Neuer Netflix-Film "Paradise": Wenn das Leben zur Ware wird

Ein Guru für die weltverändernde Technologie: Iris Berben spielt die superreiche Firmenchefin Sophie Theissen. (Bild: Netflix)
Ein Guru für die weltverändernde Technologie: Iris Berben spielt die superreiche Firmenchefin Sophie Theissen. (Bild: Netflix)

Bei dieser Netflix-Dystopie ist der Titel alles andere als Programm: Im Sci-Fi-Film "Paradise" greift Kostja Ullmann zu drastischen Mitteln, als seiner Frau 38 Jahre ihres Lebens entzogen werden.

Lebensjahre gegen Lebensträume - mit diesem verlockenden Angebot hat das Unternehmen AEON in einer nicht genannten, nahen Zukunft den Biotechnologie-Markt revolutioniert. Mittels einer minimalinvasiven Behandlung werden den Patienten im Netflix-Film "Paradise" (ab 27. Juli) Lebensjahre ausgesaugt, im Gegenzug winkt ein stattlicher finanzieller Betrag. Verkauft werden die Produkte von sogenannten Donation Managern - wie Max (Kostja Ullmann).

Der führt ein scheinbar perfektes Leben samt seiner wunderbaren Frau Elena (Marlene Tanczik), einer schicken Wohnung und Kinderwunsch. Doch so paradiesisch, wie es der Titel der Dystopie verspricht, gestaltet sich die Lage für Max schon bald nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Die gemeinsame Wohnung brennt ab, die Versicherung will nicht für die Schäden aufkommen - und Elena werden wegen Ersatzansprüchen 38 Jahre ihrer Lebenszeit abgesprochen.

Im Anschluss altert Elena in Rekordzeit, im Handumdrehen wird aus der lebensfrohen, jungen Frau eine vergrämte Seniorin (nun gespielt von Corinna Kirchhoff) samt tiefen Furchen im Gesicht und schlohweißen Haaren auf dem Kopf. Obwohl die Beziehung danach zu zerbrechen droht, gibt Max nicht auf. Sein Hilferuf an die gurueske Firmengründerin Sophie Theissen (Iris Berben) verhallt jedoch unbeantwortet, weshalb er auf weitaus drastischere Methoden zurückgreift.

Max (Kostja Ullmann) arbeitet für AEON, einen Biotechnologieanbieter. (Bild: Netflix)
Max (Kostja Ullmann) arbeitet für AEON, einen Biotechnologieanbieter. (Bild: Netflix)

Netflix-Film "Paradise": alles andere als paradiesich

Was, wenn der Mensch sein Leben eigenmächtig verlängern oder verkürzen könnte? Mit seiner spannenden, wenn auch nicht gerade neuen Prämisse - man denke an den Hollywood-Thriller "In Time - Deine Zeit läuft ab" (2011) - wirft Netflix mit "Paradise" spannende moralische und ethische Fragen auf. Aber was in dem bedrückenden Sci-Fi-Szenario samt beinahe durchgehend recht farblosen und entsättigten Bildern vielversprechend beginnt, verliert mit zunehmender Filmdauer an Ausrichtung. Vor dem Bildschirm gewinnt man den Eindruck, dass sich Regisseur Boris Kunz ("Hindafing"), der mit Peter Kocyla und Simon Amberger auch das Drehbuch beisteuerte, nicht zwischen sozialkritischem Lehrstück und einem Action-Entführungsthriller entscheiden konnte. Um beide Aspekte zu Genüge darzustellen, hätte es wohl eine Serienproduktion gebraucht. So mäandert "Paradise" zum Ende hin recht wirr hin und her.

Die Protagonisten erweisen sich als moralisch korrumpiert. Jeder vertritt seine eigene, flexible Ansicht von dem, was richtig ist. Je länger die Netflix-Produktion dauert, desto wilder ändert der moralische Kompass der Figuren seine Richtung. Auch die Terrorgruppe Adam, die die Degradierung des Menschen zum Vieh und der Lebenszeit zur Ware durch AEON mit Exekutionen erwidert, verkommt leider zum zahnlosen Antagonisten. Alles in allem lässt "Paradise" das Publikum etwas ratlos zurück, was angesichts des starken Beginns inklusive des berührenden Zusammenspiels von Kostja Ullmann und Corinna Kirchhoff schade ist.

Max (Kostja Ullmann) und Elena (Marlene Tanczik) hoffen, den Alterungsprozess doch noch rückgängig machen zu können. (Bild: Netflix / Andrej Vasilenko)
Max (Kostja Ullmann) und Elena (Marlene Tanczik) hoffen, den Alterungsprozess doch noch rückgängig machen zu können. (Bild: Netflix / Andrej Vasilenko)