Nach Ausbootung: Deutschem Star platzt der Kragen

Nach Ausbootung: Deutschem Star platzt der Kragen
Nach Ausbootung: Deutschem Star platzt der Kragen

Stell dir vor, du wirst 2023 zwei Mal Deutscher Meister, hast deine Olympia-Qualifikation fast schon in der Tasche - und erhältst trotzdem keine Unterstützung. Unmöglich? Nicht beim Deutschen Leichtathletik-Verband!

Leidtragender ist der Mittelstreckenläufer Marius Probst, der in der vergangenen Woche bei der Bekanntgabe des Kaders durch den DLV kalt erwischt wurde.

Zusammen mit anderen prominenten Leichtathleten, wie Maximilian Thorwirth (1500 und 5000 Meter) oder Jens Mergenthaler (3000 Meter Hindernis), die ebenfalls auf der Kaderliste fehlen, muss Probst auf dem Weg nach Paris nun schauen, wie er alleine klarkommt.

Weil durch die Nicht-Nominierung auch die Förderungen (700 Euro pro Monat, Kostenübernahme von Trainingslagern und Physiotherapeuten etc.) wegfallen, hat Probst vor allem mit finanziellen Probleme zu kämpfen, wie er bei SPORT1 erklärt. Sogar sein geplanter Wechsel des Studiengangs fiel dadurch ins Wasser.

„Es gibt eigentlich keine zwei Meinungen...“

SPORT1: Herr Probst, während Ihre Kollegen derzeit im warmen Südafrika ein Trainingslager beziehen, müssen Sie sich im kalten Deutschland auf die Saison vorbereiten. Wie läuft es derzeit?

Marius Probst: Zuletzt war es hier in Bochum sehr stürmisch, dadurch lagen überall Bäume herum. Da mussten wir auf der Trainingsrunde etwas improvisieren.

SPORT1: Wie haben Sie erfahren, dass Sie nicht in den Bundeskader aufgenommen wurden?

Probst: Ich wurde vorher von meinem ehemaligen Bundestrainer angerufen, der versucht hat, es mir zu erklären. Aber es gibt eigentlich keine zwei Meinungen, dass ich in den Kader gehöre. Erfahren habe ich es über meinen Mittelstreckentrainer Georg Schmidt, der mir das ein paar Tage vor der offiziellen Bestätigung gesagt hat.

SPORT1: Sie haben dann über Instagram Ihren Unmut geäußert ...

Probst: Ich wollte - wie ein paar andere auch - mal ein Statement setzen. Ich habe schließlich auf nationaler Ebene alles erreicht, was man erreichen kann.

„Man fragt sich, wann der Verband denn reagieren will - nach Olympia?“

SPORT1: Waren Sie 2023 im Kader?

Probst: Nein, aber das konnte man nachvollziehen. Ich hatte 2021 ein richtig gutes Jahr und hätte mich fast aus dem Nichts für Olympia qualifiziert. Am Ende fehlte mir nur ein Punkt. Ich war 46. in der Weltrangliste und 45 durften mitfahren. Dementsprechend verlief dann auch das Jahr 2022, weil ich super geknickt war. Für 2023 Jahr habe ich dann schon keine Förderung mehr bekommen, was auch bedingte, dass ich nicht mit in die Trainingslager fahren konnte.

SPORT1: Jetzt sieht die Sache anders aus, weil Sie sowohl in der Halle (800 Meter, d. R.) als auch im Freien (1500 Meter, d. R.) Meister wurden und für Paris sehr gut im Rennen liegen.

Probst: Genau. Sollte ich fit blieben, bin ich für Olympia schon so gut wie qualifiziert. Es gibt mittlerweile ein Punkte-Rankingsystem und ich habe jetzt schon über 50 Prozent der möglicherweise geforderten Punkte erreicht.

SPORT1: Es lief also eigentlich perfekt für Sie - bis der Anruf vom DLV kam.

Probst: Ich war mir sicher, dass ich in den Kader komme und wollte eigentlich meinen Studiengang von Grundschullehramt zu Sonderpädagogik wechseln. Nur wenn man im Kader ist, bekommt man eine Art Zusatzqualifikation, mit der man dann studieren darf. Diese fällt bei mir jetzt leider weg.

SPORT1: Wie haben Sie die Nachricht Ihrer Nicht-Nominierung aufgenommen?

Probst: Ich war einfach super enttäuscht. Enttäuscht darüber, dass alles, was ich erreicht habe, nicht wertgeschätzt wurde. Und das, obwohl ich meine ganze Vorbereitung selbst organisiert und bezahlt habe.

SPORT1: Wie erklären Sie sich Ihre Nicht-Nominierung?

Probst: Ganz schwer zu sagen. Man hat dieses Jahr gesehen, dass der DLV bei der WM unglaublich schlecht abgeschnitten hat. Man fragt sich, wann der Verband denn reagieren will - nach Olympia? Andere Länder nehmen das Heft in die Hand und unterstützen ihre Athleten. Es kann nicht sein, dass diese Athleten ihr Trainingslager mit den besten Bedingungen bezahlt bekommen und wir im kalten Bochum oder anderswo in Deutschland trainieren müssen.

„Ich zeige ja auf den Punkt, dass ich der Beste bin“

SPORT1: Sie müssen Ihre Trainingslager jetzt also selbst finanzieren?

Probst: Genau. So wie vor der vergangenen Saison, als ich mit meiner Freundin für knapp vier Wochen auf eigene Kosten nach Österreich gefahren bin. Sie musste ein Auslandspraktikum machen, da habe ich sie begleitet. Es war nur auf etwa 1000 Meter Höhe, das bringt in Sachen Höhentraining eigentlich nicht viel. Dennoch war es immer noch besser, als in meinem Umfeld in Dortmund oder Bochum zu trainieren. Dass ich mal rauskomme, ist wichtig für mich.

SPORT1: Das hat offenbar gut geklappt, oder?

Probst: Ja, hat es. Man weiß natürlich nie, ob es so ganz ohne Teamkollegen und Trainer gut geht, aber die Leistungen sprechen dann für sich. Ich konnte zweimal meine persönliche Bestzeit unterbieten.

SPORT1: Nach welchen Kriterien wird überhaupt entschieden?

Probst: Die Kaderrichtwerte wurden geändert. Früher war es immer so, dass man auch dabei war, wenn man den Richtwert knapp nicht geschafft hatte. Jetzt ist es aber so, dass man den Wert schaffen muss, um sicher dabei zu sein. Mir haben beispielsweise 35 Hundertstel gefehlt. Ganz verstehen kann ich das nicht, da die Trainer jetzt nicht mehr sagen können, dass man Sportler, die es knapp nicht geschafft haben, dennoch fördern kann. Die 700 Euro Vergütung und die ganzen Trainingslager fehlen jetzt natürlich und das ist einfach schade.

SPORT1: Wie kann es sein, dass der Deutsche Meister nicht im Bundeskader ist?

Probst: Mein Manager sagt, dass man das einem Außenstehenden nicht erklären könne. Ich zeige ja auf den Punkt, dass ich der Beste bin. Es ist einfach schade, dass man keine Wertschätzung für seine Leistung erhält. Gerade vor einem Olympischen Jahr sollte man die Besten fördern. Sollte es da nicht laufen, kann man immer noch über solche Schritte nachdenken. Was sollen denn junge Sportler denken, wenn nicht mal ein Deutscher Meister die Förderung erhält? Das ist kein gutes Zeichen.

SPORT1: Wie halten sie sich über Wasser? Haben sie Sponsoren?

Probst: Kürzlich habe ich einen neuen Vertrag bei Wattenscheid bekommen, worüber ich sehr glücklich bin. Finanziell unterstützt mich der Verein sehr gut. Mein Vertrag mit Puma läuft zwar bald aus, aber ich bin zuversichtlich, dass wir uns erneut einigen können.

SPORT1: Trotz fehlender Förderung sind Sie also für Olympia optimistisch, oder?

Probst: Ja, solange ich fit bleibe. Da ich nicht im Kader bin, kann ich nicht mehr so häufig zur Physiologie gehen, aber Wattenscheid unterstützt mich zum Glück auch da.