Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Montag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.

Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen:

  • Kiew spricht von planmäßiger Gegenoffensive - und «schwerer Lage»

  • Stoltenberg: Formelle Nato-Einladung an Ukraine kein Thema mehr

  • London will gesperrtes russisches Vermögen für Ukraine nutzen

  • Kreml begründet Zugangsverbot zu Flutgebiet mit Sicherheitsproblemen

  • Ausschuss: Russischer Angriff auf Schweden nicht ausgeschlossen

  • Selenskyj: Russland verliert Zukunft und Gelände

  • Brigadegeneral: Zurückhaltung bei Beurteilung von Ukraine-Offensive

  • Luftwaffenübung «Air Defender 2023»: Erdkampfflugzeuge nach Litauen

Die aktuelle Newslage:

+++ Kiew spricht von planmäßiger Gegenoffensive - und «schwerer Lage» +++

Das ukrainische Militär hat von einem planmäßigen Verlauf der eigenen Gegenoffensive gesprochen - zugleich aber eine «schwere Lage» an der Front eingeräumt. Im Süden des Landes sei man auf «erbitterten Widerstand» der russischen Besatzer gestoßen, schrieb der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj am Montag bei Telegram. Der Vormarsch der Ukrainer werde durch Befestigungen, dichte Minenfelder und eine «große Zahl an Reserven» behindert. «Die Operation wird nach Plan fortgesetzt», versicherte Saluschnyj aber.

In einem Video zeigte er sich zudem zusammen mit Generalstabschef Serhij Schaptala in einem Kommandozentrum in Frontnähe. Saluschnyj konterte damit wohl auch Gerüchten in russischen Staatsmedien, die seit einiger Zeit immer wieder behaupten, er sei angeblich bei einem Raketenangriff im Mai schwer verletzt worden.

+++ Stoltenberg: Formelle Nato-Einladung an Ukraine kein Thema mehr +++

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg geht nicht davon aus, dass die Nato den ukrainischen Wunsch nach einer formellen Einladung in das Bündnis schon beim bevorstehenden Gipfel im Juli erfüllen wird. «Beim Vilnius-Gipfel und in den Vorbereitungen auf den Gipfel diskutieren wir nicht, eine formelle Einladung auszusprechen», sagte Stoltenberg am Montag nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin. «Was wir diskutieren ist, wie wir die Ukraine näher an die Nato heranführen können.»

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in den vergangenen Wochen immer wieder betont, dass er beim Gipfel im litauischen Vilnius eine formelle Einladung erwarte. Weder in der Ukraine noch in Europa noch in der Nato würde die Mehrheit der Bevölkerung verstehen, wenn Kiew bei dem Spitzentreffen in Litauen keine «wohlverdiente Einladung» erhielte, sagte er.

Nach den Angaben von Stoltenberg wird darüber nun nicht mehr diskutiert. Er könne die Ergebnisse des Gipfels zwar nicht vorwegnehmen. Aber die Verbündeten seien sich schon in vielen Punkten einig, was die Ukraine angehe, sagte der Nato-Generalsekretär. So bestehe Einigkeit, dass die Tür der Nato offen sei und die Ukraine schon beim Gipfel in Bukarest 2008 eine Beitrittsperspektive bekommen habe. Stoltenberg betonte auch, dass nicht Russland über den Zeitpunkt einer Einladung an die Ukraine entscheide, sondern die Nato und die Ukraine selbst.

Jens Stoltenberg (Bild: Reuters)
Jens Stoltenberg (Bild: Reuters)

+++ London will gesperrtes russisches Vermögen für Ukraine nutzen +++

Großbritannien will beschlagnahmtes russisches Vermögen zur Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine freigeben. Gesetzlich solle festgelegt werden, dass Sanktionen bis zur Zahlung von Schadenersatz aufrechterhalten bleiben können und eingefrorene Vermögenswerte genutzt werden dürfen, teilte die Regierung in London am Montag mit. In der britischen Hauptstadt findet an diesem Mittwoch und Donnerstag eine Konferenz statt, um den Aufbau der kriegszerstörten Ukraine zu besprechen.

(Symbolbild: Andre Luis Alves/Anadolu Agency via Getty Images)
(Symbolbild: Andre Luis Alves/Anadolu Agency via Getty Images)

Russinnen und Russen, die mit britischen Sanktionen belegt wurden, aber die Ukraine unterstützen wollen, hätten nun die Möglichkeit, «das Richtige zu tun - indem sie ihre eingefrorenen Gelder für den Wiederaufbau der Ukraine spenden», hieß es. Vermögenswerte würden freigegeben, wenn die Besitzer explizit beantragen, dass das Geld der Ukraine zugutekommt. Niemand werde dazu gezwungen. Zugleich betonte die Regierung, eine Zustimmung werde nicht strafmildernd gewertet.

+++ Kreml begründet Zugangsverbot zu Flutgebiet mit Sicherheitsproblemen +++

Nach Angaben aus dem Kreml lässt Russland Vertreter der Vereinten Nationen wegen Sicherheitsproblemen nicht in die Flutregion südlich des zerstörten Kachowka-Staudamms in der Ukraine. «Das ist alles sehr schwer. Es ist schwer, ihre Sicherheit zu gewährleisten und viele andere Nuancen», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Zuvor hatten die Vereinten Nationen beklagt, keinen Zugang zu den russisch besetzten Überschwemmungsgebieten zu bekommen.

Er kenne die Details nicht, sagte Peskow. Die Schuld dafür schob er zugleich Kiew zu. Es sei sehr schwierig, von ukrainischer Seite auf das von Moskau kontrollierte Dnipro-Ufer zu kommen. «Da gibt es ständigen Beschuss, ständige Provokationen, es werden zivile Objekte, Menschen und Bevölkerung beschossen. Leute sterben», sagte der Sprecher von Russlands Präsident Wladimir Putin. Kiew wiederum wirft Russland vor, die ukrainischen Rettungsaktionen im Flutgebiet zu boykottieren und Helfer zu beschießen.

+++ Ausschuss: Russischer Angriff auf Schweden nicht ausgeschlossen +++

Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine halten es Verteidigungsexperten im Nato-Anwärterland Schweden nicht für unmöglich, dass auch ihr Land angegriffen werden könnte. «Ein bewaffneter Angriff auf Schweden kann nicht ausgeschlossen werden», schrieb der Verteidigungsausschuss Försvarsberedningen in einem am Montag veröffentlichten sicherheitspolitischen Teilbericht.

Dass Russlands Streitkräfte in der Ukraine gebunden seien, begrenze zwar die Möglichkeiten, diese Ressourcen in anderen Weltregionen zu nutzen, schrieb das Gremium. Diese Einschätzung bedeute aber nicht, dass Russland nicht in der Lage wäre, in der unmittelbaren Umgebung Schwedens militärisch zu agieren. Moskau habe seine Hemmschwelle zum Einsatz militärischer Gewalt gesenkt und eine hohe politische wie militärische Neigung zum Risiko gezeigt. Russlands Vermögen, Einsätze gegen Schweden mit Luft- oder Seestreitkräften, Langstreckenwaffen oder Kernwaffen durchzuführen, bleibe intakt.

Das Gremium betonte, dass Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine auch die schwedische Sicherheitspolitik umfassend verändert habe. «Russlands umfassender Einmarsch in die Ukraine sowie Chinas wachsende Territorialansprüche zeigen, dass Konflikte über Territorium mit militärischen Mitteln wieder zu einer Realität geworden sind», so der Bericht.

(Symbolbild: Reuters)
(Symbolbild: Reuters)

+++ Selenskyj: Russland verliert Zukunft und Gelände +++

Russland sollte seine Bürger aus Sicht des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf den Verlust von besetzten Gebieten vorbereiten. Russland habe mit dem Krieg nicht nur seine eigene Zukunft vernichtet, um die Territorien einzunehmen, sondern werde auch alle besetzten Gebiete verlieren, sagte Selenskyj in seinem am Sonntagabend in Kiew verbreiteten allabendlichen Video. «Für unsere Schritte einer De-Okkupation gibt es keine Alternative und wird es keine geben.» Schritt für Schritt bewegten sich die ukrainischen Streitkräfte voran, um ihr Land zu befreien, sagte er.

Selenskyj kündigte an, dass die Ukraine in den kommenden Tagen von ihren Verbündeten neue militärische Hilfszusagen erwarte. Zum Besuch von Vertretern mehrerer afrikanischer Staaten bei Kremlchef Wladimir Putin in St. Petersburg sagte er: Sie hätten sich dort überzeugen können, dass die Ukraine auf Frieden aus sei, Russland hingegen Krieg wolle, um «weiter das Leben zu zerstören».

Die afrikanische Delegation mit Vertretern aus Südafrika, Ägypten, dem Senegal, Sambia, der Republik Kongo und Uganda erarbeitete im Zuge ihrer Friedensinitiative eigenen Angaben zufolge einen Zehn-Punkte-Plan. Die Hoffnung auf Erfolg ist nach fast 16 Monaten russischem Angriffskrieg aber äußerst gering. Vor ihrem Besuch in St. Petersburg war die Delegation am Freitag bei Selenskyj in Kiew. Dieser setzt den Abzug russischer Truppen für Verhandlungen voraus.

In seinem Video machte sich Selenskyj auch über Putin lustig, der am Freitag in St. Petersburg behauptet hatte, dass die russischen Streitkräfte in Kiew bereits fünf Flugabwehrsysteme des US-Typs Patriot zerstört hätten. Laut US-Medien gibt es allerdings nur zwei dieser Systeme in der Ukraine. Der ukrainische Staatschef sagte, dass alle Systeme intakt seien. «Nicht ein einziger Patriot ist zerstört!», betonte er. Allein in den vergangenen sieben Tagen seien drei Dutzend russische Raketen zerstört worden.

Präsident Wolodymyr Selenskyj (Bild: Vitalii Nosach/Global Images Ukraine via Getty Images)
Präsident Wolodymyr Selenskyj (Bild: Vitalii Nosach/Global Images Ukraine via Getty Images)

+++ Brigadegeneral: Zurückhaltung bei Beurteilung von Ukraine-Offensive +++

Bei der Bewertung der ukrainischen Gegenoffensive ist nach Meinung des Leiters des Lagezentrums Ukraine im Verteidigungsministerium, Brigadegeneral Christian Freuding, Zurückhaltung angebracht. «Wir müssen ein bisschen vorsichtig sein, damit wir nicht anmaßend werden, dass wir von der Berliner Sommerterrasse aus die ukrainische Taktik beurteilen», sagte Freuding am Sonntagabend im ARD-«Bericht aus Berlin».

Die Ukrainer zahlten in diesem Krieg seit über 400 Tagen einen hohen Preis. «Und ich glaube, wir haben weder die Sicht drauf, noch auch das Recht drauf, das ukrainische Vorgehen der Truppenteile in der Art und Weise zu beurteilen, ob es gut, schlecht, zweckmäßig oder unzweckmäßig war.» Nach Angaben Freudings geht die Ukraine sehr restriktiv mit Informationen zur Lage um. «Wir nennen das militärisch "operational security". Das ist natürlich auch nachvollziehbar, weil daraus sonst der Feind Schlüsse ziehen könnte.»

Er wolle sich dem Urteil aber nicht anschließen, dass das Vorgehen der Ukraine nicht so gut laufe, sagte Freuding. Es gebe ein Wiedergewinnen der Initiative durch die ukrainischen Streitkräfte und erste Angriffserfolge. «Wir haben aber auch gesehen, dass die Verteidigungsstellungen der russischen Streitkräfte sehr stark vorbereitet wurden.» Derzeit konsolidierten sich die ukrainischen Kräfte, um zu schauen, wo und womit sie Erfolg hatten.

+++ Luftwaffenübung «Air Defender 2023»: Erdkampfflugzeuge nach Litauen +++

Im Schatten des russischen Kriegs gegen die Ukraine werden die Teilnehmer der Luftwaffenübung «Air Defender 2023» in der dieser Woche mit Kampfflugzeugen an der Ostflanke der Nato unterwegs sein. Am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag würden jeweils sechs Erdkampfflugzeuge vom Typ A-10 zu Starts und Landungen nach Litauen einfliegen, teilte die Luftwaffe der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mit. Zum Wochenstart fliegen vier Maschinen vom Typ F-16 und jeweils zwei F-15 und Eurofighter sowie ein Tankflugzeug über Polen.

Nach diesen Angaben haben östliche Nato-Partner um ein solches Signal der Rückversicherung und des militärischen Zusammenhalts gebeten. An der Übung nehmen noch bis zum 23. Juni unter deutscher Führung 25 Nationen mit 250 Flugzeugen und 10 000 Soldaten teil. Die Nato ist beteiligt. «Air Defender 2023» ist die bislang größte Verlegungsübung von Luftstreitkräften seit Gründung der Nato und trainiert mit einem fiktiven Szenario im Luftraum über Deutschland Verfahren, wie das westliche Verteidigungsbündnis auf den Angriff eines östlichen Bündnisses reagiert und dabei bereits vom Gegner besetzte Gebiete zurückerobert.

Inzwischen gab es bei der Übung mehr als 1000 Flüge. Der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, bezeichnete das am Sonntag als herausragende Leistung. Er sagte: «Die Hälfte ist geschafft.» Die Verlegung von mehr als 1600 Tonnen Material und 100 Flugzeugen aus den USA nach Deutschland habe reibungslos geklappt.

Zum Übungsbetrieb sagte der Generalleutnant: «Es hatte am Anfang hier und da auch geknirscht. Unterschiedliche Ausbildungsstände, sprachliche Herausforderungen und auch die Technik musste erstmal ans Laufen kommen.» Deutlich werde, «Air Defender 2023» habe für alle Beteiligten einen operativen, logistischen und menschlichen Mehrwert.