste». «Die Angriffe widersprechen den Verpflichtungen der Russischen Föderation im Rahmen der Absichtserklärung mit den Vereinten Nationen», teilte die Weltorganisation mit. Zudem stelle die Zerstörung ziviler Infrastruktur einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht dar.

Ukrainischer Kulturminister tritt zurück

Nach Unmut über den Umgang mit staatlichen Geldern hat der ukrainische Kulturminister Olexander Tkatschenko seinen Rücktritt eingereicht. Es habe «eine Welle von Missverständnissen über die Bedeutung der Kultur in Kriegszeiten» gegeben, führte Tkatschenko bei Telegram als Erklärung für seinen Schritt an. Danach habe ihn eine Aussage von Präsident Selenskyj zu diesem Thema überrascht.

Selenskyj hatte in seiner abendlichen Videoansprache gesagt, er habe Regierungschef Denys Schmyhal gebeten, eine Ersetzung Tkatschenkos in Betracht zu ziehen. Zuvor hatten ukrainische Medien berichtet, der Kulturminister wolle 500 Millionen Hrywnja (rund 12 Mio Euro) für die Fertigstellung eines nationalen Museums ausgeben, das an die Opfer des Genozids Holodomor in den 1930er Jahren erinnern soll.

Auf seinem Telegram-Kanal schrieb Tkatschenko, Mittel für Kultur seien während des Krieges nicht weniger wichtig als Mittel für Drohnen, «denn Kultur ist der Schutzschild unserer Identität und unserer Grenzen».

Selenskyj kritisierte in seiner Ansprache: «In Kriegszeiten wie diesen sollte die Hauptaufmerksamkeit des Staates, und damit auch der staatlichen Ressourcen, auf die Verteidigung entfallen». Zwar seien Museen und andere kulturelle Bereiche wichtig, «aber gerade haben wir andere Prioritäten». Nach rund 17 Monaten russischem Angriffskrieg habe die ukrainische Gesellschaft Verständnis dafür, dass an nicht dringend notwendigen Dingen derzeit gespart werden müsse.

IAEA: Warten auf Zugang zu Dächern von AKW Saporischschja

Experten der Internationalen Atomenergiebehörde warten weiterhin auf Zugang zu den Dächern des von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerks Saporischschja. Die Spezialisten hätten Anfang der Woche weitere Inspektionen der Anlage vorgenommen, dabei aber bisher keine sichtbaren Anzeichen von Sprengstoff oder Minen entdeckt, sagte IAEA-Direktor Rafael Grossi laut einem Bericht der Behörde vom Donnerstag. Die IAEA verlange aber weiterhin Zugang zu den Dächern der Reaktoren und ihrer Turbinenhallen, so Grossi.

Infografik: Die Kernkraftwerke der Ukraine | Statista
Infografik: Die Kernkraftwerke der Ukraine | Statista

Russische Truppen hatten das AKW kurz nach Kriegsbeginn vor fast 17 Monaten besetzt. Mehrfach geriet die Anlage unter Beschuss, was trotz ihres Herunterfahrens international die Sorge vor einer Atomkatastrophe steigerte. Seit Monaten verdächtigen sich Moskau und Kiew gegenseitig, gezielt ein Unglück an der Nuklearanlage zu provozieren, entweder durch Beschuss oder durch Verminung.

Was heute wichtig wird

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) trifft bei seinem Antrittsbesuch in Prag heute mit seiner tschechischen Kollegin Jana Cernochova zusammen. Ein Thema dürfte eine mögliche Beschaffung von Leopard-Kampfpanzern in der Ausführung 2A8 sein. Im Rahmen eines Ringtauschs hat Tschechien von Deutschland bereits die ersten von 14 Leopard-Panzern in der Ausführung 2A4 erhalten. Der Nato-Mitgliedstaat bekommt damit modernen Ersatz für an die Ukraine gelieferte T72-Panzer sowjetischer Bauart.