Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Freitag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.

Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen:

  • Kiew: Westen schuld an langsamer ukrainischer Offensive

  • Drei Tote durch russischen Beschuss im Flutgebiet in Cherson gemeldet

  • Selenskyj gegen Mönche – Orthodoxe kämpfen um Kiews Höhlenkloster

  • Rheinmetall liefert der Ukraine 20 weitere Panzer in diesem Sommer

  • Strack-Zimmermann: Mit «Air Defender» in der Realität angekommen

  • Vier Lecks, viele Theorien - das Rätsel der Nord-Stream-Explosionen

  • Selenskyj fordert internationalen Druck in der Atomfrage

  • Russische Schiffsbewegungen in Skandinavien im Fokus

Die aktuelle Newslage:

+++ Kiew: Westen schuld an langsamer ukrainischer Offensive +++

Die politische Führung in Kiew hat die bisher geringen Fortschritte der ukrainischen Gegenoffensive mit dem Zögern des Westens bei Waffenlieferungen erklärt. «Die bei der Überzeugung der Partner verlorene Zeit, die notwendigen Waffen zu liefern, spiegelt sich im konkreten Ausbau russischer Befestigungen wider», schrieb der Berater im Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, am Freitag beim Kurznachrichtendienst Twitter. Die Russen hätten sich tiefer eingegraben und ein System von Minenfeldern angelegt.

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+++ Kleinere Geländegewinne im Süden +++

Die ukrainische Armee bekräftigte am Freitag, im Zuge ihrer Gegenoffensive kleinere Geländegewinne im Süden des Landes gemacht zu haben. In der Region Saporischschja sollten nun befreite Positionen an den Stoßrichtungen Berdjansk und Melitopol verstärkt werden, teilte der ukrainische Generalstabssprecher Andrij Kowaljow mit. Im Osten des Landes wurden derweil laut Verteidigungsministerium zwei russische Angriffe aufgehalten.

Die ukrainischen Verteidiger hätten die Vorstöße des Feindes bei Lyman und Kupjansk gestoppt, schrieb Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar auf Telegram. Zu Beginn der Woche hatte Maljar gesagt, Russland versuche, bei Kupjansk im Gebiet Charkiw und bei Lyman im angrenzenden Luhansker Gebiet, die Initiative zurückzugewinnen. Auch im östlichen Gebiet Donezk halten demnach schwere Kämpfe an.

+++ Hauptangriff ukrainischer Gegenoffensive noch nicht erfolgt +++

Dem Befehlshaber des ukrainischen Heeres, Olexander Syrskyj zufolge ist der Hauptangriff der Gegenoffensive noch nicht erfolgt. «Die Hauptstreitkraft ist noch nicht an den Kampfhandlungen beteiligt und wir suchen und testen jetzt Schwachstellen in der Verteidigung des Gegners», sagte Syrskyj der britischen Zeitung «Guardian» am Freitag.

+++ Drei Tote durch russischen Beschuss im Flutgebiet in Cherson gemeldet +++

In der südukrainischen Stadt Cherson sind laut dortigen Behörden mindestens drei Mitarbeiter eines städtischen Transportunternehmens durch russischen Beschuss getötet worden. Drei weitere Menschen seien verletzt ins Krankenhaus gebracht worden, wie die Militärverwaltung am Freitag auf Telegram berichtete. Die Hauptstadt des gleichnamigen Gebiets Cherson kämpft unter andauernden russischen Angriffen seit Wochen mit den Flutfolgen nach der Zerstörung des nahe gelegenen Kachowka-Staudamms.

Der Damm in der von russischen Truppen besetzten und unmittelbar an der Front gelegenen Stadt Nowa Kachowka war am 6. Juni zerstört worden. Daraufhin strömten riesige Wassermassen aus dem angrenzenden Stausee aus. Viele Orte wurden überschwemmt. Die Ukraine, die sich seit 16 Monaten gegen den russischen Angriffskrieg verteidigt, ist überzeugt, dass Russland das Bauwerk absichtlich gesprengt hat. Auch viele internationale Experten halten das für wahrscheinlich. Moskau dementiert den Vorwurf.

+++ Selenskyj gegen Mönche – Orthodoxe kämpfen um Kiews Höhlenkloster +++

Aus Angst vor einem möglichen Polizeieinsatz im jahrhundertealten Höhlenkloster in Kiew haben schon mindestens zehn Mönche die Flucht ergriffen. «Die meisten, noch 150, sind geblieben und wollen nicht gehen», sagt Priester Polykarp Lynenko. Er lebt schon seit mehr als drei Jahrzehnten in der Petscherska Lawra, wie das Kloster auf Ukrainisch heißt. «Ich verurteile Russland dafür, dass es mein Land überfallen hat und uns tötet.» Der 52-Jährige hält die Gemeinschaft heute zusammen, seit der Metropolit Pawlo Lebid als höchster Würdenträger der ukrainisch-orthodoxen Kirche mit Fußfesseln im Hausarrest sitzt. Viele sprechen von einem politischen Verfahren.

Kiews Justiz wirft dem Abt Pawlo Landesverrat und Kollaboration mit Moskaus russisch-orthodoxer Kirche und deren Patriarch Kirill vor. Der Geistliche soll in abgehörten Telefonaten Russlands Angriffskrieg gerechtfertigt haben. Dagegen betont Vater Polykarp, dass sich seine Kirche nach Kriegsbeginn offiziell vom Moskauer Patriarchat losgesagt habe. Er nennt Präsident Wladimir Putin und den kremltreuen Patriarchen, die beide selbst noch vor zehn Jahren in Kiew 1025 Jahre Christianisierung feierten, Kriegsverbrecher.

Mönch und Priester Polykarp Lynenko von der ukrainisch-orthodoxen Kirche steht in einem Garten auf dem Gelände des Höhlenklosters (Bild: Ulf Mauder/dpa)
Mönch und Priester Polykarp Lynenko von der ukrainisch-orthodoxen Kirche steht in einem Garten auf dem Gelände des Höhlenklosters (Bild: Ulf Mauder/dpa)

Vom Glauben ablassen will er deshalb aber nicht. «Das Leben hier im Kloster und die Zugehörigkeit zu dieser Kirche verhindern nicht, dass ich ein Patriot der Ukraine bin», sagt der Mönch. «Ich fühle mich beleidigt, wenn sie mich einen Moskauer Popen oder Verräter meines Heimatlandes Ukraine nennen.»

Seit Monaten schon gehen die ukrainischen Behörden gegen die Mönche vor. Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht die Kirche von moskautreuen Spionen durchsetzt. Er will die Mönche aus dem für orthodoxe Christen wichtigen Heiligtum hinauswerfen. Die berühmte Pilgerstätte am Fluss Dnipro steht als Weltkulturerbe unter dem Schutz der Unesco und ist offiziell ein Museum. Übergeben werden soll die Anlage, deren Ursprünge bis ins 11. Jahrhundert zurückgehen, nun an die noch junge Orthodoxe Kirche der Ukraine.

Aber die Mönche weichen nicht. Sie warnen vor politischer Verfolgung wie in der Vergangenheit unter den Kommunisten in der Sowjetunion. Und sie kämpfen vor Gericht dagegen, dass ihre Mietverträge teils aufgekündigt, teils nicht verlängert wurden. Ihre Kirchenfürsten beklagen seit Monaten gewaltsame Übergriffe und vor allem erniedrigende Razzien durch den ukrainischen Geheimdienst SBU.

+++ London: Russische Marine erhöht Anzahl von Kampfdelfinen auf Krim +++

Zum Schutz seiner Marinebasis auf der annektierten ukrainischen Halbinsel Krim setzt Russland nach Informationen britischer Geheimdienste stärker auf sogenannte Kampfdelfine. Aufnahmen des Hafens von Sewastopol, dem Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte, zeigten, dass sich die Zahl schwimmender Gehege fast verdoppelt habe, teilte das britische Verteidigungsministerium am Freitag mit. Darin würden höchstwahrscheinlich Große Tümmler gehalten, die feindliche Taucher abwehren sollen.

Insgesamt seien die Sicherheitsvorkehrungen seit Sommer 2022 stark erhöht worden. «Dazu gehören mindestens vier Schichten von Netzen und Barrieren entlang der Hafeneinfahrt», teilte das Ministerium mit. Der Hafen von Sewastopol war während des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine mehrmals Ziel mutmaßlicher ukrainischer Raketen- oder Drohnenangriffe. Ende April wurden dort mehrere Öltanks zerstört.

+++ Rheinmetall liefert der Ukraine 20 weitere Panzer in diesem Sommer +++

Der Rüstungskonzern Rheinmetall will 20 weitere Schützenpanzer Marder noch in diesem Sommer an die Ukraine liefern. Einen entsprechenden Zeitplan für einen bereits Anfang Juni bekanntgegebenen Auftrag bekräftigte das Unternehmen am Freitag in Düsseldorf. Der Bund bezahlt dafür einen unteren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag. Damit hätte die Ukraine insgesamt 60 Marder bekommen: 40 von Rheinmetall und 20 aus Bundeswehr-Beständen. 60 weitere bietet Rheinmetall an, hierzu laufen in den Werken Unterlüß (Niedersachsen) und Kassel (Hessen) bereits Arbeiten. Von diesen 60 könnten pro Monat bis zu 10 fertig werden, heißt es von der Firma.

Separat zum direkten Ukraine-Geschäft bekommt Griechenland ebenfalls in diesem Sommer 40 Marder von Rheinmetall. Dies geschieht im Rahmen eines sogenannten Ringtausches, bei dem Nato-Staaten anderes Kriegsgerät aus sowjetischer Produktion an die Ukraine abgeben.

+++ Strack-Zimmermann: Mit «Air Defender» in der Realität angekommen +++

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat das Großmanöver «Air Defender 2023» als exemplarisch für die Zukunft der Nato bezeichnet. Nötig seien weitere gemeinsame Übungen, um zu trainieren, wie das eigene Territorium gegen mögliche Angriffe Russlands oder anderer Aggressoren zu verteidigen sei, forderte die FDP-Politikerin am Freitag in Berlin. Die Rolle, die Deutschland als Initiator des Manövers gespielt habe, sei von allen Partnern als äußerst positiv empfunden worden.

«Deutschland hat seiner geografischen Lage und seiner wirtschaftlichen Kraft entsprechend geführt und gezeigt, dass es Fähigkeiten besitzt, auf die auch die Partner zurückgreifen können», sagte Strack-Zimmermann der Deutschen Presse-Agentur weiter. «Das sollte in Zukunft auch alle anderen Teilstreitkräfte betreffen. Wir sind endlich in der Realität angekommen.»

Zum Abschluss des Großmanövers «Air Defender 2023» will die Luftwaffe am Freitagvormittag Bilanz ziehen. Inspekteur Ingo Gerhartz wird auf dem Militärflughafen in Jagel (Schleswig-Holstein) über Erkenntnisse aus dem Übungsbetrieb berichten und erklären, welche Schlüsse die Teilnehmer daraus ziehen. Der letzte Übungsflug war am Donnerstagabend absolviert worden.

«Air Defender 2023» war die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Gründung der Nato und wurde unter deutscher Führung organisiert. Es nahmen 25 Nationen mit 250 Flugzeugen und etwa 10 000 Soldaten teil. Mit einem fiktiven Szenario wurde im Luftraum über Deutschland trainiert, wie das westliche Verteidigungsbündnis auf den Angriff eines östlichen Bündnisses reagiert und dabei bereits vom Gegner besetzte Gebiete zurückerobert.

+++ Vier Lecks, viele Theorien - das Rätsel der Nord-Stream-Explosionen +++

Die Bilder der blubbernden Ostsee gingen um die Welt - aufsteigendes Gas wühlt im vergangenen Herbst an mehreren Stellen großflächig die Wasseroberfläche auf. Es stammte aus den stark beschädigten Nord-Stream-Leitungen. Was sich zuvor am Grund abgespielt hat, ist seit Monaten Gegenstand von Ermittlungen, Spekulationen und Medienberichten - und eine Aufklärung auch neun Monate nach dem Vorfall weiter ungewiss.

Am 26. September 2022 waren Explosionen in der Nähe der dänischen Insel Bornholm registriert worden. Wenig später wurden vier Lecks an drei der insgesamt vier Leitungen entdeckt. Der Betreiber von Nord Stream 1 sprach später von metertiefen Kratern und weit verteilten Trümmern am Meeresgrund.

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+++ Selenskyj fordert internationalen Druck in der Atomfrage +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seine Terrorvorwürfe gegen Moskau erneuert und den Abzug russischer Truppen aus dem Atomkraftwerk Saporischschja gefordert. «Die vollständige Räumung des Kernkraftwerks Saporischschja ist erforderlich», sagte gestern Abend in seiner täglichen Videobotschaft.

Die Welt müsse den Druck auf Moskau erhöhen, um eine atomare Katastrophe zu verhindern. Radioaktivität kenne keine Neutralität, sagte er in Richtung jener Länder, die im Konflikt bisher keine Position bezogen. Selenskyj wiederholte den Vorwurf, dass Moskau im Atomkraftwerk Saporischschja einen Anschlag plane, den es dann zynisch «unter dieser oder jener Katastrophe zu verbergen hofft». Er habe Vertreter der großen westlichen Industrienationen (G7) und der Industrie- und Schwellenländer (G20) sowie internationaler Organisationen über die Gefahr unterrichtet.

+++ Russische Schiffsbewegungen in Skandinavien im Fokus ++

Während in Deutschland vor allem die «Andromeda» im Zentrum von Berichten und Spekulationen steht, gilt die mediale Aufmerksamkeit in Skandinavien in erster Linie einer anderen Spur - und die führt nach Russland. Wie Investigativjournalisten aus Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland in einer aufwendigen Dokumentation berichteten, haben sich in den Monaten und Tagen vor den Explosionen mehrere russische Militärschiffe in der Nähe der Tatorte aufgehalten.

Dabei sollen die Schiffe ihre Sender abgestellt haben und somit unter dem Radar gefahren sein. Ein Flottenschiff mit abgestelltem Sender und der Möglichkeit zu Unterwassereinsätzen, der Schlepper «SB-123», sei fünf Tage vor den Detonationen an den Explosionsorten gewesen, zwei weitere - die «Sibirjakow» und ein anderes, das nicht identifiziert wurde - bereits im Juni. Das dänische Militär hatte zuvor bereits bestätigt, dass das russische Spezialschiff «SS-750» vier Tage vor den Detonationen in Tatortnähe fotografiert worden war. Das Schiff verfügt über ein Mini-U-Boot mit Greifarmen.