Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Donnerstag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.

Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen:

  • Greta Thunberg in Kiew - Gespräche über kriegsbedingte Umweltschäden

  • Scholz: Regierungswechsel in Russland nicht unser Ziel

  • Kreml äußert sich nicht zum Verbleib von General Surowikin

  • Österreich blockiert mit Partnern EU-Sicherheitsgarantien für Ukraine

  • Ukraine fordert Bevölkerung an russischer Grenze zur Flucht auf

  • Ukraine verkündet langsamen Vormarsch an mehreren Abschnitten

  • Festnahme nach Raketenangriff auf Kramatorsk

  • Scholz: Putin nach Wagner-Aufstand geschwächt

  • Pistorius: Entwicklungen in Russland legen Risse offen

Die aktuelle Newslage:

+++ Greta Thunberg in Kiew - Gespräche über kriegsbedingte Umweltschäden +++

Zur Erfassung der durch den russischen Angriffskrieg verursachten Umweltschäden ist die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg gemeinsam mit einer internationalen Arbeitsgruppe in die Ukraine gereist. «Wir brauchen Ihre professionelle Hilfe», sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der die Gruppe am Donnerstag in Kiew empfing. Er wies vor allem auf die schlimmen Verwüstungen im südlichen Gebiet Cherson hin, die durch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms und darauf folgende Hochwasser seit Anfang Juni verursacht wurden.

Greta Thunberg in Kiew (Bild: Vitalii Nosach/Global Images Ukraine via Getty Images)
Greta Thunberg in Kiew (Bild: Vitalii Nosach/Global Images Ukraine via Getty Images)

«Ich denke nicht, dass die Reaktion der Welt auf diesen Ökozid ausreichend war», sagte Thunberg ukrainischen Medien zufolge. «Ich denke nicht, dass irgendeine Reaktion ausreichend sein kann. Denn es gibt einfach keine Worte, um diese Brutalität zu beschreiben.» Selenskyj berichtete zudem von Problemen bei der Trink- und Nutzwasserversorgung in Cherson und im angrenzenden Gebiet Mykolajiw. Geschädigt seien zudem der Agrarsektor und die biologische Vielfalt der Region.

Der Umwelt-Arbeitsgruppe gehörten zudem die schwedische Ex-Vizeregierungschefin Margot Wallström, die irische Ex-Präsidentin Mary Robinson und die finnische Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Heidi Hautala, an. Die Arbeit der Gruppe soll dazu beitragen, Russland zu einer Kompensation der durch den Einmarsch vor mehr als 16 Monaten verursachten Schäden zu zwingen.

+++ Scholz: Regierungswechsel in Russland nicht unser Ziel +++

Bundeskanzler Olaf Scholz hat nach dem Aufstand der Wagner-Söldner deutlich gemacht, dass Deutschland keinen Regierungswechsel in Russland anstrebt. «Unser Ziel hier ist nicht ein Regierungswechsel, ein Regimechange in Russland. Unser Ziel, das wir verfolgen, ist eine unabhängige Ukraine», sagte der SPD-Politiker am Donnerstag vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel. «Wir sind nicht Partei dessen, was in Russland geschieht», betonte er. Deutschland könne nur beobachten.

Olaf Scholz in Brüssel (Bild:  Dursun Aydemir/Anadolu Agency via Getty Images)
Olaf Scholz in Brüssel (Bild: Dursun Aydemir/Anadolu Agency via Getty Images)

Zugleich sicherte Scholz den Ländern an der Nato-Ostflanke Unterstützung für den Fall einer weiteren Eskalation zu. «In der Nato haben wir uns Beistand versprochen. Jeder Angriff auf Nato-Territorium ist eine Sache, die wir gemeinsam beantworten werden», sagte er auf eine Frage nach der Sicherheit der an Belarus angrenzenden Staaten. Polen hatte zuvor bekanntgegeben, wegen der geplanten Verlegung russischer Wagner-Söldner ins Nachbarland Belarus seine Ostgrenze noch stärker sichern zu wollen.

Zentrales Thema beim Gipfel sollten Beratungen zur weiteren Unterstützung der Ukraine sein. Scholz sagte auf eine Frage nach möglichen Sicherheitsgarantien: «Wir haben uns als Staaten verpflichtet, dass wir auch zukünftig der Ukraine etwas schulden, was ihre Sicherheit betrifft.» Deutschland führe mit seinen engsten Verbündeten bereits entsprechende Gespräche mit der Ukraine.

+++ Kreml äußert sich nicht zum Verbleib von General Surowikin +++

Der Kreml äußert sich nach Angaben von Sprecher Dmitri Peskow nicht zum Verbleib des russischen Vizegeneralstabschefs Sergej Surowikin. Es handele sich um eine Angelegenheit des Verteidigungsministeriums, sagte Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge am Donnerstag, nachdem es Berichte über eine Festnahme des Generals gegeben hatte. Peskow hatte am Mittwoch einen US-Medienbericht als «Spekulation» zurückgewiesen, wonach Surowikin von dem Aufstandsplan des Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin vorab gewusst haben soll.

Zur Frage, ob Präsident Wladimir Putin Surowikin weiter vertraue, sagte Peskow am Donnerstag, dass der Kremlchef als Oberbefehlshaber mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow zusammenarbeite. Zu deren Untergebenen müsse sich das Ministerium äußern. Eine Stellungnahme von dort lag zunächst nicht vor.

Mehrere russische Medien hatte schon am Mittwoch unter Berufung auf Informanten berichtet, dass Surowikin festgenommen sei. Eine Bestätigung dafür gab es nicht.

+++ Österreich blockiert mit Partnern EU-Sicherheitsgarantien für Ukraine +++

Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer beim EU-Gipfel. (Bild: Pier Marco Tacca/Getty Images)
Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer beim EU-Gipfel. (Bild: Pier Marco Tacca/Getty Images)

Die Ukraine kann vorerst nicht auf weitreichende Sicherheitsgarantien durch die Europäische Union hoffen. Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer machte am Rande des EU-Gipfels deutlich, dass sein Land für solche Zusagen die notwendige Zustimmung verweigern würde. Zudem hätten auch Irland, Malta und Zypern klar Bedenken angemeldet, erklärte er.

Nehammer sagte am Donnerstag zum Thema Sicherheitsgarantien wörtlich: «Da ist es für uns als neutrale Staaten klar, dass es diese so nicht geben kann.» Österreichs militärische Neutralität ist in einem Bundesverfassungsgesetz aus dem Jahr 1955 geregelt.

Im Entwurf für die Abschlusserklärung des EU-Gipfels ist nun nicht von Sicherheitsgarantien, sondern von Sicherheitszusagen die Rede, worunter in der Regel keine direkte militärische Unterstützung verstanden wird. Konkret heißt es dort: «Die Europäische Union und Mitgliedstaaten sind bereit, gemeinsam mit Partnern zu künftigen Sicherheitszusagen gegenüber der Ukraine beizutragen, die der Ukraine dabei helfen werden, sich langfristig zu verteidigen, Aggressionshandlungen abzuwenden und Destabilisierungsbemühungen zu widerstehen.» Modalitäten eines solchen Beitrags sollten zügig geprüft werden.

+++ Ukraine fordert Bevölkerung an russischer Grenze zur Flucht auf +++

Wegen ständigen russischen Beschusses hat die ukrainische Armee die Bevölkerung der Grenzkreise im nordöstlichen Gebiet Sumy zur Flucht aufgefordert. «Ich rufe alle dazu auf, bitte flieht, um das eigene Leben zu retten!», schrieb Generalleutnant Serhij Najew bei Telegram. Die örtlichen Behörden seien bei der Evakuierung behilflich. Russland setze täglich Raketenwerfer, Artillerie und Gleitbomben in diesem Gebiet ein. «Der Abschnitt Sumy bleibt der gefährlichste im nördlichen Operationsgebiet», unterstrich Najew.

+++ Ukraine verkündet langsamen Vormarsch an mehreren Abschnitten +++

Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben den russischen Gegner an mehreren Frontabschnitten um über einen Kilometer zurückgedrängt. Insbesondere im Umland der russisch kontrollierten Stadt Bachmut im ostukrainischen Gebiet Donezk liege die Initiative derzeit auf ukrainischer Seite, teilte Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar am Donnerstag bei Telegram mit. Namentlich erwähnte sie Vorstöße in Richtung der Dörfer Klischtschijiwka und Kurdjumiwka südwestlich der zerstörten Stadt.

(Bild: Wojciech Grzedzinski/Anadolu Agency via Getty Images)
(Bild: Wojciech Grzedzinski/Anadolu Agency via Getty Images)

Die Ukrainer setzen sich demnach derzeit auf neu erreichten Positionen fest. «Der Feind zieht seine Reserven heran und klammert sich an Bachmut mit allen seinen Kräften», unterstrich sie. Die Angaben der Kriegsparteien lassen sich nicht unmittelbar unabhängig überprüfen. Bachmut war von den Russen im Mai unter hohen Verlusten nach monatelangen schweren Kämpfen erobert worden.

Bei den Kämpfen an der Südfront an der Grenze zwischen den Gebieten Saporischschja und Donezk haben sich die ukrainischen Truppen Maljar zufolge in den eroberten Stellungen festgesetzt. «Sie lassen das gegnerische Offensivpotenzial ausbluten, zerstören Ausrüstung, Lager, Kommando- und Kontrollpunkte und Personal», schrieb sie. Die russische Seite ziehe in diesen Bereichen ebenso Reserven heran.

Russlands Angriff auf die Ukraine (Grafik: dpa/B. Bolte, P. Massow; Redaktion: D. Loesche)
Russlands Angriff auf die Ukraine (Grafik: dpa/B. Bolte, P. Massow; Redaktion: D. Loesche)

+++ Festnahme nach Raketenangriff auf Kramatorsk +++

Nach dem russischen Angriff auf die ostukrainische Stadt Kramatorsk mit mindestens zwölf Toten ist nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj ein mutmaßlicher Hintermann festgenommen worden. «Heute hat der ukrainische Geheimdienst zusammen mit Spezialeinheiten der Polizei die Person festgenommen, die den Terrorakt koordiniert hat», sagte Selenskyj am Mittwoch in seiner abendlichen Videoansprache. Zugleich sprach er den Angehörigen aller Opfer sein Beileid aus.

In Kramatorsk im Donezker Gebiet war am Dienstag bei einem Raketenangriff eine Pizzeria getroffen worden. Jüngsten Angaben zufolge wurden mindestens zwölf Menschen getötet und mehr als 60 verletzt. Unter den Toten sind ukrainischen Angaben zufolge auch drei Kinder. Die Bergungsarbeiten seien nun beendet, teilte der Zivilschutz am Donnerstagmorgen mit. Die Behörde veröffentlichte auch ein Video, auf dem die Arbeiten sowie Drohnenaufnahmen vom Ausmaß der Zerstörung zu sehen waren.

+++ Scholz: Putin nach Wagner-Aufstand geschwächt +++

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht davon aus, dass der abgebrochene Aufstand der Söldnergruppe Wagner den russischen Präsidenten Wladimir Putin geschwächt hat. «Auf alle Fälle wird das sicherlich langfristig auch Auswirkungen haben in Russland», sagte Scholz in der ARD-Sendung «maischberger». «Ich glaube schon, dass er (Putin) geschwächt ist.» Der Aufstand zeige, «dass die autokratischen Strukturen, die Machtstrukturen Risse haben» und Putin keineswegs so fest im Sattel sitze, wie er immer wieder behaupte.

Scholz räumte ein, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) von dem Aufstand in Russland überrascht wurde. Die Dienste in Deutschland «haben das natürlich nicht vorher gewusst», sagte Scholz. «Aber sie haben uns dann auch immer weiter berichtet, was zu beobachten ist.» Scholz kündigte auch an, den Informationsfluss mit den Verbündeten besprechen zu wollen. Zu Berichten, dass die US-Geheimdienste angeblich früher Bescheid gewusst hätten, sagte er: «Das werden wir alle gemeinsam zu besprechen haben - auch, was der Fall ist von den Dingen, die jetzt spekuliert werden.»

+++ Pistorius: Entwicklungen in Russland legen Risse offen +++

Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht in dem bewaffneten Aufstand der Söldner ein Zeichen für Risse in Putins Machtapparat. «Ich glaube, da muss man kein Russland-Experte sein, um zu erkennen, dass eine Situation, die so weit gedeihen kann in so kurzer Zeit, dass die ein eindeutiges Signal dafür ist, (...) dass dort einiges in Schieflage geraten ist und dass es Risse gibt», sagte der SPD-Politiker am Mittwoch (Ortszeit) in Washington. Er antwortete auf die Frage einer Journalistin, wie angeschlagen Putin seiner Ansicht nach sei. Pistorius fügte hinzu, wie tief diese Risse seien und welche Folgen sie für Russland, für die innere Stabilität des Landes und für Putin hätten, ließe sich noch nicht abschätzen. Es gebe auch «kein klares gefestigtes Lagebild», sagte er.

+++ Tichanowskaja: Wagner-Chef Prigoschin in Belarus nicht sicher +++

Die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja glaubt nicht, dass Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin nach seinem gescheiterten Aufstand in Russland nun eine sichere Zuflucht in ihrer Heimat gefunden hat. Prigoschin habe Kremlchef Putin «gedemütigt» und dieser habe anschließend klargestellt, dass er Verrätern nicht vergebe, sagte sie der Deutschen Welle. Wenn Putin dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko die Order gebe, Prigoschin loszuwerden, dann werde er dies tun, sagte sie.