Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

In der Nacht hat es neue Angriffe von Russland gegeben, die weiterhin auch gezielt die Energieversorgung angreifen (Symbolbild: REUTERS/Mykola Synelnykov)
In der Nacht hat es neue Angriffe von Russland gegeben, die weiterhin auch gezielt die Energieversorgung angreifen (Symbolbild: REUTERS/Mykola Synelnykov)

Kiew (dpa) - Russland hat die benachbarte Ukraine in der Nacht erneut mit schweren vor allem gegen die Energieversorgung gerichteten Raketen- und Drohnenangriffen überzogen. Es seien Anlagen in den Gebieten Dnipropetrowsk, Donezk, Kirowohrad, Iwano-Frankiwsk und Saporischschja attackiert worden, schrieb der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko auf Facebook. Daneben wurden aber auch andere zivile Objekte getroffen. In der Stadt Balaklija im Gebiet Charkiw gab es zwölf Verletzte durch Treffer in Wohnhäusern, darunter acht Kinder.

Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe hat Russland dabei 53 Raketen und Marschflugkörper sowie 47 Drohnen eingesetzt. Die Marschflugkörper wurden dabei teilweise weit hinter der Grenze von russischen strategischen Bombern des Typs Tu-95 im Gebiet Saratow oder über dem Kaspischen Meer abgefeuert. Die ukrainische Luftwaffe hat nach eigener Darstellung 30 Marschflugkörper vom Typ Ch-101 und 4 des Typs Kalibr sowie eine Iskander-Rakete abgeschossen. Zudem seien 46 der 47 Drohnen abgefangen worden.

Die Attacke ist Teil der von Russland systematisch betriebenen Zerstörung der ukrainischen Energieversorgung. In den vergangenen zwei Jahren hat das russische Militär bereits Stromkapazitäten von rund 8000 Megawatt in der Ukraine vernichtet. Ziel ist es, den Widerstandswillen auch der Zivilbevölkerung im Nachbarland zu brechen. Wegen der ständigen russischen Angriffe gibt es häufig flächendeckend Stromausfälle.

«Das Ziel ist es, nicht ohne Strom zu bleiben und das System aufrechtzuerhalten», begründete Energieminister Herman Haluschtschenko die einschneidende Maßnahme. Es seien erhebliche Mittel für die Reparaturarbeiten in beschädigten Kraftwerken, Umspannwerken und an Hochspannungsleitungen nötig.

«Leider ist klar, dass der Beschuss von Energieobjekten durch den Feind fortgesetzt werden wird und wir müssen alle möglichen Ressourcen einsetzen», unterstrich der Minister. Es ist bereits die zweite massive Strompreiserhöhung für die Ukrainer seit Kriegsbeginn. Umgerechnet müssen damit ab heute knapp zehn Cent für die Kilowattstunde bezahlt werden.

Nach den russischen Angriffen der vergangenen Monate auf Energieanlagen muss die Ukraine die Strompreise drastisch anheben
Nach den russischen Angriffen der vergangenen Monate auf Energieanlagen muss die Ukraine die Strompreise drastisch anheben (Bild: dpa)

Nato-Generalsekretär Stoltenberg forderte die Alliierten dazu auf, der Ukraine Militärhilfen im Wert von jährlich mindestens 40 Milliarden Euro zu garantieren. Es gehe dabei auch darum, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu zeigen, dass er seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht gewinnen werde, erklärte Stoltenberg nach einem Treffen mit den Außenministern der 32 Nato-Staaten in Prag. Der Betrag von 40 Milliarden Euro würde in etwa der bisherigen jährlichen Unterstützung der Alliierten seit dem Beginn der russischen Invasion entsprechen.

Zugleich übte Stoltenberg mit Blick auf Russlands Krieg scharfe Kritik an China. «Ohne die Unterstützung Chinas wäre Russland nicht in der Lage, den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu führen», sagte er. China liefere Russland große Mengen an Ausrüstung, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden könne. Dazu gehörten etwa High-End-Technologie und Halbleiter.

«Die Ukraine hat nicht genug Defensiv-Waffen, um das Leben ihrer Menschen zu schützen», sagte Vize-Kanzler Robert Habeck der Deutschen Presse-Agentur. Das sei auch deshalb so, weil die Unterstützer der Ukraine nicht genug geliefert hätten beziehungsweise lieferten.

Der Beschuss von Charkiw erfolge von russischem Gebiet. «Es ist nur folgerichtig, dass sich die Ukraine verteidigt, indem sie die Angriffe aus Russland verhindern kann. Ihr das zu untersagen, würde den Tod weiterer Menschen bedeuten», sagte der Wirtschafts- und Klimaschutzminister mit Blick auf die Entscheidung der Bundesregierung, der Ukraine den Einsatz von aus Deutschland gelieferten Waffen gegen militärische Ziele in Russland zu erlauben.

Kurz zuvor hatten auch die USA der Ukraine die Erlaubnis erteilt, bei der Verteidigung der ostukrainischen Großstadt Charkiw US-Waffen gegen nahe gelegenes russisches Gebiet einzusetzen. Eine Ausweitung dieser Waffeneinsatzerlaubnis schloss US-Außenminister Antony Blinken nicht aus. Belgiens Premierminister Alexander De Croo hingegen erklärte während eines Besuchs in Washington, sein Land stimme dem Einsatz belgischer Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium nicht zu. Die Frage wird unter Nato-Staaten kontrovers diskutiert.