Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Freitag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.

Dieser Ticker ist für heute beendet. Sie können hier die wichtigsten News des Tages zum Krieg in der Ukraine nachlesen.

  • Der Druck steigt: Rufe nach Taurus für die Ukraine werden lauter

  • Selenskyj entlässt Chefs aller Wehrersatzämter

  • Ukraine meldet Tote und Verletzte im Süden und Osten des Landes

  • Explosion in Moskau - Bürgermeister meldet abgewehrten Drohnenangriff

  • Riesiges US-Rüstungspaket für die Ukraine

  • Erneut Raketentreffer auf Saporischschja

  • Ukrainische Armee unter Druck

  • Deutsche Diskussion über Taurus-Marschflugkörper

  • Ukrainische Marinesoldaten in Großbritannien ausgebildet

Die aktuelle News-Lage im Livestream:

+++ Der Druck steigt: Rufe nach Taurus für die Ukraine werden lauter +++

In der Debatte um eine mögliche Lieferung weitreichender Marschflugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine steigt der Druck auf Kanzler Olaf Scholz (SPD). Politiker aus den Regierungsparteien und der Opposition forderten in Berlin, den ukrainischen Streitkräften das für die Zerstörung von Bunkern und geschützten Gefechtsständen auf bis zu 500 Kilometern Entfernung geeignete Waffensystem zu überlassen. Das Verteidigungsministerium machte am Freitag auf Anfrage aber deutlich, es gebe keinen geänderten Kurs hin zu einer möglichen Abgabe. Eine Sprecherin sagte: «Eine politische Entscheidung zur Abgabe wurde nicht getroffen.»

Der «Spiegel» berichtete, die Bundesregierung prüfe, wie Deutschland die Ukraine in den kommenden Monaten mit Taurus aus Beständen der Bundeswehr versorgen könne. Dazu liefen Gespräche zwischen dem Verteidigungsministerium und der Rüstungsindustrie. Das Nachrichtenportal «t-online» hatte am Donnerstag unter Berufung auf SPD-Kreise berichtet, die Regierung wolle «in Kürze» die Lieferung verkünden.

(Grafik: dpa/Brühl, Redaktion: Brühl/Lorenz)
(Grafik: dpa/Brühl, Redaktion: Brühl/Lorenz)

Beim «Spiegel» hieß es, das Verteidigungsministerium habe den Taurus-Hersteller gebeten, eine Limitierung für die Ziel-Programmierung in die Marschflugkörper zu integrieren. Scholz wolle durch technische Modifikationen ausschließen, dass die Ukraine mit den weitreichenden Waffensystemen Angriffe auf russischem Territorium ausführen kann. In Industriekreisen hieß es dem Bericht zufolge, eine solche Einschränkung des Systems sei durchaus möglich, werde aber einige Wochen in Anspruch nehmen.

Die Ukraine fordert von Berlin die Taurus-Marschflugkörper, um auch Stellungen russischer Streitkräfte weit hinter der Frontlinie angreifen zu können. Die Bundeswehr schreibt, der Taurus KEPD-350 («Kinetic Energy Penetrator and Destroyer») werde zur Bekämpfung von wichtigen Zielen über große Entfernung verwendet. Der Luft-Boden-Lenkflugkörper wird von Flugzeugen aus gestartet und erreiche sein Ziel sehr zuverlässig, «auch bei gegnerischen Störmaßnahmen». Der Gefechtskopf durchschlage «selbst stark gehärtete Zielstrukturen, beispielsweise Bunkeranlagen oder Führungsgefechtsstände».

(Bild: Andrea Bienert/Bundeswehr/dpa)
(Bild: Andrea Bienert/Bundeswehr/dpa)

Das Verteidigungsministerium verwies am Freitag auf letzte Äußerungen von Minister Boris Pistorius (SPD), wonach der Zeitpunkt für eine Entscheidung noch nicht gekommen sei. Pistorius hatte auch erklärt: «Wir sind nicht die Einzigen, die nicht liefern. Auch unsere amerikanischen Verbündeten liefern diese Marschflugkörper nicht.»

+++ Selenskyj entlässt Chefs aller Wehrersatzämter +++

Angesichts weit verbreiteter Korruption hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj landesweit die Chefs aller Wehrersatzämter entlassen. Damit reagierte die Regierung in Kiew auf zahlreiche Fälle, in denen wehrpflichtige Männer Bestechungsgeld zahlten, um nicht zum Verteidigungskrieg gegen Russland eingezogen zu werden. Deshalb wurden bereits mehr als hundert Strafverfahren eingeleitet. Die Ukraine verteidigt sich inzwischen seit mehr als 17 Monaten gegen den Einmarsch russischer Truppen. Bei der Gegenoffensive kommt ihre Armee nur mühsam voran.

Auch am Freitag gab es wieder schwere Kämpfe mit zahlreichen Toten, darunter auch Zivilisten. Abermals waren beide Hauptstädte Ziel von Angriffen. Kiew wurde nach Angaben der dortigen Behörden mit russischen Hyperschallraketen «Kinschal» angegriffen, die aber weitgehend abgefangen werden konnten. Im Westen von Russlands Hauptstadt Moskau stieg nach einem Angriff mit einer Drohne eine Rauchsäule auf. Bürgermeister Sergej Sobjanin zufolge wurde niemand verletzt. Der Flughafen Moskau-Wnukowo stellte sicherheitshalber vorübergehend den Betrieb ein.

+++ Ukraine meldet Tote und Verletzte im Süden und Osten des Landes +++

Im Süden und im Osten der Ukraine sind offiziellen Angaben zufolge erneut Zivilisten durch russischen Beschuss getötet und verletzt worden. In der südukrainischen Großstadt Cherson starb nach Angaben der lokalen Militärverwaltung am Freitag ein 53-Jähriger, nachdem sein Wohnhaus von russischer Artillerie getroffen wurde.

In der rund 70 Kilometer östlich gelegenen Ortschaft Beryslaw sollen außerdem zwei Polizisten verletzt worden sein, nachdem eine russische Drohne ihr Dienstfahrzeug angriff. In den vergangenen 24 Stunden sollen die Russen die Region Cherson insgesamt 60-mal beschossen worden, wie die örtlichen Behörden auf Telegram mitteilten.

Auch in der umkämpften ostukrainischen Region Donezk wurden laut Behörden am Donnerstag und am Freitag ein Zivilist von russischer Artillerie getötet und neun weitere verletzt - darunter auch ein Kind. Mehr als 80 Gebäude im Umland wurden demnach beschädigt.

+++ Explosion in Moskau - Bürgermeister meldet abgewehrten Drohnenangriff +++

Russlands Hauptstadt Moskau ist Behördenangaben zufolge erneut von einer Drohne angegriffen worden. In sozialen Netzwerken wurden am Freitagvormittag Fotos und Videos von einer Rauchsäule geteilt, die im Westen der Metropole an der Karamyschewskaja-Promenade emporstieg. Augenzeugen berichteten von einer Explosion. Wenig später teilte Bürgermeister Sergej Sobjanin mit, es sei dort eine Drohne erfolgreich abgewehrt worden. Trümmer seien herabgefallen, die allerdings niemanden verletzt hätten.

Der Flughafen Moskau-Wnukowo sowie der Flughafen der knapp 200 Kilometer südwestlich von Moskau gelegenen Stadt Kaluga stellten vorübergehend den Betrieb ein. Mittlerweile sollen wieder Flugzeuge starten und landen, wie die staatliche Agentur Tass meldete.

(Foto: Uncredited/Russian Emergency Ministry Press Service/AP/dpa)
(Foto: Uncredited/Russian Emergency Ministry Press Service/AP/dpa)

Moskau ist in den vergangenen Wochen immer wieder zum Ziel von Drohnenangriffen geworden, die teilweise bis in die Innenstadt vordrangen und dort Schäden an Gebäuden anrichteten. Vermutet wird hinter den Attacken die Ukraine, gegen die Russland seit mehr als 17 Monaten einen Angriffskrieg führt. Opferzahlen und Schäden in Russland stehen jedoch in keinem Verhältnis zu den Kriegsfolgen in der Ukraine, wo bereits Tausende Zivilisten getötet wurden.

+++ Riesiges US-Rüstungspaket für die Ukraine +++

Die von Russland angegriffene Ukraine kann auf ein weiteres milliardenschweres Hilfspaket aus den USA rechnen. Ranghohe Regierungsbeamte kündigten gestern in Washington an, Präsident Joe Biden werde den Kongress um insgesamt rund 13 Milliarden US-Dollar (11,8 Milliarden Euro) Militärhilfe bitten.

Mit dem Geld sollen auch die Bestände des US-Verteidigungsministeriums wieder aufgefüllt werden, aus denen ein Teil der Militärausrüstung für Kiew stammt. Offen war, ob von dem Geld auch ein Teil in die militärische Unterstützung anderer Länder fließen soll.

«Wir vergessen nicht unser Hauptziel - den Krieg zu gewinnen und das Land nicht zu verlieren», sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache in Kiew. Seine Truppen standen an vielen Frontabschnitten im Süden und Südosten unter Druck. Dem Bericht des Generalstabs in Kiew zufolge rückten die ukrainischen Truppen selber nur an zwei Stellen vor. Heute ist für das Land der 534. Tag in der Abwehr der russischen Invasion.

In der Diskussion über deutsche Militärhilfe forderten Politiker der Union die Bundesregierung auf, der Ukraine die lange erbetenen Marschflugkörper vom Typ Taurus zu schicken. Dafür trat auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ein.

Die Vereinigten Staaten gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Nach Pentagon-Angaben haben die USA seit dem Kriegsbeginn im Februar 2022 allein militärische Hilfe im Umfang von mehr als 43 Milliarden US-Dollar (rund 35 Milliarden Euro) für Kiew bereitgestellt oder zugesagt.

Zu dem neuen Rüstungspaket kommen noch 7,3 Milliarden US-Dollar (6,6 Milliarden Euro) an wirtschaftlicher und humanitärer Unterstützung für die Ukraine und weitere von dem Krieg betroffene Länder. Weitere Milliardensummen sollen etwa über die Weltbank bereitgestellt werden.

+++ Erneut Raketentreffer auf Saporischschja +++

Die ukrainische Großstadt Saporischschja wurde Donnerstagabend erneut mit Raketen beschossen. Dabei sei mindestens ein Mensch getötet worden, schrieb Selenskyj auf Telegram. Außerdem wurden nach Angaben der örtlichen Behörden 16 Menschen verletzt. Am Vortag hatten russische Raketen in der Stadt mindestens drei Menschen getötet. Zwei der Toten waren nach ukrainischen Berichten junge Straßenmusikerinnen, die noch kurz zuvor Musik gemacht hatten. Getroffen wurden den Angaben nach jeweils zivile Ziele, darunter ein Hotel und eine Kirche. In Saporischschja gibt es aber auch das Flugzeugmotorenwerk Motor Sitsch.

+++ Ukrainische Armee unter Druck +++

Nach Angaben des Generalstabs in Kiew griffen russische Truppen an den Frontabschnitten Kupjansk, Lyman, Bachmut, Awdijiwka, Marjinka und Schachtarsk an. Unterstützt wurden die Angriffe durch Artillerie und Luftwaffe. Es gelinge aber jeweils, die Angreifer zu stoppen, hieß es. Die Militärangaben sind unabhängig nicht zu überprüfen.

Der Bericht nannte nur zwei Abschnitte, an denen die Ukraine selber angreife - Richtung Melitopol und Berdjansk im Süden. Dort hofft die ukrainische Armee mit ihrer Gegenoffensive, das Asowsche Meer zu erreichen und die russische Landverbindung zur Halbinsel Krim zu unterbrechen. In der Region haben sich die russischen Truppen aber besonders stark verschanzt. Die ukrainische Offensive läuft seit zwei Monaten, bleibt aber bisher hinter den hohen Erwartungen zurück.

+++ Deutsche Diskussion über Taurus-Marschflugkörper +++

Sicherheitspolitiker der Union haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, der Ukraine mit Taurus-Marschflugkörpern zu helfen. In dieser Frage dürfe es kein «weiteres Ampel-Theater» geben, sagte Fraktionsvize Johann Wadephul (CDU) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

«Für uns ist wichtig, dass eine Entscheidung zur Lieferung von Taurus-Flugkörpern gut abgewogen werden muss. Es muss klar sein, dass es keine Mitwirkung deutscher Soldaten geben darf und die Nachlieferung für die Luftwaffe gleichzeitig mit der Abgabe eingeleitet werden muss.»

Der CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn erinnerte an die langwierigen Debatten in der Koalition um Panzerlieferungen an die Ukraine. Weder Scholz noch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hätten aus Fehlern gelernt. «Wir haben genug Taurus. Ein guter Teil ist sofort einsatzbereit. Die Ukraine braucht sie dringend», sagte auch die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, dem Fernsehsender Phoenix.

Die Ukraine fordert von Berlin die Marschflugkörper mit bis zu 500 Kilometer Reichweite, um russische Stellungen weit hinter der Front angreifen zu können. Die Bundesregierung ist zurückhaltend, weil die Geschosse auch russisches Territorium erreichen könnten. Allerdings haben Großbritannien und Frankreich schon Raketen mit ähnlicher Reichweite geschickt, und in Berlin zeichnet sich ein Umdenken ab.

+++ Ukrainische Marinesoldaten in Großbritannien ausgebildet +++

Großbritannien hat in den vergangenen Monaten etwa 900 Marinesoldaten aus der Ukraine ausgebildet. Nach einem sechsmonatigen Training kehrten die Soldaten nun bald zurück, meldete die Nachrichtenagentur PA in der Nacht. Dem britischen Verteidigungsministerium zufolge waren darunter auch Freiwillige ohne militärische Erfahrung. Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 sind nach Angaben von PA in Großbritannien mehr als 20.000 ukrainische Soldaten trainiert worden.