Krieg in der Ukraine: Die Ereignisse am Montag

Die Ukraine rechnet mit einem russischen Großangriff auf das Zentrum ihrer Verteidigungskräfte im Donbass. Aber auch im Süden des Landes wird weiter gekämpft. In Brüssel bemühen sich die EU-Staats- und Regierungschefs um eine Einigung auf ein Öl-Embargo.

Zeugnisse eines russischen Militärangriffs. (Bild: Reuters)
Zeugnisse eines russischen Militärangriffs. (Bild: Reuters)

Berlin - Die russischen Streitkräfte bereiten nach ukrainischen Angaben einen groß angelegten Angriff auf den Raum Slowjansk, das Zentrum der ukrainischen Verteidigungskräfte im Donbass, vor. Daneben steht aber auch weiterhin der Raum Sjewjerodonezk im Fokus der russischen Angriffsbemühungen im Donbass. Ukrainische Behörden berichteten am 96. Kriegstag von einer Offensive im Süden des Landes. Der Angriff Russlands auf sein Nachbarland begann am 24. Februar.

Vor einem Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten in Brüssel hieß es, EU-Ratspräsident Charles Michel wolle eine Einigung zum Öl-Embargo gegen Russland erreichen. Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich vor dem Gipfel zuversichtlich, dass es zu einer Einigung kommen kann.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wollte per Video-Schalte zu den Gipfelteilnehmern sprechen. Er wirft Russland einen Vernichtungskrieg vor. Ein weiterer Vorwurf lautet, dass Russland - das seit Wochen ukrainische Agrarexporte übers Meer blockiert - aus dem besetzten Schwarzmeergebiet Cherson Getreide ins eigene Land bringt.

Russland bereitet laut Ukraine Großangriff auf Slowjansk vor

Die russischen Truppen verlegten neue Einheiten nach Slowjansk, um das Gebiet sowohl von Isjum als auch von der kürzlich eroberten Kleinstadt Lyman aus anzugreifen, hieß es im Lagebericht des ukrainischen Generalstabs. Der Raum Slowjansk-Kramatorsk ist der größte Ballungsraum im Donbass, der noch unter Kontrolle Kiews steht. Hier ist auch das Oberkommando der Streitkräfte im Osten des Landes stationiert. Daneben steht aber auch weiterhin der Raum Sjewjerodonezk-Lyssytschansk im Fokus der russischen Angriffsbemühungen im Donbass. In Sjewjerodonezk haben sich russische Einheiten demnach bereits im Nordosten und Südosten der Stadt festgesetzt. Auch hierhin sollen zur Unterstützung weitere Einheiten aus Russland verlegt werden.

Ukrainische Behörden berichten über Offensive im Süden des Landes

Das ukrainische Militär setzte nach eigenen Angaben seine Offensive an der Grenze zwischen den Gebieten Mykolajiw und Cherson im Süden der Ukraine fort. "Die Lage im Süden ist dynamisch und gespannt", teilte das Oberkommando des ukrainischen Wehrkreises Süd in der Nacht zum Montag mit. Russland ziehe Reserven zusammen und versuche, die Frontlinien im Gebiet Cherson zu befestigen.

Das russische Militär beschoss nach eigenen Angaben eine Werft in Mykolajiw. Mit Luft-, Raketen- und Artillerieangriffen seien zudem in den vergangenen 24 Stunden Dutzende Kommandopunkte und Gefechtsstände im ostukrainischen Donbass-Gebiet, Fernmeldestellen und zahlreiche Truppenansammlungen vernichtet worden. Diese Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

London: Russland erleidet "verheerende Verluste" bei Offizieren

Nach Erkenntnissen des britischen Geheimdienstes hat Russland bisher "verheerende Verluste" in seinem Offizierskorps erlitten. Brigade- und Bataillonskommandeure seien an vorderster Front aktiv, teilte das Verteidigungsministerium in London am Montag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Dies liege zum einen daran, dass sie für den Erfolg ihrer Einheiten persönlich verantwortlich gemacht würden. Zudem fehlten der russischen Armee qualifizierte Unteroffiziere, die bei westlichen Streitkräften diese Rolle erfüllten.

EU-Ratspräsident will bei Gipfel Einigung zu Öl-Embargo erzielen

EU-Ratspräsident Charles Michel strebt beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel eine Einigung im Streit über das geplante europäische Öl-Embargo gegen Russland an. In einem Entwurf für die Abschlusserklärung der am Montagnachmittag beginnenden Beratungen schlug er vor, sich auf den aktuellen Kompromissvorschlag der EU-Kommission zu verständigen. Dieser sieht vor, vorerst nur die Einfuhr von per Schiff transportiertem Öl auslaufen zu lassen. Das bislang die Embargo-Pläne blockierende Ungarn könnte sich demnach weiterhin über die riesige Druschba-Pipeline mit Öl aus Russland versorgen.

Getreide aus südukrainischem Cherson nach Russland verfrachtet

Russland, das seit Wochen ukrainische Agrarexporte übers Meer blockiert, hat nun aus dem besetzten Schwarzmeergebiet Cherson Getreide ins eigene Land importiert. Der Export der letztjährigen Ernte nach Russland habe begonnen, sagte der Vizechef der prorussischen Militärverwaltung von Cherson, Kirill Stremoussow, der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. Laut Stremoussow geht es darum, Platz in den Speichern für die neue Ernte zu schaffen. Er machte keine Angaben, zu welchen Bedingungen die Bauern ihre Ernte nach Russland abgegeben haben.

Fast 500.000 Tonnen Getreide hätten russische Truppen illegal aus Charkiw, Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk exportiert, wie der stellvertretende ukrainische Agrarminister, Taras Vysotskyi, sagte.

Gefährdete Russen können auf raschere Aufnahme in Deutschland hoffen

In Deutschland einigte sich die Bundesregierung unterdessen auf Regelungen für die unkomplizierte Aufnahme von Russinnen und Russen, die in ihrem Heimatland als besonders gefährdet gelten. "Die immer brutalere Aggression Russlands gegen die Ukraine wird von immer stärkerer Repression nach innen begleitet, insbesondere gegen die Presse, gegen Menschenrechtler und Oppositionelle", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Für die schnelle und unbürokratische Aufnahme gebe es nun ein Verfahren, das die Einreise erleichtern und Verfahren beschleunigen werde.

Ukrainerinnen fordern Freilassung Gefangener

Nach der Gefangennahme Hunderter ukrainischer Kämpfer des Asow-Regiments in der Hafenstadt Mariupol haben die Schwestern, Ehefrauen und Mütter Russland zur Freilassung der Männer aufgefordert. Die Verteidiger von Mariupol hätten heldenhaft und auf Befehl die Stadt gegen russischen Angriffe verteidigt. "Sie sind Helden und dürfen nicht in Vergessenheit geraten und müssen nach Hause zurückkehren", sagte Natalija Sarizka in Kiew vor Journalisten.

Sie ist Initiatorin der neuen Organisation "Frauen aus Stahl" in Anlehnung an die Männer, die wochenlang in dem Asow-Stahlwerk in Mariupol die Stellung gehalten hatten, bis sich die letzten von ihnen am 20. Mai in Gefangenschaft begaben. Sarizka und weitere Frauen forderten die internationale Gemeinschaft auf, alles für die Freilassung der Männer zu tun.

Nach russischen Angaben kamen etwa 2500 Kämpfer in Gefangenschaft. Unklar ist, wo sie festgehalten werden. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte den Vereinten Nationen und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz zugesichert, dass die Männer gemäß den internationalen Rechtsstandards behandelt würden. Sie sollten auch medizinisch versorgt werden.

Erdogan bietet Istanbul für Friedensverhandlungen an

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat erneut Istanbul als Verhandlungsort für mögliche Gespräche zwischen der Ukraine, Russland und den Vereinten Nationen angeboten. Die Türkei könne dabei eine Beobachterrolle übernehmen, hieß es von türkischer Seite nach einem Telefonat Erdogans mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Putin verwies weiterhin auf die Bereitschaft Russlands, in Abstimmung mit der Türkei den Export von Getreide aus ukrainischen Häfen zu erleichtern, wie der Kreml am Montag mitteilte. Russland könne außerdem "erhebliche Mengen an Düngemitteln" sowie landwirtschaftliche Erzeugnisse exportieren, würden die Sanktionen gegen das Land aufgehoben. Die Ukraine bezeichnet dies als Erpressung. Der Westen will über ein Ende der Sanktionen erst sprechen, wenn Russland den Krieg beendet.

Französischer Kriegsreporter in der Ukraine getötet

Ein französischer Kriegsreporter ist im Osten der Ukraine getötet worden. Der TV-Journalist Frédéric Leclerc-Imhoff sei bei Sjewjerodonezk ums Leben gekommen, als er eine humanitäre Evakuierung begleitete, teilten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Außenministerin Catherine Colonna am Montag mit.

Beide sprachen der Familie und den Kollegen des Journalisten, der für den Sender BFMTV arbeitete, ihr Mitgefühl aus. Frankreich verlange eine zügige und transparente Untersuchung der Umstände dieses zutiefst schockierenden Dramas, erklärte die Außenministerin.

"Der Journalist Frédéric Leclerc-Imhoff war in der Ukraine, um die Realität des Krieges aufzuzeigen", schrieb Macron auf Twitter. "An Bord eines humanitären Busses, zusammen mit Zivilisten, die gezwungen waren, vor den russischen Bomben zu fliehen, wurde er tödlich getroffen." Den Berichterstattern von Kriegsschauplätzen sicherte Macron die bedingungslose Unterstützung Frankreichs zu.

Wie BFMTV berichtete, sei der 32 Jahre alte Reporter von einem Bombensplitter getroffen worden. Es sei sein zweiter Einsatz in der Ukraine seit Beginn des Krieges am 24. Februar gewesen. Ein Kollege, der ihn begleitete, wurde leicht verletzt.

Gazprom will kein Gas mehr an Niederlande liefern

Das russische Staatsunternehmen Gazprom will ab Dienstag kein Gas mehr an die Niederlande liefern. Gazprom werde vom 31. Mai bis zum 30. September bestellte zwei Milliarden Kubikmeter Gas nicht liefern, teilte das niederländische Gasunternehmen GasTerra in Groningen mit. Grund sei, dass die Niederländer sich weigerten, die Rechnungen in Rubel zu bezahlen. Nach Angaben von GasTerra wird es aber nicht zu Versorgungsengpässen kommen, da bereits anderswo Gas eingekauft worden sei.

VIDEO: Selenskyj besucht erstmals seit Kriegsbeginn Osten der Ukraine