Macron kündigt Neuwahlen nach Sieg der Rechtspopulisten bei Europawahl an

Politisches Erdbeben in Frankreich: Nach dem deutlichen Sieg der französischen Rechtspopulisten bei der Europawahl hat Präsident Emmanuel Macron die Nationalversammlung aufgelöst und vorgezogene Neuwahlen schon für Ende Juni angekündigt. (Ludovic MARIN)
Politisches Erdbeben in Frankreich: Nach dem deutlichen Sieg der französischen Rechtspopulisten bei der Europawahl hat Präsident Emmanuel Macron die Nationalversammlung aufgelöst und vorgezogene Neuwahlen schon für Ende Juni angekündigt. (Ludovic MARIN)

Politisches Erdbeben in Frankreich: Nach dem deutlichen Sieg der französischen Rechtspopulisten bei der Europawahl hat Präsident Emmanuel Macron die Nationalversammlung aufgelöst und vorgezogene Neuwahlen angekündigt. Die Parlamentswahl soll bereits am 30. Juni und die zweite Runde dann am 7. Juli stattfinden, wie Macron am Sonntagabend sagte. Macrons liberale Liste Renaissance stürzte bei der Europawahl auf knapp unter 15 Prozent ab, die Rechtspopulisten von Marine Le Pen hingegen erreichten rund 31,5 Prozent.

Damit erhielt der rechtspopulistische RN (Rassemblement National) mit seinem Spitzenkandidaten Jordan Bardella nach Hochrechnungen mehrerer Umfrageinstitute mehr als doppelt so viele Stimmen wie die Liste des Regierungslagers. Renaissance konnte demnach nur knapp den zweiten Platz vor den Sozialisten behaupten, die mit ihrem Spitzenkandidaten Raphael Glucksmann weniger als einen Punkt hinter dem Macron-Lager lagen.

Bardella forderte umgehende Neuwahlen. Das Ergebnis sei eine "vernichtende Niederlage" für Macron, sagte er. Wenig später kündigte der Präsident tatsächlich überraschend die Neuwahlen in rund drei Wochen an. Er habe beschlossen, den Franzosen "die Entscheidung über unsere parlamentarische Zukunft durch die Wahl zu überlassen", sagte der Präsident in einer Ansprache vom Elysée-Palast aus. "Diese Entscheidung ist ernst und schwer, aber es ist vor allem ein Akt des Vertrauens."

Macron hob hervor, dass Frankreich eine "klare Mehrheit" brauche, um in "Ruhe und Einigkeit" handeln zu können. Er habe die Botschaft der Franzosen verstanden und werde sie "nicht unbeantwortet lassen".

"Wir sind bereit, die Macht auszuüben, wenn die Franzosen uns das Vertrauen schenken", reagierte umgehend RN-Fraktionschefin Marine Le Pen, die 2027 erneut als Präsidentschaftskandidatin antreten will. Die Franzosen hätten eine klare Botschaft an Macron überbracht: "Sie wollen kein technokratisches, von der Wirklichkeit abgehobenes und zunehmend brutales europäisches Konstrukt mehr", schrieb Le Pen im Onlinedienst X.

Der RN konnte bei der Europawahl nicht nur den Spitzenplatz verteidigen, den er bereits 2019 erreicht hatte. Er konnte zudem ein deutlich höheres Ergebnis einfahren. 2019 war der RN auf 23 Prozent gekommen und hatte damit nur einen Punkt vor dem Regierungslager gelegen.

Für Macron bedeutet das Ergebnis einen herben Dämpfer. Er war 2017 mit dem Wahlversprechen angetreten, die Rechtspopulisten überflüssig zu machen. In Frankreich war die Europawahl vorher in erster Linie als Stimmungstest für die Präsidentenwahl 2027 gewertet worden, bei der Macron nicht mehr antreten kann. Marine Le Pen will es dann im vierten Anlauf in den Elysée-Palast schaffen. Umfragen zufolge würde sie derzeit in der ersten Runde der Wahl 2027 vorn liegen.

Bei der Europawahl kam das ultrarechte Lager zusammen mit dem RN in Frankreich sogar auf fast 40 Prozent. Macron zeigte sich entsetzt und verwies darauf, dass die Rechtspopulisten und Rechtsextremen überall in Europa zulegten.

Seine Entscheidung für Neuwahlen ist dennoch riskant: Schon jetzt hat das Regierungslager nur eine relative Mehrheit und könnte im Falle eines RN-Siegs bei der Parlamentswahl zu einer Koalition gezwungen sein - und das wenige Tage vor Beginn der Olympischen Spiele im Juli in Frankreich.

Das gute Abschneiden des RN bei der Europawahl war erwartet worden. Der mediengewandte Spitzenkandidat Bardella hatte sich vor allem auf die Themen Einwanderung, Sicherheit und Kaufkraft konzentriert. Er unterstützte auch den Kurs von Le Pen, die ihre Partei für breitere Wählerschichten öffnen will und daher eine Zusammenarbeit mit erklärten Rechtsextremisten ablehnt. Sie war deshalb auch klar auf Distanz zur AfD in Deutschland gegangen.

Verluste mussten bei der Europawahl in Frankreich hingegen die konservativen Republikaner und die Grünen hinnehmen. Die linkspopulistische LFI konnte indes leicht zulegen und kam nach den Hochrechnungen auf rund neun Prozent. Die Wahlbeteiligung in Frankreich lag mit 52,5 Prozent leicht höher als 2019.

cp/ju