Der Anfang vom Ende?

Wenn man annimmt, Peter Wright bekommt bei seinem ersten Walk-on bei der Darts-WM keine Steigerung zum vergangenen Jahr hin, setzt der größte Showman der PDC doch noch einen drauf. (Alle Spiele der Darts-WM LIVE bei SPORT1)

Am Mittwochabend schnappte der 53-Jährige im schrillen Weihnachtsoutfit der ersten Tänzerin auf seinem Weg auf der Bühne die Pompons weg und führte damit seinen berühmten Tanz zu „Don‘t stop the Party“ über die ganze Breite der Ally-Pally-Stage auf.

Als Krönung bot er die Cheerleader-Utensilien gar noch seinem Gegner Jim Williams an, der jedoch mit einem leicht irritierten Grinsen ablehnte.

„Wir sind beide an den äußeren Enden des Spektrums, wenn es um Walk-ons geht. Ich bin nicht der Typ für die große Show. Aber er ist toll und heizt die Menge an, das war super, ich mag das“, reagierte der Waliser bei der Pressekonferenz von SPORT1 darauf angesprochen.

Dann war die Wright-Show allerdings rasend schnell vorbei und Tristesse stellte sich ein. „Snakebite“ fand überhaupt nicht in sein Spiel, flog mit einem für seine Verhältnisse miserablen Drei-Dart-Average von 83,87 Punkten und einer Doppelquote von 22,2 Prozent krachend mit 0:3 in Sätzen raus. In den Sets zwei und drei lag sein Durchschnitt pro Aufnahme jeweils gar unter 80 Punkten.

Wright nach WM-Pleite ratlos

„Ich habe heute Abend einfach schrecklich gespielt, mehr nicht“, bilanzierte der zweimalige Weltmeister, rätselte aber auch über seinen Auftritt: „Ich habe keine Erklärung, mein Training lief gut.“

„Um ehrlich zu sein weiß ich nicht, was passiert ist“, fügte Wright noch an. Als einen Erklärungsansatz nannte er mangelndes Selbstvertrauen: „Ich habe mich nicht selbstbewusst genug gefühlt, um bei Würfen auf Doppel zu denken ‚Der geht rein‘, ich dachte eher meistens ‚Hoffentlich treffe ich‘.“

Für Williams war in der unmittelbaren Vorbereitung im Practice Room hinter der Bühne nicht erkennbar, dass sein Gegner so weit von seiner Topform entfernt performen würde. „Ich habe gesehen, wie er neun Darts geworfen hat. Und er hat das Ausbullen gewonnen - also habe ich ein gutes Match von ihm erwartet“, betonte der 39-Jährige mit dem Spitznamen „The Quiff“ auf SPORT1-Nachfrage.

Williams: „Er hat sich entschuldigt“

Entsprechend überrascht war er während des Matches. „Es ist schwierig, wenn man gegen jemanden spielt, dem man normalerweise den Sieg wünscht, wenn man ihn spielen sieht“, berichtete Williams und verriet: „Er hat sich entschuldigt, dass er nicht gut gespielt hat.“

Das fehlende Selbstverständnis des Schotten kommt nicht ungefähr. Der Routinier hat zwar im ablaufenden Jahr ein Major gewonnen, die European Darts Championship Ende Oktober in Dortmund, aber darüber hinaus lief nicht besonders viel zusammen. Tiefpunkt war die verpasste Qualifikation für die Players Championship Finals - ein Beleg für schwache Leistungen über die gesamte Saison hinweg.

Dies spiegelt sich auch in der Weltrangliste wider. Im Live-Ranking steht Wright auf Rang sieben, realistische Position nach der WM dürfte neun oder zehn sein. Damit fehlen dem Superstar ein wenig die sportlichen Argumente, um eine der vier Wildcards für die Premier League zu erhalten.

Hopp glaubt an starke Rückkehr von „Snakebite“

Max Hopp ist dennoch davon überzeugt, dass die PDC „Snakebite“ nominieren wird. Seit 2014 ist der Schotte ununterbrochen Teil des prestigeträchtigen Wettbewerbs. „Ich denke, dass Wright zur Premier League eingeladen wird, einfach aufgrund dessen, dass er ein Aushängeschild unserer Sportart ist, eine tolle Show abliefert und die Massen begeistert. Rein sportlich muss bis dahin aber eine Steigerung her“, unterstreicht der SPORT1-Experte.

Hopp, der Wright vor allem für dessen häufige Pfeilwechsel kritisiert, geht auch davon aus, dass die Krise bald überwunden sein wird. „Wright wird wieder stark zurückkommen. Viele dachten auch nach seiner schwachen Premier-League-Saison Anfang des Jahres: ‚Okay, das war‘s jetzt.‘ Aber er hat es trotzdem geschafft, zur Bestform zu gelangen und ist nicht umsonst vor acht Wochen Europameister geworden.“

Auch mit herben Enttäuschungen im Ally Pally kann der Schotte umgehen. In den vergangenen sieben Jahren holte er zwei Weltmeistertitel (2020 und 2022), schied aber auch fünf Mal in Runde zwei oder drei aus.

„Man sollte Wright niemals abschreiben. Er findet immer einen Weg und einen Dart, um zu seinem A-Game zurückzufinden“, hebt Hopp bei SPORT1 hervor.

Was wird nach Wright und Anderson?

Zwar hat Wright noch keinen Zeitpunkt für sein Karriereende genannt, doch allzu lange wird er angesichts seiner 53 Jahre wohl nicht mehr weitermachen. Auch Gary Anderson, der am 22. Dezember beim Alter mit seinem Landsmann gleichzieht, hat schon bessere Zeiten erlebt und könnte seine Laufbahn in naher Zukunft beenden.

Nach einigen schwierigen Jahren hat der „Flying Scotsman“ aktuell den Spaß und seine Form wiedergefunden. Wenn er und Wright jedoch Schluss machen, droht Schottland eine düstere Zukunft.

„Aktuell sind schottische Spieler mit Potenzial für die Weltspitze Mangelware. Auch im Jugendbereich kommt nicht viel nach“, konstatiert Hopp.

Einzig der 21-jährige Nathan Girvan hat hie und da im Profibereich der PDC schon Ausrufezeichen setzen können. Cameron Menzies und Alan Soutar ist der ganz große Wurf nicht zuzutrauen und John Henderson hat seine Tour Card verloren.

Auch deshalb wäre es für das dank Wright und Anderson erfolgsverwöhnte schottische Darts von immenser Bedeutung, wenn Wright die WM-Pleite abhaken und bald nicht nur mit Walk-ons glänzen könnte.