Ukraine-Konferenz in der Schweiz umreißt Grundlinien für mögliche Friedensgespräche

Dutzende Länder haben bei der Ukraine-Konferenz in der Schweiz Grundlinien für mögliche Friedensgespräche zwischen Kiew und Moskau umrissen. Die große Mehrheit der Teilnehmer forderte die Beteiligung "aller Parteien" an einem Friedensprozess. (URS FLUEELER)
Dutzende Länder haben bei der Ukraine-Konferenz in der Schweiz Grundlinien für mögliche Friedensgespräche zwischen Kiew und Moskau umrissen. Die große Mehrheit der Teilnehmer forderte die Beteiligung "aller Parteien" an einem Friedensprozess. (URS FLUEELER)

Über 90 Länder haben bei der Ukraine-Konferenz in der Schweiz Grundlinien für mögliche Friedensgespräche zwischen Kiew und Moskau aufgezeigt. Die große Mehrheit der Teilnehmer forderte am Sonntag die Beteiligung "aller Parteien" an einem Friedensprozess und betonte zugleich die Bedeutung der Souveränität der Ukraine und die Unverletzlichkeit ihrer Grenzen. Die Abschlusserklärung wurde von einer sehr großen Mehrheit der Teilnehmerländer unterstützt, nicht aber von vielen Brics-Staaten wie Indien oder Brasilien.

In der  Abschlusserklärung heißt es: "Wir glauben, dass das Erreichen von Frieden die Einbeziehung von und den Dialog zwischen allen Parteien erfordert." Hervorgehoben wurden dabei "die Prinzipien der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität aller Staaten, einschließlich der Ukraine".

Russland wird in dem Dokument ausdrücklich verantwortlich gemacht für den "anhaltenden Krieg gegen die Ukraine", der weiterhin "umfassendes menschliches Leid und Zerstörung" verursache und "Risiken und Krisen mit globalen Auswirkungen schafft".

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Sonntag, die russische Führung sei "nicht bereit für einen gerechten Frieden". Friedensgespräche könnten schon "morgen" beginnen, wenn die russischen Truppen aus der Ukraine abzögen. Zugleich beklagte Selenskyj, die Militärhilfe für sein Land reiche nicht aus, um den Krieg zu gewinnen.

Ein wichtiges Thema bei dem Treffen war auch die Vermeidung eines atomaren Katastrophenfalls durch den Krieg in der Ukraine, wo unter anderem das Atomkraftwerk Saporischschja im Süden monatelang umkämpft war. Die Ukraine müsse die volle Kontrolle über das Akw erhalten, forderten die Länder in der Abschlusserklärung. Auch jegliche "Bedrohung oder Einsatz von nuklearen Waffen" seien unannehmbar.

Zudem unterstützte die überwiegende Mehrheit der Länder die Forderung nach einem vollständigen Austausch gefangengehaltener Soldaten und der Rückkehr deportierter ukrainischer Kinder. Auch dürfe die "Lebensmittelsicherheit auf keinen Fall militarisiert" werden. Dabei wurde betont, dass die Ukraine ungehinderten Zugang zum Schwarzen Meer und zum Asowschen Meer haben müsse.

Unter anderem Indien, Brasilien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate stimmten der Erklärung nicht zu. Zuvor hatten mehrere Teilnehmer der Ukraine-Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), gefordert, bei künftigen Konferenzen auch Russland einzubeziehen.

Die Ukraine hatte vorgeschlagen, Moskau zu einem weiteren Treffen einzuladen, bei dem dann ein von allen Teilnehmern vereinbarter gemeinsamer Friedensplan vorgelegt werden könnte. Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd betonte am Sonntag allerdings, wie und wann Russland in den Prozess eingebunden werden könne, sei noch unklar.

An den zweitägigen Gesprächen hatten Vertreter aus insgesamt 92 Ländern teilgenommen, darunter zahlreiche Staats- und Regierungschefs. Russland wurde nicht eingeladen, auch China war nicht vertreten.

Am Freitag hatte der russische Präsident Wladimir Putin eine Waffenruhe und Friedensgespräche in Aussicht gestellt, sollte die Ukraine ihre Streitkräfte aus vier von Russland besetzten Gebieten im Osten und Süden der Ukraine abziehen und auf einen Beitritt zur Nato verzichten. Dies wurde in der Schweiz aber überwiegend abgelehnt. Bundeskanzler Scholz wies einen russischen "Diktatfrieden" klar zurück.

Am Sonntag bekräftigte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, die Führung in Kiew solle über einen Truppenabzug aus dem Osten und Süden der Ukraine "nachdenken", um den Weg für Friedensgespräche freizumachen. "Die aktuelle Entwicklung der Lage an der Front zeigt uns eindeutig, dass sie sich für die Ukrainer weiter verschlechtert", sagte Peskow.

Der chilenische Präsident Gabriel Boric sagte bei der Abschlusspressekonferenz in der Schweiz, bei dem Treffen sei es "nicht um die Nato, um linke oder rechte politische Überzeugungen oder die Debatte Nord gegen Süd gegangen". Vielmehr gehe es "um Respekt von internationalem Recht und Menschenrechten als Grundprinzipien unseres Zusammenlebens".

Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo betonte, Afrika sei "das größte Opfer" des Ukraine-Krieges. Die Folgen der russischen Invasion für die Lebensmittelexporte der Ukraine reichten weit über die Grenzen Europas hinweg und träfen einige der ärmsten Länder der Welt.

ck/jes