So umweltschädlich ist das Fliegen

Viel los am Boden und am Himmel: Experten gehen davon aus, dass sich bis 2037 der Fligverkehr verdoppeln wird. Foto: Symbolbild / gettyimages / thamerpic
Viel los am Boden und am Himmel: Experten gehen davon aus, dass sich bis 2037 der Fligverkehr verdoppeln wird. Foto: Symbolbild / gettyimages / thamerpic

Der Klimawandel und das Fliegen: Nur 20 Prozent der Weltbevölkerung ist jemals in ein Flugzeug gestiegen. Dabei zeigt sich das Reisen über den Wolken für einen großen Anteil der menschgemachten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Der Versuch einer Einordnung.

Die Klimadebatte dreht sich häufig um „Hebel“, also an welchen Stellen die Politik – und jeder einzelne Bürger – ansetzen kann, um klimaverträglicher zu leben. Die Wissenschaftler um das IPCC, den Weltklimarat, sprechen an dieser Stelle von einem Rest-Budget – wie viel Kohlendioxid-Äquivalente dürfen wir als Menschheit noch in die Atmosphäre pusten, bevor es zu sogenannten Kipppunkten kommt.

Das Pariser Klimaabkommen – eher eine lose Vereinbarung?

Diese Kipppunkte treten ein, wenn die Erderwärmung kritische Schwellenwerte erreicht. Dann schmelzen etwa Permafrostböden in Russland und setzen große Mengen darin enthaltene Klimagase frei. Oder die Pole schmelzen weiter ab, dadurch reflektiert immer weniger helle Eisfläche Sonnenwärme – die wird durch die dunkle Meeresfläche sogar vermehrt gespeichert. Es gibt zahlreiche solcher Kipppunkte. Sie haben gemein, dass sie den Klimawandel überproportional verstärken. Vielleicht sogar irreversibel.

Deshalb haben sich im Jahr 2015 in Paris 195 Staaten zu dem 2-Grad-Ziel bis zum Jahr 2100 – im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter – verpflichtet. Der Weltklimarat drängt mittlerweile sogar auf das 1,5-Grad-Ziel. Doch von vielen Staaten kommen kaum politische Signale, in Deutschland wird derzeit der Braunkohleausstieg bis 2038 als großer Sieg gefeiert. Dabei sagt die Wissenschaft, das sei schlicht zu spät.

Kurzfristig ein klimaverträglicheres Leben zu führen bleibt daher vor allem an der Initiative der Bürger hängen. Ein zentraler Hebel dafür ist das Fliegen. So schreibt das Wissensmagazin Quarks: Auf den einen großen Flug im Jahr zu verzichten sei der zweigrößte Hebel (Platz eins: Radfahren statt mit dem Auto), um seinen CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Wie schädlich das Fliegen tatsächlich ist, haben wir hier zusammengetragen.

Einmal fliegen oder zwei Jahre Auto fahren?

Das Umweltbundesamt (UBA) schreibt auf seiner Homepage: „Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen.“ So verursacht ein Flug von Deutschland auf die Malediven und zurück, das sind etwa 8.000 Kilometer, einen Schadstoffausstoß von fünf Tonnen Kohlendioxid. Mit einem Mittelklassewagen – man rechnet sieben Liter auf 100 Kilometer – kann man dafür 25.000 Kilometer weit fahren. Für viele Menschen entspricht das in etwa der Distanz, die sie in knapp zwei Jahren zurücklegen. Einen weiteren Vergleich strengt der „WWF“ Schweiz an: So belaste ein Kilometer im Flugzeug das Klima 30 Mal so stark wie ein Kilometer im Zug.

Damit die globale Temperatur übrigens nicht weiter steigt, sollte jeder Mensch auf der Welt pro Jahr nicht mehr als 2,3 Tonnen CO2 verbrauchen. Das langfristige Ziel des UBA ist es, auf eine Tonne pro Bürger und pro Jahr zu kommen. Wie viel jeder mit seinem Lebensstil selbst verbraucht, kann er hier testen.

Bürger der reichen und großen Industrienationen fliegen

Vor einigen Jahren berechnete die Nicht-Regierungs-Organisation „Germanwatch“, dass ein Sitzplatz, in einem Flugzeug von Deutschland in die Karibik und wieder zurück, ungefähr so viel CO2 verbraucht, wie 80 Einwohner Tansanias durchschnittlich in einem gesamten Jahr. Oder dass eine Flugreise nach Teneriffa und zurück dem Jahresverbrauch von vier Menschen in Vietnam entspricht.

Auf den ersten Blick schräge Vergleiche, doch sie zeigen, wer durch das Fliegen den Klimawandel vor sich hertreibt: Die Einwohner reicher Industrieländer. So schreibt der britische „Independent“, dass vor allem somit Touristen aus den größten und reichsten Ländern der Welt, „den größten Schaden“ anrichten: Das sind Amerika, China und Deutschland. Der „Freitag“ schreibt dazu, dass nur etwa 20 Prozent der Weltbevölkerung je ein Flugzeug betreten haben.

Weil nackte Zahlen immer etwas sperrig sind, versuchen Forscher, die Umweltfolgen durch das Fliegen fassbarer zu machen. In der „Zeit“ berichten etwa Meteorologen des Max -Planck-Instituts, dass jedes Jahr als Folge des Fliegens 6.000 Quadratkilometer Meereis in der Arktis schmelzen. Das entspricht der achtfachen Fläche Hamburgs. Im Deutschlandfunk bricht Polarforscher Dirk Notz das sogar auf jeden einzelnen Fluggast herunter: „Für jede Tonne Kohlendioxid, die eine Person irgendwo auf dieser Erde freisetzt, schmilzt drei Quadratmeter arktisches Sommer-Meereis.“

Klimawirkung des Fliegens liegt viel höher, als der CO2-Ausstoß allein

Klimawirksam ist laut UBA beim Fliegen nicht nur Kohlendioxid. Bei der Verbrennung von Kerosin entstehen noch weitere Stoffe: Das sind Stickoxide, Aerosole (Verbindungen aus Feststoffen und Gasen) und Wasserdampf – in großer Höher ausgestoßen tragen sie dreimal stärker als in Bodennähe zum Treibhauseffekt bei. Sie werden in Flughöhe zudem langsamer abgebaut.

Ihre Wirkung ist komplex, doch Stickoxide wirken zum Beispiel am Aufbau von Ozon mit, einem starken Treibhausgas. Aerosole und Wasserdampf verändern die natürliche Wolkenbildung. Diese Effekte zusammengenommen, so schreibt es das UBA, sei die Treibhauswirkung des Fliegens zwei- bis fünfmal höher, als die alleinige Wirkung des ausgestoßenen CO2.

Weil viele Schätzungen davon ausgehen, dass auf das Fliegen etwas mehr als zwei Prozent des globalen CO2-Ausstoßes zurückgeht, ist die Klimawirkung entsprechend größer. Stefan Gössling, er hat das Buch „Climate Change and Aviation: Issues, Challenges and Solutions“ herausgegeben, beschreibt es im Gespräch mit der Deutschen Welle so: „Der Beitrag der Branche zur Erderwärmung ist mindestens doppelt so groß, wie der des CO2 für sich allein genommen.“ Eher, so schätzt er, liege der Beitrag zum Klimawandel nicht bei zwei, sondern bei mindestens fünf Prozent. Gössling weiter: „Individuell betrachtet, gibt es keine andere menschliche Aktivität, die in so einer kurzen Zeit so viele Emissionen verursacht wie die Luftfahrt, weil sie so energieintensiv ist.“

Wieso ist Fliegen so billig?

Den Preis macht der Staat möglich. Er subventioniert laut der Zeit das Fliegen, weil er intensives Interesse hat: Flughäfen bringen demnach „Wirtschaftswachstum, Jobs, Tourismus, Messegäste“. Deshalb werden Airlines auch, wenn sie neue Zielflughafen anfliegen, von den Flughafengebühren befreit. Zudem verzichtet der Staat Deutschland darauf, Auslandsflüge zu besteuern. Hingegen schlägt er Steuern auf Bahntickets und Benzin. Eine Kerosinsteuer gibt es ebenfalls nicht, eine Mineralölsteuer wiederum schon. Den billigen Preis fürs Fliegen macht also der Staat möglich. Die Schäden an der Umwelt trägt hingegen die Gesellschaft.

Die CO2-Steuer kommt, oder?

Das soll sich bald ändern: Viel spricht dafür, dass eine CO2-Steuer kommt. Die Fridays for Future-Aktivisten fordern 180 Euro pro Tonne, um die Schäden an Natur und Umwelt einzupreisen. Dadurch würden Mehrkosten entstehen: Der Spiegel hat berechnet, dass ein Flug von Frankfurt nach Auckland (ungefährer Verbrauch pro Person: 11,7 Tonnen CO2) dadurch 2.107 Euro mehr kosten würde. Ein Inlandsflug von München nach Hamburg läge bei einem Aufpreis von 28,80 Euro für 0,16 Tonnen CO2, die gleiche Bahnfahrt bei 6,12 Euro mehr.

Der Preis von 180 Euro pro Tonne ist nicht willkürlich gewählt, sondern entstammt wissenschaftlichen Berechnungen. Das UBA fasst es so zusammen: „Zu viele Treibhausgase, Luftschadstoffe und andere Umweltbelastungen schädigen unsere Gesundheit, zerstören Ökosysteme und lassen Tiere und Pflanzen aussterben. Zudem führen sie zu wirtschaftlichen Einbußen durch z. B. Produktionsausfälle, Ernteverluste oder Schäden an Gebäuden und Infrastruktur. Die Emission einer Tonne Kohlendioxid (CO2) verursacht Schäden von rund 180 Euro.“

Vor einigen Monaten noch hat die „Internationale Luftverkehrsvereinigung“ (IATA) vorhergesagt, dass sich bis zum Jahr 2037 die Zahl der Luftfahrgäste verdoppeln wird: Auf 8,2 Milliarden jährlich. Ob diese Zahl mit den jüngsten Entwicklungen um eine CO2-Steuer Bestand hat?