Dank NFL-Stars: Football bald olympisch?

Es ist der Traum aller Sportler: Einmal bei den Olympischen Spielen dabei sein. Dieser Traum könnte sich 2028 für einige Sportler überraschend in Los Angeles erfüllen.

Gleich neun Sportarten werben seit über einem Jahr um die Gunst der IOC-Funktionäre, um sich auf der größten Sport-Bühne der Welt präsentieren zu können.

Neben Karate, Kickboxen, Lacrosse, Squash, Base-/Softball, Cricket, Motorsport und Breakdance zählt dazu auch Flag Football. Die kontaktlose Variante von American Football darf sich durchaus berechtigte Hoffnungen machen.

„Nachdem das IOC-Exekutivkomitee uns empfohlen hat, stehen die Chancen eher gut. Die Vollversammlung folgt in der Regel den Empfehlungen des Exekutivkomitees“, meint die deutsche Football-Legende Florian Berrenberg im SPORT1-Interview.

Flag Football bei Olympia? Bundestrainer wirbt für Aufnahme

Berrenberg muss es wissen, schließlich ist er seit Anfang des Jahres der neue Bundestrainer der Herren-Mannschaft. Er übernahm den Posten, der nach der Auszeit von Maximilian Groß im vergangenen Jahr vakant gewesen war.

Schon jetzt befindet sich der Sport auf einem guten Weg. Im vergangenen Jahr war er erstmals bei den World Games vertreten. Diese Premiere verpasste sein Team allerdings wegen einiger Corona-Fälle.

Es war ein erster Fingerzeig, dass der Sport weltweit mehr in den Fokus rückt. Doch dieses Debüt soll nur ein Zwischenschritt sein. „Bei den World Games wird toller Sport geboten, aber das ist einfach eine Klasse unter den Olympischen Spielen. Eine Teilnahme würde auf jeden Fall ein großes mediales Echo hervorrufen“, sagt der einstige Quarterback.

Eine Aufnahme in die olympische Familie könnte dem Sport auch ganz andere Fördermöglichkeiten eröffnen. Schließlich gibt Berrenberg unverblümt zu: „Wir stoßen schon jetzt an unsere Grenzen. Wir können Kinder gar nicht mehr in die Vereine aufnehmen, weil wir praktisch ausgelastet sind. Das heißt: Wir brauchen Trainer und Infrastruktur.“

NFL und IFAF ernennen prominente Botschafter

An diesem Hype hat nicht zuletzt die NFL einen großen Anteil. Sie fördert bereits seit längerem die kontaktlose Variante des Sports. „Es ist das ultimative Ziel, Flag Football zu einer olympischen Sportart zu machen“, erläuterte Troy Vincent, Executive Vice President of Football Operations der NFL, im vergangenen Jahr gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press.

Für diesen Plan haben sie mit dem Football-Weltverband IFAF zahlreiche Botschafter für den Sport auserkoren. Auf der Liste sind Football-Größen wie Drew Brees, Eli Manning, Russell Wilson und Justin Jefferson zu finden.

Mit Ex-NFL-Profi Sebastian Vollmer, den Wide Receivern Equanimeous sowie Amon-Ra St. Brown, Fullback Jakob Johnson und RTL-Expertin Mona Stevens, die sowohl in der Tackle- als auch in der Flag-Football-Nationalmannschaft spielt, finden sich auch fünf deutsche Größen in der elitären Liste wieder.

NFL wirbt bei einigen Spielen für Flag Football

Die NFL nutzte sogar den Pro Bowl, um Werbung für den Sport zu betreiben. Die NFL-Profis duellierten sich mit den typischen Fähnchen an der Hüfte und sorgten so für viel Begeisterung. Auch im Rahmen des Super Bowl 2022 fand eine Partie statt, in diesem Jahr gab es einen extra Werbe-Spot im Rahmen des Finals.

Selbst in Deutschland treibt die Liga den Sport aktiv voran. So gründete sie das Flag-Football-Programm und bringt somit den Sport an die Schulen - ein Fakt, der in Hessen allerdings für Streit sorgte.

„Die NFL ist sicherlich kein Partner, auf den man in so einer Geschichte verzichten möchte, weil da einfach knallharte Business-Interessen dahinterstehen. Da wird zielgerichtet gearbeitet“, behauptet Berrenberg trotz des Werbe-Verbots in Hessen.

Flag Football: Fußball als Vorbild?

Dabei vermutet der langjährige Kommentator aber auch, dass die NFL eigene Interesse verfolgt. „Der Tackle-Football hat nicht mehr den besten Ruf“, glaubt der gebürtige Münchner und nennt die Gesundheitsschäden wie CTE als Grund.

Genau diese Problematik hat der Sport nicht, denn dort ist Tackling komplett verboten. Ein „Tackle“ im Flag Football ist, wenn der Verteidiger dem Angreifer eine „Flag“, also eine Flagge, vom Hüftgürtel abreißt.

Das ist beileibe aber nicht der einzige Vorteil. „Es ist ein schneller und dynamischer Sport, es ist ein super Mitmach-Sport, es ist für alle Altersklassen, es ist für Männer und Frauen“, gerät der Trainer regelrecht ins Schwärmen. Zudem seien die Kadergrößen deutlich geringer als im Tackle-Football, worauf das IOC viel Wert legt.

Die Wachstumschancen stehen in den Augen von Berrenberg günstig, auch weil er eine Fußball-Lethargie in Deutschland wahrnimmt „Das sind immer Zeiten, die gut für alternative Sportarten sind“, erklärt er. In einer Sache ähneln sich die beiden ansonsten so unterschiedlichen Sportarten: Man benötigt nicht viel, um sie auszuüben. „Du brauchst einen Ball, ein Handtuch, das du in zwei Hälften schneidest, und schon bist du fertig. Du kannst es also auf jeder Wiese spielen“, so der WM-Dritte von 2003.

Deutschland will bei der Flag-Football-EM angreifen

Am Wochenende dürfte das IOC ganz genau hinschauen. Schließlich findet im irischen Limerick die Europameisterschaft statt, bei der auch die deutschen Herren und Frauen vertreten sind.

Die Männer reisen als Achter der WM 2021 durchaus mit Ambitionen an. „Wir fahren vielleicht mit einem der talentiertesten Flag-Football-Teams, das wir jemals hatten, zur EM nach Irland“, lobt Berrenberg seine Truppe. Er sieht vier, fünf Mannschaften, die auf Augenhöhe agieren.

Während die Männer mit dem amtierenden Europameister Dänemark, Tschechien, Schweden und Polen zunächst eine lösbare Aufgabe bekommen haben, wartet auf die Damen mit Titelverteidiger Spanien, Top-Favorit Österreich, Gastgeber Irland und der Schweiz eine unangenehme Gruppe.

Für die Spieler dürfte das Turnier ein wichtiger Schritt in Richtung erfolgreicher Olympia-Qualifikation sein. „An den Olympischen Spielen teilzunehmen, sei es für die Vereinigten Staaten oder für Deutschland, den Sport zu spielen, den ich am meisten liebe und mit dem ich aufgewachsen bin, wäre ein wahr gewordener Traum“, sagte Amon-Ra St. Brown bereits beim Pro Bowl Anfang Februar.

Damit dürfte der Deutsch-Amerikaner vielen Menschen, die den Sport betreiben, aus der Seele sprechen. Schon bald könnten sie darüber Gewissheit haben, denn IFAF-Präsident Pierre Trochet sagte Anfang der Woche in einer Medienrunde: „Wir erwarten eine Entscheidung in den kommenden Wochen.“