Sozialpsychologe greift Babyboomer an: "Fettaugen auf der Suppe, die die junge Generation auslöffeln muss"

Ist die Babyboomer-Generation unfähig, die derzeitigen Kirsen zu lösen? Sozialpsychologe Harald Welzer warnte bei "Markus Lanz" vor einer "generationellen Ungerechtigkeit". (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Ist die Babyboomer-Generation unfähig, die derzeitigen Kirsen zu lösen? Sozialpsychologe Harald Welzer warnte bei "Markus Lanz" vor einer "generationellen Ungerechtigkeit". (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch in der Klimadebatte prallen zwischen der Generation Z und der Babyboomer-Generation Welten aufeinander. Bei "Markus Lanz" erklärte Sozialpsychologe Harald Welzer, welche Gefahren dieser Generationenkonflikt bedeutet.

Die Wirtschaftskrise löst bei vielen Bürgern Ängste aus. Steigende Strompreise, Inflation sowie die Klimakrise und der Fachkräftemangel sind in aller Munde. Gleichzeitig tut sich eine Kluft zwischen zwei Generationen - der Generation Z und der Babyboomer-Generation - auf. Ob es hierfür langfristig eine Lösung gibt, diskutierte Markus Lanz am Dienstagabend mit Gästen wie FDP-Politiker Christian Dürr und Sozialpsychologe Harald Welzer.

Welzer, der vor kurzem sein Buch "Zeiten Ende - Politik ohne Leitbild, Gesellschaft in Gefahr" veröffentlichte, nahm auch im Gespräch mit Lanz kein Blatt vor den Mund. Im Gegenteil, denn er behauptete, seine Generation seien die "Fettaugen auf der Suppe, die die junge Generation auslöffeln" müsse. Der Grund: Die ältere Generation hätte viel zu lange in "permanenter Steigerung" gelebt. Dadurch sei ein "wahnsinniger Zerstörungseffekt" entstanden, der sich nun in der Umweltkatastrophe sowie der Wirtschaftskrise widerspiegle. "Die westlichen Gesellschaften sitzen in einer Erfolgsfalle", so Welzer nachdenklich. Alle hätten zu lange von dem Erfolg profitiert, ohne auf die immensen "Zerstörungswirkungen" zu achten.

Sollten Atomkraftwerke doch noch länger laufen? FDP-Fraktionschef Christan Dürr (r.) diskutierte darüber mit Markus Lanz. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Sollten Atomkraftwerke doch noch länger laufen? FDP-Fraktionschef Christan Dürr (r.) diskutierte darüber mit Markus Lanz. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Harald Welzer: "Zur Kenntnis nehmen, dass wir ein massives Problem haben"

Welzer kritisierte vor allem die Politik, die sich mit alten Methoden verhelfen wolle, ohne zukunftsgerichtet zu agieren: "Den Wandel kriegt man doch nicht hin, indem man das, was man hat, um jeden Preis festhalten möchte und gleichzeitig immer noch in Steigerungslogiken denkt." Mit Blick auf die ewige Energiediskussion sagte der Sozialpsychologe: "Warum reden wir denn nicht darüber, wie wir aus diesen ökologischen und klimatologischen Notwendigkeiten dazu kommen, weniger zu verbrauchen?" Bei der Energiediskussion werde laut Welzer "immer davon ausgegangen, dass wir permanent mehr Energie brauchen". Auch Markus Lanz gab nüchtern zu: "Da kommt ein System an sein Ende. Und wir merken es ja in vielen Bereichen, nicht zuletzt auch im Bereich Fachkräfte."

Ökonom Jens Südekum sah dies anders. Er merkte an, dass es in mehreren westlichen Ländern bereits gelungen sei, "eine partielle Entkopplung von Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen zu erreichen. Länder sind gewachsen und trotzdem sind die absoluten Emissionen gesunken". Dennoch gab Jens Südekum auch offen zu: "Es ist noch ein weiter Weg. Diese Transformation ist hart."

Auch Journalistin Ursula Weidenfeld stimmte zu und sagte mit Blick auf Harald Welzer, dass der wirtschaftliche Steigerungswille nicht nur schlecht sei, denn Wirtschaftswachstum sei für sie auch ein Zeichen "für Optimismus, Erfindungsgeist, Energie, nach vorne wollen". Welzer wollte davon nur bedingt etwas wissen und warnte: "Man muss doch zur Kenntnis nehmen, dass wir ein massives Problem haben!" Der Sozialpädagoge weiter: "Das große Problem ist natürlich, dass man eigentlich die ganze Zeit versucht, beim Alten zu bleiben."

Wachstum ohne Raubbau an der Natur ist möglich, ist isch Ökonom Jens Südekum sicher: "Länder sind gewachsen und trotzdem sind die absoluten Emissionen gesunken."  (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Wachstum ohne Raubbau an der Natur ist möglich, ist isch Ökonom Jens Südekum sicher: "Länder sind gewachsen und trotzdem sind die absoluten Emissionen gesunken." (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Christian Dürr: "Wir sind in einer schwierigen, angespannten Situation"

Dies brachte Markus Lanz dazu, über die Frage der Laufzeit von Atomkraftwerken zu sprechen. Der ZDF-Moderator wollte von FDP-Fraktionschef Christian Dürr wissen, warum er das Thema wieder aufrollen wolle, obwohl es von Bundeskanzler Olaf Scholz als "ein totes Pferd" bezeichnet wurde. Dürr reagierte locker: "Achtung, wir sind in einer schwierigen, angespannten Situation. Das sehen wir am hohen Strompreis in Deutschland." Er ergänzte: "Lasst uns nicht alle Konzentration auf den Rückbau setzen, sondern lasst uns überlegen, wie wir weitermachen an der Stelle." Lanz hakte vorsichtig nach: "Sie wollen den Rückbau stoppen?"

Dürr bejahte dies selbstbewusst und plädierte für "mehr Optionen". Unter den Optionen: die sogenannten E-Fuels. Ein Thema, das bei Jens Südekum Wut auslöste, denn "diese E-Fuels" werden sich nach Meinung des Ökonomen "am Markt nicht durchsetzen" können, da es sich um einen "technologisch ineffizienten Prozess" handle. Als Lanz daraufhin fragte, ob E-Fuels von der Mehrwertsteuer befreit werden sollen, kam Dürr ins Straucheln. "Ich will keine Sonderstellung", so der FDP-Mann, der hinzufügte, dass er lediglich "eine Gleichbehandlung" wolle.

Er wiegelte weiter ab: "Da fließt noch unfassbar viel Wasser die Elbe herunter, bevor wir da an der Stelle drüber reden." Jens Südekum platzte daraufhin der Kragen: "Wenn Deutschland Autoland bleiben will, sollten wir doch zusehen, dass wir dort endlich wieder an die Spitze der Entwicklung kommen. Das sind wir ja nicht! Stattdessen führen wir Diskussionen über Nischenthemen wie E-Fuels im PKW-Bereich."

Am Dienstagabend diskutierte Markus Lanz (l.) mit (v.l.) FDP-Fraktionschef Christian Dürr, Journalistin Ursula Weidenfeld, Sozialpsychologe Harald Welzer und Ökonom Jens Südekum. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Am Dienstagabend diskutierte Markus Lanz (l.) mit (v.l.) FDP-Fraktionschef Christian Dürr, Journalistin Ursula Weidenfeld, Sozialpsychologe Harald Welzer und Ökonom Jens Südekum. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)