Rick Kavanian im Interview: "Ich war überhaupt kein Klassenclown"

Für Rick Kavanian bedeutet Weihnachten nicht zuletzt eine Auszeit. "Jedes Jahr versuche ich, im Dezember bis zum Fest nicht beruflich unterwegs zu sein. Es gelingt mir nie", erzählt er. (Bild: Prime Video / Frank Zauritz)
Für Rick Kavanian bedeutet Weihnachten nicht zuletzt eine Auszeit. "Jedes Jahr versuche ich, im Dezember bis zum Fest nicht beruflich unterwegs zu sein. Es gelingt mir nie", erzählt er. (Bild: Prime Video / Frank Zauritz)

Star-Comedian Rick Kavanian feiert bei "LOL" Weihnachten mit den Kollegen und darf nicht lachen - das macht er dafür im Gespräch. Der Mann, der niemals Klassenclown war, freut sich auf eine zweite Chance bei der Show, um die anderen ab 22. Dezember bei Amazon Prime aus dem Rennen zu witzeln.

Bis zum 50. Geburtstag, so war der Plan, wollte Rick Kavanian eigentlich mal was Ernstes machen. So richtig geklappt hat das nicht. Dafür ist der 52-Jährige in seinem Spezialgebiet viel zu gut und gerne unterwegs: die Leute zum Lachen zu bringen. Ob einst als Grieche Dimitri in der "Bullyparade", in Bühnenprogrammen wie "Egostrip", in dem er zahllose Figuren selbst sprach, in Synchronisationen oder natürlich in Shows wie "LOL: Last One Laughing": In der deutschen Film- und Comedy-Szene hat der Münchner seit über 30 Jahren seinen festen Platz. Kein Wunder: Der in New York ausgebildete Schauspieler trägt ein unerschöpfliches Repertoire an Figuren mit den verschiedensten Stimmen, Dialekten und Akzenten in sich, von denen einige auch im Interview zu Wort kommen. Ungezwungen und locker erzählt Rick Kavanian von seiner ersten Begegnung mit seinem Kumpel und langjährigen Comedy-Partner Michael "Bully" Herbig, von Weihnachten bei den Schwiegereltern und warum er eigentlich Kinderarzt werden wollte. Heute legt er sich auf andere Weise für die Kleinen ins Zeug und dreht häufig auch Kinder-Kino ("Jim Knopf", Hui Buh"). Ab 22. Dezember ist Rick Kavanian bei Amazon Prime in "LOL: Last One Laughing - XMAS Special" zu sehen, in dem prominente Comedians bei Gastgeber Bully zusammen Weihnachten feiern und alles dürfen - außer lachen. Wer am längsten durchhält, gewinnt für einen guten Zweck - eine harte Nuss für Rick Kavanian.

"Hätten wir lachen dürfen, wäre es wie eine echte Weihnachtsfeier gewesen", erzählt Rick Kavanian vom "LOL-Weihnachtsspecial". (Bild: Prime Video / Frank Zauritz)
"Hätten wir lachen dürfen, wäre es wie eine echte Weihnachtsfeier gewesen", erzählt Rick Kavanian vom "LOL-Weihnachtsspecial". (Bild: Prime Video / Frank Zauritz)

Weihnachten im August

teleschau: Wie haben Sie sich auf das Weihnachts-Special von "LOL" vorbereitet? Sie wussten ja schon, was Sie erwartet ...

Rick Kavanian: Genau, ich war in der ersten Staffel schon dabei und bin leider etwas unglücklich als drittes ausgeschieden. Das war ein Stück weit frustrierend, weil ich noch so viel zu erzählen gehabt hätte. Danach habe ich mir vorgenommen, dass mir das nicht noch mal passiert und ich mich noch besser vorbereite. Was daraus geworden ist, das darf ich noch nicht verraten.

teleschau: Wie viel von der Produktion ist Improvisation, und wie viel ist Vorbereitung?

Rick Kavanian: Das ist unterschiedlich und vom Kollegen abhängig - denn jeder macht es anders. Es kann sein, dass jemand etwas vorbereitet hat, was er oder sie dann plötzlich nebenbei performt, wenn wir zusammen beim Essen sitzen. Aber alles, was Requisiten und Dekoration erfordert, eine bestimmte Musik oder Effekte, ist von langer Hand geplant. Dafür wird dann eine Nummer geschrieben. Das ist eher so meine Abteilung.

teleschau: Wie war es für Sie, mit all den Kollegen, die Sie ja schon ewig kennen, dieses Special aufzuzeichnen, dieses Mal in der Hälfte der Zeit und noch dazu im Hochsommer?

Rick Kavanian: Es war wahnsinnig schön, fast zu schön, wenn man bedenkt, dass es sich um eine Wettkampfsituation handelte. Eigentlich hat nur gefehlt, dass wir lachen dürfen, dann wäre es eine echte Weihnachtsfeier geworden (lacht). Ich hätte mit ausnahmslos allen direkt danach in den Urlaub fahren können, es war ja im August.

teleschau: Wie feiern Sie privat gern Weihnachten?

Rick Kavanian: Ich habe das große Glück, jedes Jahr bei der Familie meiner Frau in Frankfurt sein zu dürfen. Meine Schwiegereltern dekorieren, das ist wirklich zum Niederknien. Überall im Haus sind Tannenzweige verteilt, Kerzen, Windspiele, Schokolade, alles wahnsinnig herzlich und liebevoll gemacht, obwohl beide über 80 sind. Auch wenn ich kein Kind mehr bin, werde ich jedes Jahr aufs Neue wieder zum Kind und freue mich sehr darauf.

teleschau: Und die Adventszeit - sind Sie der Nüsseknacktyp, der Glühwein, Geschichten und Weihnachtsmärkte mag?

Rick Kavanian: Ich bin eh ein Nusstyp, weil ich Nüsse einfach gern esse, nicht nur an Weihnachten. Glühwein mag ich auch. Ich war länger nicht auf einem Weihnachtsmarkt, aber das war in den letzten Jahren ja eh reduziert. Ende November waren wir mit Freunden in München auf einer Ausstellung von Damien Hirst, da wurde der Weihnachtsmarkt gerade aufgebaut. Das war eine sehr schöne Stimmung, dieses entschleunigte Miteinandersein. Interessanterweise wollen immer alle entschleunigen, aber gerade die letzten Wochen vor Weihnachten wird es extrem hektisch. Ich versuche immer, dann so wenig Berufliches zu machen wir möglich, aber es haut irgendwie nicht hin. Diese Ausstellung war für mich ein guter Auftakt, weil wir nicht gearbeitet haben.

Auf Weihnachten bei den Schwiegereltern, die alles "unfassbar liebevoll" vorbereiten, freut sich Rick Kavanian jedes Jahr - ganz ohne Ironie.  (Bild: Prime Video / Frank Zauritz)
Auf Weihnachten bei den Schwiegereltern, die alles "unfassbar liebevoll" vorbereiten, freut sich Rick Kavanian jedes Jahr - ganz ohne Ironie. (Bild: Prime Video / Frank Zauritz)

"Mit Zynismus kann ich nichts anfangen"

teleschau: Gibt es etwas, worüber man gerade in politisch unruhigen Zeiten keine Witze machen darf?

Rick Kavanian: Wenn ich spüre, dass es von Herzen kommt und wenn jemand nicht absichtlich verletzen will, kann ich als Künstler auch mit den schwierigsten Themen gut umgehen. Ich komme von der Parodie und der Imitation, da bin ich sehr froh, dass wir in einem Land leben, in dem wir sagen dürfen, was uns im Kopf rumgeht, auch wenn man sich das eine oder andere Mal um eine andere Form bemühen sollte. Aber grundsätzlich finde ich es gut, dass man in der Kunst sagen darf, was man sagen möchte, denn wenn wir uns als Künstler selbst beschneiden, geht Kreativität verloren, und das ist schade, weil wir dann unser Publikum nicht mehr unterhalten können. Mir ist das alles oft zu aggressiv, zu sehr mit erhobenem Zeigefinger, gerade was diese political correctness angeht. Wenn Kunst verletzend, anmaßend, arrogant oder blöd ist, dann wird sie auch kein Publikum finden. Natürlich habe ich als Künstler Schwierigkeiten, wenn ich das Gefühl habe, ich muss mir jedes Wort überlegen und kann überhaupt nicht mehr spontan sein. Jemanden zu verletzen, ist nie meine Art gewesen. Ich bin seit 1990 im Bereich Komik tätig und habe vielleicht in den ersten fünf oder zehn Jahren mal einen Fehler gemacht. Einige politische Dinge liegen auf der Hand, über die sollte man jetzt vielleicht nicht gerade Witze machen, wie damals bei 9/11 auch. Aber die zeitliche Distanz macht es leichter, so hart das auch klingt.

teleschau: Das ist ja wie beim Tabu spielen ...

Rick Kavanian: Ja, man ist beeinflussbar und manchmal zu vorsichtig, und das kann es auch nicht sein. Das ist das Gute bei "LOL": Wenn da mal richtig was daneben geht, könnte man es zur Not noch rausschneiden. Trotzdem würde ich jedem, der auf der Bühne steht, sagen, lass dich davon nicht beeinflussen. Hau raus, was du raushauen möchtest, und wenn es in die Hose geht, kann man sich hinterher immer noch entschuldigen. Man merkt einfach, ob jemand nur aggressiv ist und jemanden abwatschen will oder ob jemand eine interessante Ironie an den Tag legt. Womit ich persönlich nichts anfangen kann, ist Zynismus. Da höre ich immer so eine Verzweiflung raus und spüre, da ist jemand unglücklich mit sich und der Welt.

teleschau: Was läuft bei Ihnen zu Hause im Fernsehprogramm? Etwa Comedy-Shows?

Rick Kavanian: Sie werden lachen, ich habe gestern erst eine Tierdokumentation gesehen, die gucke ich wahnsinnig gerne, überhaupt Dokus auf 3sat oder ARTE. Ich liebe auch Serien oder Basketball in der NBA. Ich bin kein Mensch, der mit Nachrichten oder mit dem Handy ins Bett geht, da brauche ich Distanz. Alles, was blinkt, funkelt oder zu schnell ist, kann ich vor dem Schlafengehen nicht haben, und schon gar nicht negative Nachrichten.

Nachdem Rick Kavanian bei "LOL" einmal ziemlich schnell wieder gehen musste, will er für das Weihnachtsspecial alle Register ziehen. "Das darf nicht wieder passieren!", sagt er. (Bild: Prime Video / Frank Zauritz)
Nachdem Rick Kavanian bei "LOL" einmal ziemlich schnell wieder gehen musste, will er für das Weihnachtsspecial alle Register ziehen. "Das darf nicht wieder passieren!", sagt er. (Bild: Prime Video / Frank Zauritz)

"Mich interessiert, was andere zu erzählen haben"

teleschau: Sie sind seit Jahrzehnten eine verlässliche Größe in der deutschen Comedy-Landschaft. Dabei wollten Sie ursprünglich Kinderarzt werden ...

Rick Kavanian: Das stimmt. Ich habe als Kinder- und Jugendtrainer im Basketball gearbeitet und mag Kinder wahnsinnig gerne. Aber meine Abiturnote war zu schlecht. Darum habe ich keinen Studienplatz bekommen und stattdessen in München Politikwissenschaft studiert, sehr lange zwar, aber wenig erfolgreich. Nach neun Semestern und zwei gescheiterten Zwischenprüfungen bin ich für ein Jahr auf die Schauspielschule nach New York, und als ich 1996 zurückkam, ging es mit der "Bullyparade" los. Und man weiß nicht, wo die letzten 27 Jahre hin sind (lacht).

teleschau: Dafür haben Sie immer wieder auch Filme und Hörspiele für Kinder gemacht ...

Rick Kavanian: Wenn bei irgendwelchen Premieren Kinder vom Kinderradio oder Kinderfernsehen kommen, ist es immer am lustigsten. Die stellen wirklich super Fragen, sind wahnsinnig aufmerksam, und man kann mit ihnen unheimlich gut lachen.

teleschau: Erinnern Sie sich an Ihre allererste Begegnung mit Michael Bully Herbig?

Rick Kavanian: Oh ja, das war eine sehr lustige Geschichte: Wir waren beide damals in einer Münchner Discothek, die hieß Wolkenkratzer, weil das Gebäude damals sehr hoch war. Inzwischen hat man es gekappt. Auf jeden Fall standen wir beide ohne uns zu kennen in dem Fahrstuhl auf der Fahrt in den 15. oder 16. Stock. Bully hatte Cowboystiefel an mit Metallkappen vorne drauf. Er trug einen Trenchcoat, Ohrringe wie George Michael, zwei links, einen rechts, dazu eine Tolle wie Elvis, und er hat einfach nur geguckt. Plötzlich höre ich so Geräusche wie dieses (macht ein taubengurrenähnliches Geräusch nach). Und ich muss so blöd geguckt haben, weil ich so irritiert war, dass der Bully anfing zu lachen. So sind wir ins Gespräch gekommen, und seitdem unterhalten wir uns. Das war im Herbst 1987.

teleschau: Das Geräusch ...

Rick Kavanian: ... kam übrigens von einem Schlüsselanhänger, der acht kleine Knöpfe hatte, von denen jeder einen Sound machen konnte (macht weitere nach). Damit bin ich ihm auf den Leim gegangen.

teleschau: Wenn Sie privat unterwegs sind, wird dann allgemein erwartet, dass Sie die Stimmungskanone sind?

Rick Kavanian: In der Familie und im Freundeskreis weniger. Wenn ich irgendwo neu dazukomme, beruflich vor allem, dann sind die Leute manchmal überrascht, weil ich nicht derjenige bin, der in den Raum reinkommt und wie ein Gorilla anfängt zu trommeln. Ich muss mich erst mal ein bisschen akklimatisieren und gucke, wer so da ist, sauge die Stimmung auf und komme erst mal an. Privat bin ich mal lustig, mal nicht. Familie und Freunde wissen, dass der Rick auch mal nichts sagt. Ich höre auch gerne zu und finde es interessant, was andere zu erzählen haben.

teleschau: Waren Sie eher der Klassenclown oder introvertiert?

Rick Kavanian: Introvertiert tatsächlich. Ich war überhaupt kein Klassenclown. Da gab es andere, die waren sehr lustig und beliebt, und die waren die Clowns, aber das war nicht meine Rolle damals.

teleschau: Was war denn Ihre Rolle?

Rick Kavanian: Kennen Sie die Bezeichnung aus Österreich "aa dabei"? Das heißt: Der war irgendwie mit dabei, nicht in der Führungsriege, aber er hat nicht gestört und war ein lieber Kerl. Wenn überhaupt eine Rolle, dann am ehesten so eine.

Die Sturzgeburt des Griechen Dimitri

teleschau: Haben Sie sich als Kind und Jugendlicher gelegentlich wegen ihrer armenisch-rumänischen Herkunft diskriminiert gefühlt?

Rick Kavanian: Selten. Es gab schon so ein, zwei Sachen, die sehr unangenehm waren, interessanterweise aber gar nicht von Eltern, sondern von Gleichaltrigen oder Jüngeren. Da denke ich heute noch, das haben die Kinder zu Hause aufgeschnappt, denn Kinder untereinander interessiert es ziemlich wenig, ob der eine dunkle Haut oder helle Haare hat oder welche Sprache er spricht. Der ist entweder okay oder nicht okay.

teleschau: Sie haben gefühlt 900 Figuren kreiert, mit Akzent, Dialekt oder was auch immer. Welche davon ist Ihnen die liebste?

Rick Kavanian: (Mit griechischem Akzent) Der Dimitri ist halt ein Ego Alter, der ist immer da. Wir können uns jetzt auf Griechisch unterhalten, gar kein Problem. Der echte Dimi war ein Schulfreund, mit dem ich früher Basketball gespielt habe und den ich sehr mochte. Leider ist er zurück nach Athen. Die Geburt vom Dimi ist ganz lustig. Wir hatten 1997 eine Radioshow, "Bullys Late Light Show", bei Radio Energy. Die Sendung wurde damals auf zwölf oder 14 Stationen fast überall in Deutschland ausgestrahlt, das war für uns natürlich sensationell. Die Sendung lief am späten Abend, und es gab eine Rubrik, bei der die Leute anrufen durften, um mit uns zu quatschen. Diese Rubrik begann ... und keiner rief an. Dann hieß es: "Rick, geh mal nach nebenan und ruf an und sag irgendwas." Ich ging also raus, nahm den Hörer in die Hand und wusste wirklich nicht, was ich mache. Und schon ging Bully ans Telefon und sagte: "Hallo, hier ist Bullys Late Light Show, wer ist dran?" Und ich: "Krass, hier ist der Dimitri aus Kaiserslautern!" Ich habe keine Ahnung, warum ich das gemacht hab. Irgendwie kam das so. Dann kam Bully nach der Sendung und sagte: "Mensch, wie bist du denn da drauf gekommen? Die Leute rufen an und wollen wissen, wer dieser Dimitri ist." So entstand es. Der Dimi basiert auf einer echten Figur. Aber alle, die ich gemacht habe, haben mich eine zeitlang begleitet oder ich durfte ihnen eine Zeitlang zuhören. So entsteht das bei mir oft, durchs Zuhören.

teleschau: Ist das Zuhören also Ihre Ideenfundgrube?

Rick Kavanian: Ja, ich bekomme Einfälle durch Beobachtung. Anderen Menschen zuzusehen, gerade auch, wenn sie anders sind als ich, wenn sie anders aussehen, anders reden, sich anders benehmen, das finde ich wahnsinnig faszinierend. Sobald ich das höre oder spüre, gehen bei mir die Lauscher auf, und ich versuche, das so intensiv und unauffällig wie möglich aufzusaugen. Wenn ich dann alleine bin, spreche es auf mein Diktiergerät. Manchmal bleibt davon was hängen, manchmal nicht. So entstehen Sachen. Oder eben die klassische Parodie, dass man jemanden im Fernsehen oder im Internet sieht und denkt, oh, der ist interessant, den könnte man mal nachmachen.

teleschau: Welche Rolle spielt Ihre Frau dabei?

Rick Kavanian: Meine Frau ist diejenige, die jeden Gedanken von mir noch vor dem ersten Kaffee in der Früh abbekommt. Sie ist geduldig und zum Glück sehr ehrlich, wenn sie sagt: "Rick, das haben andere vor dir schon besser gemacht" oder "das hast du schon tausendmal erzählt". Ich bin mit meiner Frau, was meine kreative Arbeit angeht, eng verwoben, und dafür bin ich sehr dankbar.