Strategie-Profi Veit Etzold - Erfolg durch Populismus: Trump lebt den Traum von Jonny Sixpack aus Iowa

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Andrew Harnik/AP

Strategie-Profi Veit Etzold erklärt nicht nur was Populismus ist, und wie dieser eingesetzt wird. Gerade Politiker wie Trump und Putin nutzen erfolgreiches Storytelling, um ihre Wähler anzusprechen. Spoiler: Jeder Held braucht einen Schurken.

Was sind die Hauptmerkmale des Populismus und wie nutzen Politiker diese?

Das Wort „Populismus“ trägt bereits die Bezeichnung „populär“ in sich. Es werden also Themen behandelt, die dem „gewöhnlichen“ Volk (römisch: „populus“) auf der Seele brennen, aber von der etablierten Politik, oft wider besseren Wissens, ignoriert werden. Diese Themen können vielfältig sein, wie zum Beispiel in Deutschland die Migrationsfrage, die insbesondere in ländlichen Gebieten dringlich ist, aber von der Hauptstadtpolitik oft vernachlässigt und verdrängt wird. Populisten adressieren diese nicht angesprochenen Wünsche und Bedürfnisse auf eine Art und Weise, die viele Menschen anspricht und ihnen das Gefühl gibt, gehört und verstanden zu werden.

Diese Fähigkeit, Empathie zu zeigen und den „Schmerz“ der Menschen nachzuempfinden, ist eines der großen Verkaufsargumente populistischer Parteien. Vertriebsstudien aus Harvard haben gezeigt, dass ein guter Verkäufer nicht unbedingt sofort eine Lösung parat haben muss - es ist wichtiger, dass er den Schmerz des Kunden nachempfinden kann. Ein gutes Beispiel dafür ist Bill Clintons Aussage „I can feel your pain“, die ihm maßgeblich bei seiner Wiederwahl half. Hillary Clintons Gerede von den „Deplorables“, also den Bemitleidenswerten, war da in ihrem Wahlkampf weniger hilfreich.

Donald Trump adressiert zum Beispiel wiederholt die Verschwörung der abgehobenen Elite gegen die hart arbeitenden Amerikaner, Vladimir Putin spielt die „Wir Russen gegen den Rest der Welt“ Karte. Beide vereint eine Erkenntnis, die vielen Institutionen fehlt: Trump und Putin machen Politik und Kommunikation nur, und wirklich nur, für die, die sie auch wählen. Oder, im Falle Putins, bewundern, da man es dort mit den Wahlen ja nicht so genau nimmt. Ein wenig gilt bei beiden der Slogan der Zigarettenmarke „Prince Denmark“: „Schmeckt nicht jedem. Gut so.“

Eine mögliche große Empörung und Erschrockenheit der Etablierten, wie zum Beispiel von Katharina Barley nach der Europawahl bzw. der vorgezogenen Frankreich Wahl, gilt sogar als Gütesiegel und als Zeichen, dass man es richtig gemacht hat.

Wie wird Storytelling in der Politik eingesetzt, um Wähler zu beeinflussen?

Eine Story ist eine der ältesten Kulturtechniken, mit der wir Menschen und Techniken des Überlebens in einer feindlichen Welt erklärt haben. Damit spricht eine Story nicht nur den Überlebenstrieb des Menschen, sondern auch sein emotionales Zentrum an. Dabei steht der Wähler, der von den etablierten Parteien im Stich gelassen wird, als Held der Story im Mittelpunkt.

Die etablierte Politik übersieht den Wähler in diesem Narrativ nicht nur, sondern sie legt ihm absichtlich Steine in den Weg. Der Populist ist dabei der Mentor, der dem Helden hilft, endlich sein Ziel zu erreichen. So war und ist bei Trump das Ziel, Amerika (wieder) groß zu machen. Dass dieser Spruch schon von Ronald Reagan in dessen Kampagne genutzt wurde, geschenkt.

 

Wichtig ist ebenso, dass nicht eine gesichtslose Masse des „Volkes“ im Vordergrund steht, sondern am besten stellvertretende Individuen, mit denen sich jeder identifizieren kann. In Amerika ist es der hart arbeitende Familienvater, der bei Ford am Band arbeitet oder die christliche Familie, die laut Trump die Islamisierung Amerikas fürchten muss. In Deutschland sprechen Politiker dabei immer von der Alleinerziehenden Krankenschwester, für „die man endlich mal mehr tun müsse“, ohne dass freilich jemals irgendeine Partei etwas für ebendiese Krankenschwester getan hätte.

Den Wähler zum Helden machen und den politischen Gegner auch zum Gegner des Helden, und damit zum Schurken, ist eine der Hauptstrategien in der Story von Populisten.

Wie haben Trump und Putin ihre persönlichen Marken oder 'Branding' genutzt, um ihre politischen Ziele zu erreichen?

Trump war und ist deutlich mehr als „nur“ ein Immobilien-Mogul. Seine Ratgeberbücher mit schönen Titeln wie „Think big and kick ass“ gibt es seit Jahrzehnten und spätestens seit seiner Show „The Apprentice“ hatte fast jeder auf der Welt schon einmal von „The Donald“ gehört. Dass die deutsche Politik 2016 dermaßen unvorbereitet auf Trumps Wahlsieg reagiert, ist auch vor diesem Hintergrund, selbst vor der niedrigen Messlatte, die man bei deutschen Politikern setzen muss, frappierend. Wenn man sich über den Charakter irgendeiner Person hätte einlesen können, dann wohl Trump.

So nutzt Trump sein Branding als Marke und auch Entertainer gekonnt, um Grenzen zu überschreiten, die ein normaler Politiker nicht überschreiten würde. Seine Anhänger nehmen ihm das nicht übel, selbst Affären mit einem Porno-Model werden ihm gegönnt. Denn wovon träumt der typische Johnny Sixpack aus Iowa? Genau, ebenfalls mit einem Porno-Star ins Bett gehen zu können. Das bleibt zwar für ihn ein Traum, aber Trump erledigt das stellvertretend für ihn.

Bei Putin ist es weniger der Entertainer, als der harte Naturbursche. Beim Angeln, mit freiem Oberkörper auf einem Pferd, beim Judo (bei dem Putin tatsächlich den Schwarzgurt trägt): Putin inszeniert sich als harter Kerl. Die Weltöffentlichkeit und gerade die Deutschen, die von Angela Merkel nur verkniffene Urlaubsbilder in der Regenjacke und von Scholz gar keine Bilder kennen, mögen das peinlich finden. Doch Putin erzählt diese „Harter Bursche“ Story auch nicht für die Welt, sondern für seine russischen Follower. Sie müssen ihn ernst nehmen und auch ein wenig fürchten. Sonst ist man in Russland, das weiß auch Putin, schnell weg vom Fenster.

Inwiefern spielen „Held“ und „Schurke“ in der politischen Rhetorik eine Rolle?

Jede Story hat einen Helden. Und jeder Held braucht einen Schurken. Populisten sind immer sehr gut darin, die politischen Gegner zu Bösewichten zu machen. Für Putin ist es der Westen, der Russland klein halten will. Wenn Putin sagt, „der Untergang der Sowjetunion war die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts“, dann meint er damit nicht den sklerotischen Sowjet-Staat, mit dem er selbst nicht viel anfangen konnte, sondern das russische Großreich.

Bei Trump ist es das Establishment, erst Hillary Clinton, jetzt Joe Biden, die den Amerikanern all das wegnehmen wollen, was dem durchschnittlichen Amerikaner wichtig ist. Mit Biden, so sagte es Trump jüngst vor evangelikalen Christen, erwartet Amerika eine Zeit „ohne Grenzen, ohne Gesetze, ohne Freiheit und ohne Zukunft“.

„Jeder Film ist nur so gut wie sein Schurke“, sagte schon Alfred Hitchcock. Populisten inszenieren genüsslich den Bösewicht in ihrer Story, um die Gegenseite zu diffamieren. Der Held oder das Happy End kann warten.