Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Freitag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.

Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen:

  • Wladimir Klitschko zum Ukraine-Krieg: Man gewöhnt sich an den Tod

  • Ukraine: Brauchen für 2023 mehr Wiederaufbaugeld aus dem Ausland

  • Scholz: Fühle mich Konvention gegen Streumunition verpflichtet

  • Russland: Polnisches Konsulat in Smolensk geschlossen

  • Lindner will Ukraine-Zahlungen aus EU-Gemeinschaftsetat auskoppeln

  • Selenskyj glaubt an breite Sicherheitsallianz

  • Putin: Russland denkt über Verlängerung des Getreideabkommens nach

Die aktuelle Lage im Newsstream:

+++ Wladimir Klitschko zum Ukraine-Krieg: Man gewöhnt sich an den Tod +++

Der frühere ukrainische Box-Weltmeister Wladimir Klitschko hat auf einem Forum zum Ukraine-Krieg in Chemnitz in bewegenden Worten seine Gefühle geschildert. «Jeden Tag, jede Nacht sterben Ukrainer, nicht nur Militärs, sondern auch Zivilisten, Frauen, Kinder. Man gewöhnt sich an die Bilder (...) Man gewöhnt sich daran, den Tod zu sehen und lebt weiter», sagte der 47-Jährige am Freitag auf einem Leserforum der Chemnitzer «Freien Presse». Man gewöhne sich auch an Explosionen. Der 24. Februar 2022 habe das Leben der Menschen in der Ukraine komplett verändert. Gerade jetzt im Sommer würden Pläne gemacht für die Ferien, für das Leben. Ukrainer könnten das so nicht: «Sie denken von Tag zu Tag.»

Wladimir Klitschko (Bild: Craig Stennett/Getty Images))
Wladimir Klitschko (Bild: Craig Stennett/Getty Images))

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verteidigte auf dem Forum vor knapp 300 Lesern die militärische Hilfe für das von Russland angegriffene Land. Niemand in der Welt schaue emotionslos auf diesen Krieg. Viele hätten Zweifel gehabt, ob militärische Hilfe richtig sei. Ohne Panzer und Flugabwehr hätte es noch mehr Opfer gegeben. Es brauche weitere militärische Unterstützung. Man könne sie erst einstellen, wenn der russische Präsident aufhöre, die Ukraine zu bombardieren und Menschen zu verschleppen und zu vergewaltigen. Das passiere tagtäglich in den Gebieten, die noch nicht befreit werden konnten. Dort werde täglich gemordet, gefoltert und vergewaltigt.

+++ Ukraine: Brauchen für 2023 mehr Wiederaufbaugeld aus dem Ausland +++

Die von Russland angegriffene Ukraine hat eine ungenügende internationale Finanzierung der für dieses Jahr geplanten Projekte für den «schnellen Wiederaufbau» beklagt. Von erwarteten umgerechnet rund 12,5 Milliarden Euro seien erst knapp 3,5 Milliarden Euro bereitgestellt worden, sagte Finanzminister Serhij Martschenko gemäß einer Mitteilung vom Freitag. Priorität habe der «schnelle Wiederaufbau», da er sichere Lebensumstände für die Ukrainer und eine wirtschaftliche Erholung sicherstelle, sagte Martschenko.

Zu den Hauptbereichen gehören wichtige Infrastruktur und der Energiesektor, die Reparatur von Häusern und die Minenräumung. Martschenko zufolge erwarte das Land allein für die Finanzierung des Haushaltsdefizits in diesem Jahr umgerechnet gut 38 Milliarden Euro von internationalen Geldgebern. Der Westen gewährt neben der Militärhilfen immer wieder auch Finanzspritzen, damit das Land seinen Haushalt und die laufenden Kosten decken kann.

(Bild: Mykhaylo Palinchak/SOPA Images/LightRocket via Getty Images)
(Bild: Mykhaylo Palinchak/SOPA Images/LightRocket via Getty Images)

+++ Scholz: Fühle mich Konvention gegen Streumunition verpflichtet +++

Kanzler Olaf Scholz hat die US-Entscheidung zur Lieferung von Streumunition erneut verteidigt, aber zugleich die Bedeutung des Vertrags zur Ächtung dieser Art von Munition betont. Deutschland habe die souveräne Entscheidung anderer Staaten nicht zu kommentieren, sagte der SPD-Politiker am Freitag in seiner Sommer-Pressekonferenz in Berlin mit Blick auf die USA. Die US-Regierung habe «eine Entscheidung getroffen, die nicht unsere ist, aber die sie souverän getroffen hat» - mit dem Hinweis, dass sie sonst nicht ausreichend Munition zur Verfügung stellen könne.

Zugleich unterstrich Scholz: «Aber ich will ergänzend noch mal sagen: Für mich ist diese Konvention von großer Bedeutung.» Es gehe dabei gar nicht um die Waffe in ihrer Wirkung im Kriegseinsatz, «denn alle Waffen, die wir liefern, haben furchtbare Zerstörung zur Folge, wenn sie ihre Ziele treffen». Es gehe vielmehr darum, «dass nicht nach dem Krieg und außerhalb der Kriegsparteien von zufällig herumliegender Munition andere bedroht werden». Überall in Deutschland, wo Bomben niedergegangen seien, gibt es auch viele Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges immer wieder Bombenalarm. «Und deshalb ist es schon ein sehr berechtigtes Anliegen, das wir mit dieser Konvention verfolgen. Und dem fühle ich mich auch verpflichtet», sagte Scholz.

Wie funktioniert Streumunition? (Grafik: dpa/ F. Bökelmann)
Wie funktioniert Streumunition? (Grafik: dpa/ F. Bökelmann)

+++ Russland: Polnisches Konsulat in Smolensk geschlossen +++

Das polnische Konsulat in Smolensk nahe der Grenze zu Belarus ist geschlossen worden. Das berichtete die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf Angaben der russischen Regierung. Interfax zufolge ist der Grund anti-russische Maßnahmen, die Polen ergriffen haben soll. Demnach hat Polen unter anderem einen russischen Spionagering ausgehoben und mehrere Verdächtige festgenommen.

Das Konsulat in Smolensk hat für Polen eine besondere Bedeutung, da es zwei historisch wichtige Stätten betreut: Im nahegelegenen Wald von Katyn wurden 1940 Tausende gefangene polnische Offiziere von Angehörigen des sowjetischen Geheimdienstes erschossen, und 2010 ist der frühere Präsident des Landes mit einem Flugzeug nahe Smolensk abgestürzt.

Die polnische Regierung in Warschau hat bereits Vergeltung für die Schließung des Konsulates angekündigt. "Wenn es dazu kommt, dass Russland beginnt, unsere Büros zu liquidieren, werden wir in gleicher Weise reagieren", zitiert die Tagesschau Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.

+++ Ukraine und Russland berichten über neue Drohnenangriffe +++

Die Kriegsparteien Ukraine und Russland haben neue Drohnenattacken auf ihrem Gebiet gemeldet. In der Stadt Krywyj Rih, dem Geburtsort des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, habe eine Drohne ein Verwaltungsgebäude zerstört und weitere Gebäude eines kommunalen Unternehmens beschädigt, teilte der Militärgouverneur des Gebiets Dnipropetrowsk, Serhij Lyssak, am Freitag mit. Er veröffentlichte in seinem Telegram-Kanal auch Bilder der Schäden. Ein Mann sei verletzt worden. Es seien auch zwei Wohnhäuser beschädigt worden. Insgesamt habe es sechs Drohnenangriffe sowie Artilleriebeschuss gegeben, hieß es.

Russland berichtete vom Einsatz seiner Flugabwehr im Gebiet Woronesch, wo am Donnerstag drei Drohnen abgeschossen worden seien. In der in Nachbarschaft zur Ukraine gelegenen Region Kursk meldeten die Behörden den Absturz einer Drohne in der Stadt Kurtschatow, wo ein Wohnhaus beschädigt wurde. Vier Kilometer von der Stadt entfernt liegt das Kursker Atomkraftwerk. Verletzte gab es nach Angaben der Behörden bei keinem der Fälle.

(Bild: Diego Herrera Carcedo/Anadolu Agency via Getty Images)
(Bild: Diego Herrera Carcedo/Anadolu Agency via Getty Images)

Die ukrainischen Luftstreitkräfte haben nach eigenen Angaben bei den Angriffen im Land zwischen Donnerstagabend und Freitagmorgen insgesamt 16 von 17 Drohnen vom Himmel geholt. Die Angaben der beiden Kriegsparteien zu den jüngsten Angriffen ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

+++ Lindner will Ukraine-Zahlungen aus EU-Gemeinschaftsetat auskoppeln +++

In der Debatte um die Aufstockung des EU-Haushalts will Deutschland die für die Ukraine vorgesehenen Ausgaben aus dem Gemeinschaftsetat ausgliedern. «Ich rate dazu, die weitere Finanzierung der Unterstützung der Ukraine zu trennen vom mehrjährigen Finanzrahmen insgesamt», sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner am Freitag in Brüssel vor einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen. Das sei ein besonderer Bedarf, der nicht vorhersehbar gewesen sei. «Für die Ukraine haben wir in der Vergangenheit Lösungen gefunden und würden das auch weiter tun», so der FDP-Politiker.

2020 hatte die EU sich nach zähen Verhandlungen auf den rund 1,1 Billionen Euro umfassenden Gemeinschaftsetat, den sogenannten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die kommenden sieben Jahre verständigt. Ende Juni bat die EU-Kommission nach einer turnusmäßigen Halbzeitüberprüfung mit Blick auf fehlendes Geld im Gemeinschaftsetat die Mitgliedsländer um 66 Milliarden Euro zusätzlich für die kommenden Jahre. Ein Teil des Geldes soll in die finanzielle Reserve für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden Euro für die Jahre 2024 bis 2027 fließen.

+++ Selenskyj glaubt an breite Sicherheitsallianz +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht breite internationale Unterstützung für einen Sicherheitspakt zugunsten seines Landes über die G7-Staaten hinaus. Der Gruppe sieben großer westlicher Demokratien hätten sich seit dem Nato-Gipfel in Litauen binnen kurzer Zeit «bereits sechs weitere Länder angeschlossen», sagte Selenskyj am Donnerstag in seiner abendlichen Videoansprache. Er nannte Dänemark, die Niederlande, Norwegen, Schweden, Spanien und Tschechien. In Vilnius hatten die großen Industrienationen der G7 der Ukraine Schutz zugesichert.

Selenskyj zeigte sich optimistisch, dass weitere Länder mitmachen. Zusammen mit den USA werde man eine Liste der Hilfswilligen erstellen. Der G7-Sicherheitspakt sieht langfristige finanzielle und militärische Hilfsmaßnahmen für die Ukraine vor, unter anderem moderne Ausrüstung für die Luft- und Seestreitkräfte.

Selenskyj erwähnte auch das gefährdete internationale Getreideabkommen. Er habe Südafrikas Präsidenten Cyril Ramaphosa telefonisch eingeladen, sich an der Initiative «Getreide aus der Ukraine» zu beteiligen. Dabei sei man sich über die Notwendigkeit einer Verlängerung des Abkommens einig gewesen. Russland warf er einmal mehr vor, mit der Drohung, die Vereinbarung auslaufen zu lassen, die Welt in Geiselhaft zu nehmen.

+++ Putin: Russland denkt über Verlängerung des Getreideabkommens nach +++

Die Verlängerung des Getreideabkommens mit der Ukraine ist nach Angaben von Kremlchef Wladimir Putin von der Erfüllung der Russland gegebenen Versprechen abhängig. «Wir denken darüber nach, wie wir vorgehen, es sind ja noch einige Tage», sagte Putin in einem Interview des Staatsfernsehens, das der kremlnahe Berichterstatter Pawel Sarubin am Donnerstag auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichte. Er sagte, es gebe die Möglichkeit, die Beteiligung Russlands an dem Abkommen so lange auszusetzen, bis die Versprechungen, die Moskau im Rahmen der Vereinbarung gegeben worden seien, auch tatsächlich erfüllt würden.

Russland hatte nach Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine auch die Seehäfen des Nachbarlands blockiert. Da die Ukraine ein wichtiger Agrarexporteur ist, wuchs weltweit die Sorge vor steigenden Lebensmittelpreisen und Hungerkrisen in den ärmsten Ländern. Im vergangenen Sommer wurde dann unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei das sogenannte Getreideabkommen ausgehandelt, das Kiew die Kornausfuhr über den Seeweg - wenn auch in beschränktem Umfang - ermöglicht.

Bild: REUTERS/Ints Kalnins
Bild: REUTERS/Ints Kalnins

Als Gegenleistung forderte Moskau Erleichterungen bei den Sanktionen für seine Dünge- und Lebensmittelexporte, etwa bei Versicherungen, Fracht und auch der Finanzierung. «Nichts, ich möchte das betonen, absolut nichts wurde getan», klagte Putin in dem Interview. Ohne Verlängerung läuft die Schwarzmeer-Getreide-Initiative am Montag aus.

+++ Putin: Kiew hat Recht auf Sicherheit, aber nicht auf Kosten Moskaus +++

Putin sprach vor dem Hintergrund seines Angriffskriegs gegen die Ukraine dem Nachbarland prinzipiell das Recht auf die Wahrung seiner Sicherheit zu. Dies dürfe aber die Sicherheit Russlands nicht gefährden, schränkte er in dem Interview des Staatsfernsehens ein. «Die Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato schafft eine Bedrohung für die Sicherheit Russlands», behauptete Putin, der dies als einen Grund für den Beginn des Kriegs anführte.

Die Mitgliedschaft in der Nato mache auch die Ukraine nicht sicherer, sondern führe nur zu weiteren Spannungen in der Welt, sagte der Kremlchef weiter. Die Ukraine strebt den Beitritt zur westlichen Militärallianz vor allem an, um sich vor der Bedrohung aus Russland zu schützen. Beim Nato-Gipfel in Vilnius hat Kiew keine Einladung zum Bündnis erhalten. Stattdessen gab es Sicherheitsgarantien von den G7-Staaten der mächtigsten Wirtschaftsnationen. Daneben sagten die Nato-Staaten der Ukraine weitere Waffenhilfe zu.

+++ Putin: Westliche Panzer brennen besser als T-72 +++

Nach Putins Angaben sind die westlichen Waffen nicht kriegsentscheidend. Allein seit Beginn der Kiewer Gegenoffensive Anfang Juni habe das russische Militär 311 ukrainische Panzer zerstört. Davon stamme mindestens ein Drittel aus westlicher Produktion, darunter auch deutsche Leopard-Kampfpanzer. Die ukrainischen Soldaten würden gar nicht mehr in westliche Panzer steigen wollen, weil diese zuerst abgeschossen würden. «Und sie brennen auch wie alle anderen, sogar besser als die Panzer aus sowjetischer Produktion - die bekannten T-72», behauptete Putin.

Nach Angaben westlicher Militärexperten hatte Russland zu Jahresbeginn bei den Panzern noch ein Übergewicht von drei zu zwei. Zuletzt sollen sich die Zahlen jedoch angeglichen haben.

+++ Streumunition aus den USA in der Ukraine angekommen +++

Derweil traf die von den USA zugesagte Streumunition als weiteres kriegswichtiges Element in der Ukraine ein. «Wir haben sie gerade erst bekommen. Wir setzen sie bisher noch nicht ein», sagte der ukrainische Brigadegeneral Olexander Tarnawskyj in einem am Donnerstag ausgestrahlten Interview dem US-Sender CNN. Die ukrainische Führung werde nun entscheiden, wo sie eingesetzt werden könne. Die USA hatten die Lieferungen vergangene Woche angekündigt, was auch in Partnerländern kritisiert wurde. Mehrere Nato-Staaten - darunter Deutschland - haben den Einsatz dieser Waffen durch ein internationales Abkommen geächtet.