"Wir laufen voll!": Landrätin fordert bei "Markus Lanz" einen "Flüchtlingsstopp"

Bund und Länder haben sich jüngst bei einem Migrationsgipfel im Kanzleramt auf zahlreiche Maßnahmen geeinigt. Während Grünen-Chef Omid Nouripour eine Entlastung für die deutschen Kommunen versprach, reagierte Landrätin Bettina Dickes bei "Markus Lanz" äußerst skeptisch.

CDU-Landrätin Bettina Dickes warnte bei
CDU-Landrätin Bettina Dickes warnte bei "Markus Lanz" vor einer Überforderung durch zu viele Geflüchtete: "Wir können nicht mehr, weil wir das, was ich eigentlich auch als menschenwürdig empfinde an Integrationsleistungen, an Unterbringungsmöglichkeiten, nicht mehr leisten können." (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Nachdem in Essen rund 3.000 Menschen zusammenkamen, um bei einer pro-palästinensischen Großdemonstration nicht nur islamistische Banner zu zeigen, sondern auch die Errichtung eines Kalifats zu fordern, ist der Schock in Deutschland groß. Die Politik fasste derweil nach langen Streit im Kanzleramt grundlegende Beschlüsse in der Migrationspolitik. Dabei ging es unter anderem um die Frage, wie das Asylsystem künftig finanziert und wie Kommunen besser entlastet werden können. Bei "Markus Lanz" zeigte sich Grünen-Chef Omid Nouripour stolz auf das Ergebnis, während CDU-Landrätin Bettina Dickes keine großen Hoffnungen auf Besserung hegt.

Am Dienstagabend diskutierte Markus Lanz (l.) mit Grünen-Chef Omid Nouripour (2.v.l.), CDU-Landrätin Bettina Dickes (Mi.), Islam-Experte Eren Güvercin (2.v.r.) und Journalistin Kerstin Münstermann. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Am Dienstagabend diskutierte Markus Lanz (l.) mit Grünen-Chef Omid Nouripour (2.v.l.), CDU-Landrätin Bettina Dickes (Mi.), Islam-Experte Eren Güvercin (2.v.r.) und Journalistin Kerstin Münstermann. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Die Landrätin aus Bad Kreuznach kritisierte im Gespräch mit Lanz, dass es sich um Ankündigungen handle, "die auf der einen Seite richtig" seien und sich "wirklich gut" anhören. "Aber ich sehe die Umsetzung darin ganz, ganz schwierig", so Dickes. Diese Sichtweise wollte Journalistin Kerstin Münstermann nicht teilen: "Es gab schon heute in Deutschland das Einläuten einer anderen Herangehensweise an das Thema Migration." Dickes erklärte daraufhin, dass es ihr jedoch bei Weitem nicht nur ums Geld gehe, sondern vielmehr um die Frage: "Wie viele Menschen können wir noch aufnehmen?" Die Landrätin fügte energisch hinzu, dass mittlerweile rund 50 bis 60 Menschen auf engstem Raum in einem Gebäude leben müssten: "Wir haben einfach überhaupt keinen Wohnraum mehr!" Dies sei laut Dickes "ein Herd von Aggression", der "keine Chance auf Integration" bieten könne.

Omid Nouripour: "Ich kann 'Stopp' rufen, aber das wäre ja nicht real!"

Als Markus Lanz fragte, ob etwas in der deutschen Gesellschaft verrutscht sei, antwortete die Landrätin ernst: "Die Willkommenskultur ist nicht mehr da." Laut Dickes gebe es keine Kita-Plätze oder genügend Kapazitäten bei Hausärzten mehr. "All diese Punkte haben uns an den Rand der Belastungsgrenze gebracht", so Dickes. "Das ist eine bittere Erkenntnis", stellte Markus Lanz erschüttert fest. Omid Nouripour wollte sich dennoch auf das Positive fokussieren und sagte stolz, dass die Regierung die Kommunen entlasten wolle: "Dass gestern dreieinhalb Milliarden rübergekommen und beschlossen worden sind, hätte ich vor drei Tagen noch nicht gedacht. Das ist ein Schritt nach vorne." Dickes konterte prompt: "Diese Überforderung, die wir haben, die können Sie mit keinem Geld der Welt abblocken!"

Grünen-Chef Omid Nouripour forderte bei
Grünen-Chef Omid Nouripour forderte bei "Markus Lanz" ein härteres strafrechtliches Vorgehen gegen muslimischen Antisemitismus. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Die Landrätin warnte: "Wir laufen voll!" Sie forderte einen "Flüchtlingsstopp", da sie keine menschenwürdige Integrationsleistungen oder Unterbringungsmöglichkeiten mehr bieten könne. Darauf reagierte Omid Nouripour emotionslos: "Ich kann 'Stopp' rufen, aber das wäre ja nicht real!" Der ZDF-Moderator kam daher auf das Thema Abschiebung zu sprechen und fragte Dickes, was sie von Scholz' Ankündigung halte, jetzt "massiv abzuschieben". Die Landrätin antwortete wütend, dass "die Hälfte derer, die wir abschieben können" nicht wirklich abgeschoben werden, weil keine Flüge verfügbar seien. Journalistin Münstermann ergänzte nickend, dass es ohnehin "völliger Quatsch" sei, zu sagen, dass man über Abschiebungen das Migrationsthema in den Kommunen regeln könne.

Eren Güvercin: "Wir brauchen auch eine religionspolitische Zeitenwende"

Markus Lanz fragte schließlich: "Gibt es eingewanderten Antisemitismus?" Darauf antwortete Omid Nouripour: "Ich habe im Iran auf dem Schulhof gelernt, dass man Israel auslöschen muss, bevor ich in den Klassenraum durfte." Es sei daher ein Teil des Schulsystems, das Kindern schon früh vermittelt werde "und diese Leute bringen das natürlich mit". Dementsprechend sah der Grünen-Chef die Demonstration in Essen äußerst kritisch und bezeichnete sie als "eine Islamisten-Demo". Laut Nouripour müsse die Demo "ein massives Alarmzeichen" für die Politik sein. Er forderte rechtliche Maßnahmen und sagte: "Wir müssen uns kümmern, dass diese Leute auch sehr klar und deutlich zur Rechenschaft gezogen werden." Gleichzeitig gab er zu, dass es ein "Umsetzungsproblem" im Land gebe, "weil wir nicht genug Personal haben bei der Polizei".

Islam-Experte Eren Güvercin erklärte, dass er der den islamischen Antisemitismus als Schlag ins Gesicht für viele gemäßigte Muslime empfindet. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Islam-Experte Eren Güvercin erklärte, dass er der den islamischen Antisemitismus als Schlag ins Gesicht für viele gemäßigte Muslime empfindet. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Dazu ergänzte Islam-Experte Eren Güvercin mit ernster Miene: "Das tut natürlich mir als gläubigem Moslem weh, wenn ich sehe, dass mein Glaubensbekenntnis (...) von solchen extremistischen Leuten pervertiert wird." Der Experte forderte deshalb einen deutlichen "Aufschrei von uns Muslimen", denn: "Bevor überhaupt die deutsche Politik oder die Medien aufschreien, müssten eigentlich wir als deutsche Muslime sagen: 'Ich überlasse die Definitionshoheit über meinen Glauben nicht solchen Extremisten'." Güvercin forderte zudem eine Abgrenzung von der türkischen Regierung, die momentan im Vergleich zum deutschen Staat "weit mehr Kontrolle" über die Imame habe, "die in deutschen Moscheen predigen": "Wir brauchen auch eine religionspolitische Zeitenwende - das fordere ich von meiner Bundesregierung als muslimischer Staatsbürger dieses Landes."

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