Reportage aus Herzogenaurach - Während ich einen Blick ins DFB-Camp erhasche, bewässert Kimmich einen Bonsai-Baum

Joshua Kimmich bewässert einen Bonsai-Baum<span class="copyright">DFB</span>
Joshua Kimmich bewässert einen Bonsai-BaumDFB

Zwischen den Spielen ist es erstaunlich ruhig in Herzogenaurach, wo sich die deutsche Nationalmannschaft während der EM niedergelassen hat. Am Freitag sucht unser Reporter einen Blick ins DFB-Camp. Ist er erfolgreich? Und wieso bewässert Joshua Kimmich einen Bonsai-Baum?

Das Tor ist verschlossen, ein Schild warnt vor unbefugtem Zutritt, Kameraüberwachung. Durch die Gitter sehe ich in der Ferne den blauen Mannschaftsbus. Noch steht alles still, alles ruhig. Zumindest wirkt es von außen so.

Am Tag vor dem dritten EM-Spiel trainiert die deutsche Nationalmannschaft unter Ausschluss der Medien. Wir haben keine 15 Minuten Einblick wie sonst. Wer weiß, was Bundestrainer Julian Nagelsmann da für das Spiel gegen die Schweiz ausheckt. Oder arbeitet Standardtrainer Mads Buttgereit wieder eine Überfalltaktik für den Anstoß in Frankfurt aus?

Ein seltener Blick ins DFB-Camp - aber ich sehe nichts

Vielleicht kann ich trotzdem einen Blick auf das Team erhaschen und düse bei leichtem Regen mit einem E-Scooter um das Trainingsgelände in Herzogenaurach, hier ist das DFB-Tram während der EM untergebracht - unter großer Bewachung von Sicherheitspersonal und berittener Polizei.

Die Einfahrt zum Camp ist wie erwartet abgesperrt, auch am Trainingsplatz sind drei Sicherheitsleute stationiert. Das Tor ist zu, der Zaun meterhoch.

Durch das Tor ist der Mannschaftsbus zu erkennen<span class="copyright">FOL</span>
Durch das Tor ist der Mannschaftsbus zu erkennenFOL

Viel zu tun haben sie hier nicht, sagt mir eine Aufpasserin. Hin und wieder fragen Fans oder Fußgänger, ob das Training öffentlich sei, ob man mal einen Blick wagen dürfe. Mehr nicht.

Ein paar hundert Meter weiter um den Trainingsplatz versperren dichte Bäume den Blick auf den Traningsplatz, der hier Homeground heißt. Durch eine kleine Baumlücke ist einer der Bungalows, in denen die Spieler untergebracht sind, zu erkennen.

Kleine Containerhütten mit einzelnen Zimmern, jedes hat einen Balkon. Aus der Ferne kann ich etwas erahnen. Ein paar Minuten stehe ich mit meinem Roller am Zaun gelehnt, starre in den Wald. Vielleicht passiert ja was.

DFB gewährt Camp-Einblick: Kimmich bewässert Bonsai-Baum

Irgendwo, ein paar hundert Meter von mir entfernt, gießt Joshua Kimmich derweil mit einer Sprühflasche ein eingetopftes Bonsaibäumchen und klebt einen blauen Zettel auf eines der Blätter. „Streichle mich“ steht darauf, Abwehrspieler David Raum tut, was er soll, und kitzelt das nasse Grün.

Ein Video davon veröffentlicht der DFB selbst auf Youtube. „Hautnah im DFB-Basecamp“, immerhin ein kleiner Einblick in das, was sich außerhalb der Sichtweite meines Monokulars abspielt.

Feriencamp-Charakter bei der Nationalmannschaft. Die von idyllischen Bäumen umgebenen Bungalows sind sternförmig angeordnet und durch Holzwege miteinander verbunden. Abends sind die Wege und Hütten wunderschön beleuchtet und gleichen aus der Vogelperspektive tatsächlich einem Sternenbild.

Alle Wege führen zu den drei großen Gebäuden am Ende, die einen Pool umkreisen. Hier ist Wellness, Freizeit, Taktikstunde. Auf einer Leinwand hinter dem Schwimmbecken sind alle EM-Spiele zu sehen.

Sandro Wagner jubelt an der Tischtennisplatte

Wenn mal nicht über Fußball und den nächsten Gegner gesprochen wird, daddelt das Team an der Konsole, löst wie Kimmich und Robert Andrich ein paar Kreuzworträtsel oder liefert sich Duelle an der Tischtennisplatte. Im Video ist auch zu sehen, wie Co-Trainer Sandro Wagner gegen Teammanager Markus Löw spielt. Nach einem erfolgreichen Schmetterschlag jubelt der Coach euphorisch in die Kamera. So kennen wir ihn.

Die Mannschaft strahlt eine gewisse Leichtigkeit aus. Der Verband zeigt sich bei sämtlichen Themen souverän, das war bei den vergangenen Turnieren nicht immer der Fall. Der DFB agiert geschickt, gibt immer wieder spannende Häppchen nach außen, ohne zu viel zu verraten.

Schnell wird die Luft aus boulevardesk anmutenden Themen genommen, es wird nach außen offen kommuniziert, über Friseurbesuche im Camp, wie schon Emre Can berichtete, über Vertragsgespräche mit dem eigenen Manager, wie Chris Führich offen zugab, oder auch über die sündige Verführung namens Döner, serviert von Antonio Rüdigers Kumpel Arif Keles aus Berlin.

Alle schlagen bei der kulinarischen Abwechslung kräftig zu. Führich ohne Fleisch, Deniz Undav isst trotz großem Hunger „leider nur einen“, wie die beiden erzählen. Zwei Tage vor dem Spiel gibt es dann wieder Essen nach Vorschrift: Nudeln und Salat. Leidvoller Blick bei Undav. Versteh‘ ich.