"Thema unterschätzt": Migrationsbeauftragter Stamp spricht bei "Markus Lanz" von "Versagen" der Politik

Musste die Politik der Bundesregierung verteidigen: der Migrationsbeauftragte Joachim Stamp (FDP). (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Musste die Politik der Bundesregierung verteidigen: der Migrationsbeauftragte Joachim Stamp (FDP). (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Immer mehr Geflüchtete landen in Deutschland: Auch bei "Markus Lanz" war die Migrationspolitik das Thema am Dienstagabend. Im Fokus der hitzigen Debatte stand der neue Migrationsbeauftragte Joachim Stamp (FDP), der vor allem beim Thema Abschiebungen deutliche Worte fand.

Er trat Anfang Februar sein neues Amt an und sieht sich schon jetzt der Kritik ausgesetzt: FDP-Politiker Joachim Stamp verspricht als neuer Migrationsbeauftragter der Bundesregierung, für "faire Migrationsabkommen" zu sorgen. Doch mit Blick auf den gescheiterten Flüchtlingsgipfel in Berlin sowie die Rekordzahl der Asyl-Schutzquote im vergangenen Jahr, stellt sich die Frage, wie die Zukunft der Integrationspolitik aussehen wird. Bei "Markus Lanz" stellte sich Joachim Stamp deshalb den kritischen Nachfragen und lieferte am Dienstagabend einige spannende Thesen.

Zunächst fragte Markus Lanz den FDP-Politiker: "Sie sagen, Sie möchten nicht der Abschiebe-Beauttragte sein. Was ist denn dann ihr Job?" Stamp erklärte leicht verunsichert: "Es geht unter anderem darum, dass wir bei der Abschiebe-Haft Erleichterungen hinbekommen. Für die Abschiebungen sind die Landesminister zuständig. Ich darf an der Stelle sagen: Wir haben in Nordrhein-Westfalen am stärksten abgeschoben. Das ist aber nichts, worauf ich stolz bin in dem Sinne. Deswegen spricht man vielleicht auch eher von Rückführungen. Abschiebungen haben manchmal schwierige Konnotationen."

Juristin Seyran Ateş kritisierte die deutsche Migrationspolitik, man habe hierzuland seit "ungefähr 40 Jahren ein brennendes Problem". (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Juristin Seyran Ateş kritisierte die deutsche Migrationspolitik, man habe hierzuland seit "ungefähr 40 Jahren ein brennendes Problem". (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Nahost-Expertin mahnt: "Deutschland als Einwanderungsland versagt jeden Tag"

Eine Aussage, die bei den anwesenden Talk-Gästen für Verwirrung sorgte. Markus Lanz hakte prompt nach: "Diese Flucht in die Semantik - Abschiebung oder Rückführung. Warum machen wir das?" Journalist Martin Machowecz erklärte genervt: "Das ist leider die Art und Weise, wie wir hier zu Kompromissen kommen. Dann können die Grünen ihren Wählerinnen und Wählern weiterhin sagen, dass sie an Abschiebungen kein Interesse haben. Wir Deutschen sind besonders schlecht darin, zu sagen, was wir meinen und was wir wollen." Juristin Seyran Ateş ergänzte zustimmend: "Es ist nach wie vor ein gewisses Schönreden, dass wir seit ungefähr 40 Jahren ein brennendes Problem haben!"

Auch Markus Lanz übte in dem Zusammenhang Kritik an der deutschen Asylpolitik und fügte hinzu: "Wir sind nicht konsequent. Keine der Abschiebungen gehen nach Syrien und Afghanistan. In den Iran wird nur in Einzelfällen abgeschoben. Somalia weigert sich, Leute wieder aufzunehmen. Das alles funktioniert an vielen, vielen Stellen nicht. Lassen Sie uns doch mal ehrlich machen." Nahost-Expertin Kristin Helberg merkte dazu mit an: "Es geht ja um so viel mehr, es geht um die Identität dieses Landes. Deutschland als Einwanderungsland versagt jeden Tag auch in der Integration der Menschen."

Moderator Markus Lanz (links) diskutierte am Dienstagabend mit (von links) FDP-Politiker Joachim Stamp, Juristin Seyran Ateş, Nahost-Expertin Kristin Helberg und "Zeit"-Journalist Martin Machowecz. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Moderator Markus Lanz (links) diskutierte am Dienstagabend mit (von links) FDP-Politiker Joachim Stamp, Juristin Seyran Ateş, Nahost-Expertin Kristin Helberg und "Zeit"-Journalist Martin Machowecz. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Joachim Stamp: "Wir werden mit Rückführungen nicht das Problem lösen"

Stamp blieb jedoch trotz der harschen Kritik ruhig und erklärte: "Das Bundesinnenministerium hat sich immer klassisch auf die Rückführungen, die Abschiebungen, konzentriert. Jetzt wollen wir gucken, wie wir die unterschiedlichen Ansätze so zusammenführen können, dass wir auf der einen Seite reguläre Migration stärken und auf der anderen Seite irreguläre Migration verringern können." Wie das genau funktionieren soll, ließ der FDP-Politiker jedoch weitestgehend offen.

Lanz stichelte deshalb beim Thema Migration weiter und fragte Stamp: "Es ist das Jahrhundertthema auf der Welt - warum dauert es dann ein Jahr lang, bis jemand wie Sie seinen Job antritt?" Als der Politiker sich in Ausreden verlor, hakte Lanz nach: "Das Thema war dann nicht wichtig genug?" Stamp entgegnete, dass sowohl die Pandemie als auch der "Überfall von Putin auf die Ukraine" habe "sehr, sehr viel gelähmt" habe und gab zu: "Das Thema hat man vielleicht zu dem Zeitpunkt unterschätzt." Und der FDP-Politiker ging noch weiter: Er sehe in Sachen Migration an manchen Stellen "ein Versagen über viele, viele Jahre, gilt übrigens auch europaweit".

Das wollte Seyran Ateş nicht unkommentiert stehen lassen und merkte an: "Sie gehörten auch zu einem gewissen System, dass die Situation unterschätzt hat. Das ist zum Teil auch ein Vorwurf an Sie! Wann haben Sie das Amt denn selbst vorgeschlagen? Es wundert mich, dass man das jetzt so feiert." ZDF-Moderator Markus Lanz lenkte die Diskussion daraufhin erneut auf das Thema Abschiebungen und fragte konkret: "Wie viele Menschen müssten wir abschieben? 50.000? Wir wissen es nicht?" Joachim Stamp erklärte: "Wir haben eine Größenordnung von 50.000 bis 60.000, bei denen es schneller geht und weniger Hindernisse gibt." Gleichzeitig ergänzte er mit ernster Miene: "Wir werden mit Rückführungen nicht das Problem grundsätzlich lösen, was wir zum Teil jetzt auch in den Kommunen haben. Wir müssen in der Konsequenz aber schlichtweg besser werden. Das wird richtig dauern und das benötigt sehr viel Diplomatie."